Wenn der Selmer Stadtrat tagt, stehen im Bürgerhaus Kaffeekannen auf den Tischen, gleich neben kleinen Getränkeflaschen. Dass Trinken die geistige Leistungsfähigkeit steigert, ist in dem Gremium bekannt. Welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, daran scheiden sich dagegen die Geister - sogar innerhalb einer Fraktion.
Die Stadtverwaltung solle „den Bedarf für Trinkwasserspender in den Selmer Schulen und sonstigen öffentlichen Einrichtungen feststellen“, forderten am Donnerstag (17.11.) CDU-Fraktionschefin Claudia Mors und ihre Grünen-Kollegin Christina Greive-Leismann. Dabei seien „die verschiedenen Betriebsmöglichkeiten wie Leasing oder Kauf, Anlagen mit Netzanschluss oder externer Belieferung, mobile oder fest installierte Geräte“ und so weiter gegenüber zu stellen und anschließend sei zu entscheiden, ob die Stadt Schulkindern einen kostenlosen Zugang zu dem gesunden Durstlöscher ermöglicht - am besten mit Unterstützung von Sponsoren oder öffentlichen Fördertöpfen.
Laut Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung NRW ist Leitungswasser „ein idealer, kalorienfreier, umweltfreundlicher und preiswerter Durstlöscher“. Schülerinnen und Schüler, die zu wenig trinken, seien nachweislich häufiger müde und weniger aufmerksam. „Schon Flüssigkeitsverluste von nur zwei Prozent führen zu einer Verschlechterung der Leistungsfähigkeit.“ Die Verbraucherzentrale NRW hatte bereits 2020 die Handreichung „Trinkt Leitungswasser. Trinkwassersysteme für Schulen“ erstellt. Sie soll helfen, Schulen mit Wasserspendern oder Trinkbrunnen auszustatten - so, wie es in Selm jetzt CDU und Grüne vorgeschlagen haben.
Forderung nach Hitze-Sommer
Wie aktuell das Thema ist, hat sich spätestens seit dem Hitze-Sommer 2022 herumgesprochen: „Wir wollen mehr Trinkwasserstellen in den Städten schaffen. Sie werden nicht nur in Hitzeperioden gute Dienste leisten“, sagte Ende August der Geschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. Brunnen leisteten einen „wichtigen Beitrag, um die Gesundheit der Menschen bei Hitze besser zu schützen“.
NRW hatte seit 2020 ein Landesprogramm zur Unterstützung der Klimaanpassung in Kommunen angeboten: 12,5 Millionen Euro unter anderem für die Entsiegelung von Flächen und das Begrünen von Dächern, aber eben auch für das Aufstellen von öffentlichen Trinkwasserbrunnen und -spendern. Das Problem: Mit 110 bewilligten Anträgen ist der Fördertopf inzwischen leer. Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick nach Haan. Die rheinisch-bergische Stadt, die ähnlich groß ist wie Selm, hat im November 2022 mit der Installation von acht Edelstahl-Wasserspendern in den dortigen Schulen begonnen - dank eines anonymen Spenders.
Spenderinnen und Spender von ihrer Idee des Gratis-Trinkens begeistern zu können, hoffen auch die Selmer Antragsstellerinnen. Die Fördervereine der Schulen könnten in solchen Fällen auch Spendenquittungen ausstellen. Allerdings zeigte sich im Rat, wie schwierig es ist, Menschen zu überzeugen von der Sinnhaftigkeit der Idee - sogar in der eigenen Fraktion.

Brentrup: Erzieherisch negativ
Ein kostenloses Trinkangebot an den Schulen zu schaffen, sei „ein weiterer Schritt zur Vollkasko-Mentalität“, meinte Hugo Brentrup (CDU). Da half es auch nicht, dass die Fraktionschefin darauf verwies, „dass man längst nicht mehr davon ausgehen kann, dass alle Eltern ihre Kinder schon richtig versorgen“. Der stellvertretende Bürgermeister nannte das „erzieherisch beispielhaft negativ“. Unterstützung erhielt er von der FDP. Klaus Schmidtmann merkte sarkastisch an, noch nie davon gehört zu haben, „dass in Deutschland Schüler verdurstet sind“. Angesichts der katastrophalen finanziellen Lage sehe er es nicht ein, den Antrag zu unterstützen. Die Mehrheit sah das anders.
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