
© Stefan Milk
Statistik lässt Kreis Unna wie die Heimat der Impfmuffel aussehen
Coronavirus
Dass die Impfstatistiken für den Kreis Unna immer ungenauer würden, hat unsere Redaktion bereits im Oktober vorausgesagt. Inzwischen erscheint er als Region der Impfmuffel. Glaubhaft ist das nicht.
Nach den bekannten Zahlen sieht es so aus, als wäre die Impfbereitschaft im Kreis Unna noch geringer als in Sachsen-Anhalt und Thüringen. 67,9 Prozent der Bevölkerung sind mit einer belegten Erstimpfung in den Immunisierungsprozess gegen das Coronavirus beziehungsweise die Krankheit Covid-19 eingestiegen. Der Landeswert für NRW liegt bei 78,2 Prozent.
Doch es fehlt beim Wert für das Kreisgebiet ein Wort, das der Empörung vorbeugen kann: „mindestens“. Dass die Zahlen im Kreis Unna künftig ungenauer werden würden, hat unsere Redaktion bereits im Oktober festgestellt. Mit der Zeit aber werden aus kleinen Abweichungen vom Kurs dann riesige Abweichungen vom Ergebnis.
Das Problem liegt vor allem in dem Stellenwert, den die statistische Auswertung von Impfungen innerhalb der einzelnen Impfsysteme hat. Am größten ist er unter den niedergelassenen Ärzten: Hausärzte und Fachärzte mit eigener Praxis erfassen jede Impfung, um sie an die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe zu melden. Sie stellt einmal in der Woche eine aktualisierte Auswertung zur Verfügung.
Die 67,9 Prozent verdienen den Zusatz „mindestens“
Impflinge, die sich ihre erste Dosis beim niedergelassenen Arzt abgeholt haben, dürften einen großen Teil der 268.225 Erstgeimpften ausmachen, die zurzeit als belegt gelten.
Zudem enthält die Zahl aber zwei Summanden, die durchaus als veraltet gelten dürfen. Impfungen durch mobile Impfteams waren vom Kreis Unna bis zum Sommer separat ausgewiesen, dann aber in die Statistik des Impfzentrums überführt worden. Nach dessen vorübergehender Schließung zum 30. September 2021 endete auch die Zahlenübertragung von dort – zunächst völlig korrekt.

Wenn niedergelassene Ärzte wie der Unnaer Internist Dr. Peter Maß Impfungen gegen das Coronavirus verabreichen, melden sie dies an die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe. Die KVWL ist inzwischen die einzige verlässliche Zahlenquelle, wenn es um den Erfolg der Impfkampagne auf Kreisebene geht. © Sebastian Smulka
Viele Impfungen gehen an der regionalen Statistik vorbei
Heute aber gibt es neben den niedergelassenen Ärzten gleich mehrere Alternativsysteme, die keine regionalen Zahlen auswerten. Impfstellen und Impfbusse, einige Zahnärzte und Betriebsärzte leisten einen Beitrag zur Impfkampagne, der kaum zu messen ist. Während Privatpatienten in der Praxis eines Kassenarztes Eingang finden in die Statistik der KVWL, melden reine Privatpraxen nicht für diesen Datensatz.
Zudem gibt es Unschärfen. Manch eine Impfaktion am Arbeitsplatz etwa ist gar kein betriebsärztliches Angebot, sondern das Gastspiel eines niedergelassenen Mediziners, dessen Ergebnis dann doch in die KVWL-Zahlen Eingang findet.
Und es gibt zudem auch Pendlerströme: Wer für den Arztbesuch die Kreisgrenze überquert, findet sich nicht in den Zahlen des Wohnortes, sondern in denen des Impfortes wieder. Hier bleibt im Sinne der statistischen Genauigkeit nur zu hoffen, dass sich Ein- und Auspendlerbewegungen ausgleichen.

Sogar das Möbelhaus Zurbrüggen dient inzwischen als Anlaufstelle für Impfwillige. Die Vielzahl der Systeme dient dem Erfolg der Impfkampagne mit Sicherheit, wird von der Statistik aber nur eingeschränkt abgebildet. © Udo Hennes
RKI hat höhere Zahlen, kann sie aber nur grob verorten
Belastbar werden die Zahlen schließlich wieder dort, wo sie zusammenlaufen, nämlich beim Robert-Koch-Institut. Die Bundeseinrichtung erhält, wenn auch mit Zeitverzug, sämtliche Impfmeldungen. Allerdings kann sie diese nur grob verorten, weil die niedergelassenen Ärzte keinen Wohnort des Impflings an das RKI übermitteln. Die NRW-Quote von 78,2 Prozent für Erst-Impfungen sowie 74,4 für Zweit- und 42,7 für Booster-Impfungen entstehen dadurch, das zumindest die Meldestellen verortet werden können. Tatsächlich mag es aber auch dort Ungenauigkeiten durch Impfpendler über die Landesgrenzen geben.
Das RKI spricht offen von „einer gewissen Untererfassung“. Für den Kreis Unna lässt sich nur vermuten, dass sie stärker ausgeprägt ist als etwa in Dortmund, wo auch das lokale Gesundheitsamt noch eigene Zahlen veröffentlicht. Im Kreis Unna ist die laufende Pflege der öffentlich verfügbaren Impfstatistiken stark zurückgefahren worden.
Geimpft werde aber durchaus, wie Kreissprecher Volker Meier auf Nachfrage bestätigt. Hausintern gebe es Statistiken. In der letzten Kalenderwoche des alten Jahres etwa seien in den Impfstellen des Kreises 1175 Erst-, 278 Zweit- und 1755 Auffrischungsimpfungen verabreicht worden. In der regionalen Zahlensammlung treten aber auch diese Impfungen gar nicht auf.
Verwurzelt und gewachsen in der Hellwegbörde. Ab 1976 Kindheit am Hellweg in Rünthe. Seit 2003 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Hat in Unna schon Kasernen bewacht und grüne Lastwagen gelenkt. Aktuell beäugt er das politische Geschehen dort und fährt lieber Fahrrad, natürlich auch auf dem Hellweg.
