Wackelige Leitern, hohe Mulden, Stau und Stress. Wer in Selm schon einmal Müll zum Wertstoffhof gebracht hat, weiß: Bequem ist das nicht, dafür aber langwierig. Dass die Anlage an der Industriestraße in die Jahre gekommen und weit hinter dem zurückgefallen ist, was den Bürgerinnen und Bürgern auf den Recyclinghöfen in der Nachbarschaft - etwa in Nordkirchen - geboten wird, ist Konsens in Politik und Verwaltung in Selm. Dass Investitionen nötig sind, um die Situation zu verbessern, ebenfalls. Fast wären sich auch alle einig gewesen, dass der Neubau auf der gegenüberliegenden Straßenseite sinnvoller sei als ein Umbau am bestehenden Standort. Dann meldete sich aber die CDU zu Wort.
Der Einwurf der Union erreichte die Politikerinnen und Politiker der anderen Fraktionen im Selmer Rat spät am Vorabend der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses: ein Antrag mit der Bitte, auf eine Abstimmung im Gremium zu verzichten und stattdessen erst im Haupt- und Finanzausschuss am Mittwoch (7. Dezember, 17 Uhr im Bürgerhaus) eine Vorentscheidung für den Stadtrat zu treffen. Wie die am besten ausfallen soll, hat die CDU auch schon formuliert.
Das eigentlich für den neuen Wertstoffhof ins Auge gefasste, etwa 5000 Quadratmeter große Grundstück solle lieber „als potenzielle Erweiterungsfläche für die benachbarte Unterkunft für geflüchtete Menschen“ betrachtet werden. „Wir haben grundsätzlich kein Problem mit einem neuen Wertstoffhof“, sagte Hugo Brentrup. Aber bevor diese Fläche überplant werde, solle die Stadt lieber ein anderes Problem lösen: Wohin mit einer neuen Flüchtlingsunterkunft? „Darüber müssen wir uns jetzt Gedanken machen“ und nicht erst am 30. Juni, wenn die Notunterkunft des Landes NRW auf dem LAFP-Gelände in Bork schließt.
Brentrup: „Option offenhalten“
Bekannt ist, dass die Stadt Selm dann mehr Flüchtlinge zugewiesen bekommen werden wird und für sie Wohnraum schaffen muss. Bislang werden Schutzsuchende, die in der Landesunterkunft beim LAFP untergebracht sind, zu 100 Prozent auf die Aufnahmeverpflichtung der Kommunen angerechnet. Dass die bestehenden Unterkünfte nicht ausreichen werden, hatte Bürgermeister Thomas Orlowski bereits im August mitgeteilt. Ob im schlimmsten Fall auch Turnhallen zu Unterkünften umgewidmet werden müssen, wollte er damals nicht ausschließen. Die Erweiterung der Container-Wohnanlage an der Industriestraße wäre laut Hugo Brentrup eine Option, die sich Selm deshalb jetzt nicht verbauen solle.
In der im April 2017 eröffneten Container-Wohnanlage auf dem ehemaligen Disco-Gelände an der Industriestraße ist Platz für 200 Menschen. Tatsächlich sei die Anlage meistens aber nur zur Hälfte gefüllt, hatte die Stadtverwaltung im Vorfeld gesagt und deshalb auch sowohl mit Nordkirchen als auch inzwischen mit Olfen eine Vereinbarung zur Unterbringung dortiger Flüchtlinge in Selm geschlossen beziehungsweise vorbereitet. Der Selmer Stadtrat soll am 14. Dezember den abschließenden Beschluss über die Anfrage aus Olfen fassen.
1,57 oder 1,69 Millionen Euro
Einen Vorgeschmack auf die Diskussion im Haupt- und Finanzausschuss über den CDU-Vorstoß gab Dr. Hubert Seier. Er rechnete vor, dass die Stadt ab Juli 2024 mit etwa 250 zusätzlichen Flüchtlingen rechnen müsse. Wenn sie in der dann erweiterten Container-Wohnanlage an der Industriestraße untergebracht würden, entstünde dort ein Komplex, der ähnlich groß sei wie der in Bork. Dass eine solche Größe Probleme bereite, sei doch gerade mehrfach Thema gewesen in diesem Jahr.
Ein Umbau des Wertstoffhofes am bestehenden Standort würde laut Stadtwerken 1,57 Millionen Euro kosten: ein Wert, der noch nicht die Kosten für ein bis zu neun Monate nötiges Ausweichquartier während der Bauarbeiten beinhaltet. Der Neubau schlägt dagegen mit 1,695 Millionen Euro zu Buche. Darin sind allerdings noch nicht die Grundstückskosten enthalten.

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