
© Sylvia vom Hofe/privat
Unternehmer aus Lünen rettet Villen am Cappenberger Wald und plant Neues
Wohnungsbau
Die beiden Villen am Cappenberger Wald sind gerettet. Der Vorbesitzer hatte sie abreißen und durch 26 Doppelhaushälften ersetzen wollen - ein Schock. Der neue Eigentümer hat ein Einsehen.
Sie sind ein Hingucker. Jeder, der auf der Borker Straße zwischen Cappenberg und Lünen unterwegs ist, kennt sie: die Villen am Ortsrand, gegenüber des Cappenberger Waldes. Die mehr als 100 Jahre alten Häuser, die von dem Wohlstand der einstigen Erbauer zeugen und von ihrer wechselvollen Geschichte. Sie abzureißen, würde daher bedeuten, Cappenberg nicht nur eines Stückes seines Ortsbildes zu berauben, sondern auch seiner Geschichte. Und doch schien genau das bevorzustehen - bis es jetzt eine entscheidende Wendung gab.
Das Aufatmen im Selmer Ausschuss für Stadtentwicklung war laut und einhellig, nachdem der neue Eigentümer sein Bauvorhaben erläutert hatte. Thorsten Redeker, Inhaber des Lüner Unternehmens Elektro Laschinski, hatte betont, „auf jeden Fall“ die imposanten Gebäude erhalten zu wollen: „Alles andere wäre eine Sünde.“ Er habe sich sofort in die „traumhaften Objekte“ verliebt, als er im November 2021 die Möglichkeit bekam, sie mit seiner Fromm & Redeker Wohnbau GmbH zu erwerben. Nur am Ist-Zustand festhalten will aber auch Redeker nicht.
Zwei Sechsfamilienhäuser und kleine Wohnungen
Der von ihm beauftragte Architekt Ralf Lübben aus Sprockhövel hat auf dem 7500 Quadratmeter großen Grundstück zwei Sechsfamilienhäuser im jeweils hinteren Grundstücksbereich geplant. „Der Blick von der Straße auf die Villen wird nicht beeinträchtigt“, sagte der Planer. Beide nach Süden orientierten Häuser würden von der Borker Straße aus erschlossen: ein Stich zwischen den beiden Jugendstil-Bauten mit den Hausnummern 14 und 16 hindurch. In diesem Bereich sollen auch Garagen mit begrünten Dächern und die Fahrradabstellanlagen platziert werden.

Eine der beiden Villen an der Borker Straße in Cappenberg. © vom Hofe
Die Neubauten mit jeweils sechs zwischen 75 und 90 Quadratmeter großen Wohnungen werden nach Süden orientiert sein, wie Lübben ergänzte. „Wir rücken aber möglichst weit von der hinteren Grundstücksgrenze ab“, um Konflikte mit den Bewohnern der angrenzenden Am-Birkenbaum-Grundstücke möglichst zu vermeiden.
Ob die zwölf neuen Wohnungen vermietet oder verkauft werden, sei noch offen, sagte Redeker. Ebenfalls offen ist die genaue Gestaltung eines weiteren Bauvorhabens. Fest steht lediglich: Auch die UKBS, die kreiseigene Wohnungsgesellschaft, wird auf dem Grundstück bauen - hinter der rechten der beiden Villen, von der Borker Straße aus betrachtet. UKBS-Geschäftsführer Matthias Fischer konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Sitzung teilnehmen. So viel wurde aber bekannt: „Geplant sind kleinere Einheiten für Ein- und Zwei-Personen-Haushalte“, wie Eigentümer Redeker sagte.
Politik zeigt sich einhellig angetan vom Entwurf
Ausschussvorsitzender Jochen Westermann (CDU) zeigte sich angetan von dem ersten Entwurf. „Wir hatten hier auch schon mal etwas ganz anderes gezeigt bekommen“, sagte er. Tatsächlich: Die ursprünglichen Eigentümer, Erben des Lüner Coca-Cola-Produzenten Karl Brecht (1902-1976), hatten vorgeschlagen, die Villen abzureißen. An ihre Stelle sollten 26 Doppelhaushälften treten: ein Schock für viele Cappenberger, darunter auch Christoph Kappenberg (CDU). Umso erleichterter äußerte er sich jetzt.
„Ihnen gilt unser Dank, dass Sie die Villen erhalten“, sagte der Ratsherr an Thorsten Redeker gewandt. „Wir freuen uns, neue Cappenberger in den Neubauten begrüßen zu können.“ Auch von nahezu allen anderen politischen Seiten gab es Zustimmung. Marion Küpper (Grüne) zeigte sich „erfreut“- sowohl über den Erhalt der Villen als auch über die Rücksichtnahme auf den Baumbestand. Zumindest sechs der zehn alten Bäume werden erhalten, wie Lübbe sagte. Jürgen Walter (SPD) und Dirk Scherle (Familienpartei) lobten übereinstimmend „die gelungene Planung“, und Klaus Schmidtmann (FDP) zeigte sich „geradezu begeistert“.
Das „tolle Stimmungsbild“ aus der Politik lässt Redeker jetzt hoffen, dass es zügig weitergehen kann. In ein paar Wochen wolle er den Bauantrag einreichen. „Und wenn dann alles gut läuft, könnten wir im Herbst beginnen“, ergänzte Ralf Lübben im Anschluss der Sitzung.
Geburtshaus von Gerta Overbeck soll „etwas Tolles“ werden
Wie werden die Villen genutzt werden? Diese Frage konnten Redeker und Lübben noch nicht beantworten. Bei dem - von Bork aus gesehen - ersten Haus, der sogenannten Schmieding-Villa, sei die Sache weitgehend klar: „Das ist jetzt schon ein Mehrfamilienhaus und wird es dann auch bleiben“, so Redeker. Für das zweite Haus, die sogenannte Overbeck-Villa, in die später der Coca-Cola-Unternehmer zog, wolle er sich „etwas Tolles einfallen“ lassen. Schließlich handele es sich bei dem seit rund zehn Jahren leer stehenden Gebäude um das Geburtshaus von der international bekannten Malerin Gerta Overbeck-Schenk. Deren Opa war der Dortmunder Oberbürgermeister und VEW-Gründer Wilhelm Schmieding, der neben der Nachbarvilla drei weitere Jugendstil-Villen in Cappenberg bauen ließ.
Auch wenn die beiden Häuser Borker Straße 14 und 16 so eng mit der Ortsgeschichte verbunden sind: Unter Denkmalschutz stehen sie nicht. Um zu verhindern, dass sie vorschnell Platz machen - zum Beispiel für die unerwünschte Doppelhaus-Bebauung XXL - hatte die Stadt Selm eine Veränderungssperre erwirkt bis Mitte 2023. Die sei jetzt obsolet, meinte der Ausschussvorsitzende. Redeker möchte am liebsten Ende des Jahres anfangen zu bauen.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
