Stiftskirche Cappenberg: Seltener Ritus am Sonntag Geheimnis um Kästchen voller Reliquien

Seltener Ritus in Stiftskirche: Geheimnis um Kästchen voller Reliquien
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Die Veränderung lässt sich nicht auf den ersten Blick erkennen. Selbst wer regelmäßig in der 900 Jahre alten Stiftskirche auf dem Gelände des Schlosses Cappenberg ist, wird es nicht gleich erkennen: ein Schimmern, wo bislang nur rauer Sandstein-Fußboden war: die Vorbereitungen für eine Zeremonie, die es heutzutage kaum noch gibt.

„Das habe ich noch nie miterlebt“, sagt Prof. Dr. Alfons Rinschede (68). Und so bald wird es dazu auch nicht wieder kommen. Die Weihe von neuen Altären ist in der katholischen Kirche, die gerade wieder einen Rekordwert an Kirchenaustritten vermeldet hat, selten geworden. Und damit auch das Beisetzen von Reliquien. Was im Mittelalter wertvoller war als Gold und Edelsteine, wirkt im 21. Jahrhundert befremdlich: das Zurückgelassene - so die Übersetzung von Reliquie - von Menschen, die als Vorbilder galten. „Dabei“, schränkt Rinschede ein, „ist uns so etwas auch heute noch vertraut“.

Der stellvertretende Vorsitzende des Kirchenvorstandes der Pfarrgemeinde St. Johannes Cappenberg-Langern meint nicht die Gebeine von Heiligen, ihre Asche, ihre Kleider oder Dinge, die sie angefasst haben sollen: vermeintliche Schätze, die der Reformator Martin Luther einst als „nutzlose Hunds- und Rossknochen“ verspottete: „ein tot Ding“. Rinschede spricht von Fan-Kult: Fußballanhänger, die ein Stück Rasen aus dem Stadion schneiden oder Pop-Fans, die ein verschwitztes T-Shirt ihres Stars auffangen. Rinschede nennt das weltliche Reliquienverehrung. In Cappenberg gibt es aber noch eine andere Form.

1200-jährige Tradition

Das weltweit bekannteste Stück Cappenberg ist der goldene Kopf, der in der Stiftskirche hinter Panzerglas ausgestellt ist. Einst galt er als Barbarossa-Kopf, bis aktuelle Forschungen zeigten, dass es sich um die Büste eines Heiligen handele: ein Reliquiar. Wenn man das stolz zeige, meint Rinschede, dürfe man die Reliquien für den Altar nicht verschweigen.

Das versiegelte Kästchen ist so groß wie eine Computer-Maus. Wie alt es ist und was genau sich darin befindet? „Wir wissen es nicht“, sagt Rinschede. Sicher ist nur, dass es vor mehr als 50 Jahren in den damaligen Volksaltar eingemauert worden ist. Als Handwerker den jetzt abbauten, nahm Domvikar Jörg Niemeier das geheimnisvolle Kästchen an sich, um das Siegel zu erneuern. Vielleicht habe er dabei auch Erkenntnisse über den Inhalt zu Tage gebracht, hofft Rinschede.

Mehr werde am Sonntag (2. 7.) im 10-Uhr-Gottesdienst zu erfahren sein, wenn das Kästchen zurückkehrt nach Cappenberg, um bald wieder zu verschwinden: unter dem neuen, 800 Kilogramm schweren Altar, der am 27. Juli geliefert und am 13. August geweiht werden wird. Die dafür seit mehr als 1200 Jahren vorgeschriebene Beisetzung von Reliquien wird bereits an diesem Sonntag erfolgen: nicht im Altar selbst, sondern im Fußboden darunter. Schimmernde Bronzestrahlen weisen auf den Ort. Alle Interessierten sind eingeladen: zum Gottesdienst und anschließendem Umtrunk.

Unter der Bronzeplatte befindet sich in der 900 Jahre alten Stiftskirche Cappenberg das neue Loch für die Reliquien. Bronzestrahlen weisen auf die Fläche, auf der ab Ende Juli 2023 der neue Altar stehen wird. Im Hintergrund: Prof. Sr. Alfons Rinschede.
Unter der 15-mal-15 Zentimeter großen Bronzeplatte befindet sich in der 900 Jahre alten Stiftskirche Cappenberg das neue Loch für die Reliquien. Bronzestrahlen weisen auf die Fläche, auf der ab Ende Juli 2023 der neue Altar stehen wird. Im Hintergrund: Prof. Dr. Alfons Rinschede. © Sylvia vom Hofe

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