Wenn Jérôme Méli durch die Straßen von Walincourt-Selvigny läuft, sprechen ihn die Menschen oftmals mit gleich zwei Namen an. Kinder wählen meist die Anrede „Scratch“, die Erwachsenen begrüßen ihn formell mit „Bürgermeister“. Die beiden unterschiedlichen Bezeichnungen haben vor allem etwas mit den großen Bildern zu tun, die auf die Fenster seines weißen Lieferwagens gedruckt sind. Dort trägt Méli nämlich einen Clownsnase und verkörpert die lustige Figur „Scratch“. Ein Bürgermeister mit zwei Berufen, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Der 43-Jährige hat einen besonderen Werdegang. Bevor er 2020 zum Bürgermeister der nordfranzösischen Kommune Walincourt-Selvigny (Partnerstadt von Selm) gewählt wurde, arbeitete er zuerst als Bestattungsunternehmer und wechselte dann in die Unterhaltungsbranche. „Ich hatte Gesundheitsprobleme und beschloss, mich meiner Leidenschaft zu widmen – der Zauberei.“ Aus dieser Idee wurde 2009 eine Zaubershow, in der Méli als Clown auftrat und es auch heute noch tut.
Unter der Woche hält er sich die Zeit frei für Bürgermeister-Tätigkeiten. Er kümmert sich um seine eigene Stadt Walincourt-Selvigny und um den Schulsektor in insgesamt zehn Kommunen. Am Wochenende legt er diesen Job dann zur Seite und widmet sich ganz dem Clown-Dasein. „Beides gleichzeitig würde nicht funktionieren. Ich habe das Glück, dass ich für mich selbst arbeite, also kann ich mir meinen Terminplan selbst einteilen“, erklärt Méli.

Auch als die Selmer Delegation zu Besuch in der nordfranzösischen Stadt war, musste sich der 43-Jährige einen Tag aus dem Geschehen herausziehen, da er einen Auftritt als Clown hatte. Wie oft er im Monat in diese Rolle schlüpft, sei immer unterschiedlich. Mal verkörpert er einmal oder auch zehn Mal die lustige Figur „Scratch“.
Zu diesen Animationen kommen auch noch Aufführungen, bei denen er beispielsweise Ballone zu Skulpturen verknotet. Im Dezember wird Méli auch oft gebucht, um eine Weihnachtshow für Kinder zu machen. „Das ist wahrscheinlich mein vollster Monat“, schätzt er.
Auch wenn es mal stressig werden kann mit den zwei Jobs, könne er sich gut organisieren und beides nebeneinander ausüben, betont Jérôme Méli. In Frankreich ist er durch seine unterschiedlichen Berufe kein Unbekannter. Es gebe noch drei Zauberer, die ebenfalls Bürgermeister sind, aber er sei der einzige Clown-Bürgermeister, erklärt der 43-Jährige. „Es haben sich schon viele französische Radiosender und Journalisten dafür interessiert. Sie wollten mich dazu bringen, dass ich behaupte, dass alle Bürgermeister und Politiker Clowns sind. Aber das habe ich nie gesagt“, versichert Méli und lacht.
Gemeinsamkeiten bei den Jobs
Die Zirkuskünste haben den Bürgermeister schon immer fasziniert. Dabei standen für ihn aber nicht die Shows im Vordergrund. „Ich fand es immer magisch, wenn sie ihre Zirkuszelte aufgebaut haben, die Wohnwagen, die Zirkuswagen mit den Clownsköpfen. Und natürlich die Paraden.“ Wenn Méli früher im Sommer in den Urlaub gefahren ist und irgendwo ein Zirkus auftrat, habe er nie widerstehen könne. „Ich war auch ein großer Fan von Achille Zavatta, ein Clown, der in Frankreich sehr beliebt war und viel herumgereist ist.“
Auf die Frage, ob er lieber ein Clown oder Bürgermeister sein würde, braucht Méli nicht lange überlegen: „Clown-Bürgermeister.“ Für den 43-Jährigen sind die beiden Jobs auch gar nicht so weit voneinander entfernt. „Die Idee als Clown ist es, den Menschen eine Freude zu machen, ihnen eine gute Zeit zu bereiten. Und wenn man irgendwo Bürgermeister ist, ist man auch da, um den Alltag zu verbessern, für den Lebenskomfort.“ Letztendlich gehe es um den Wunsch, anderen Personen etwas Gutes zu tun.
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