Versuchter Mord: Selmer (53) schildert Benzin-Attacke „Du willst nicht sehen, wie Papa brennt“

Mordanschlags-Opfer berichtet: „Ich wollte nur mein Kind beschützen“
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Der Mann, der Markus Jankowiak in seinem eigenen Haus angriff, hatte das Feuerzeug schon in der Hand. Zuvor hatte er Jankowiak und auch den Eingangsbereich im Inneren des Hauses mit Benzin übergossen. „Krieg ich jetzt mein Geld oder krieg ich mein Geld nicht“, soll er zu dem Unternehmer gesagt haben. So erinnert sich der 53-Jährige an den Abend.

Wir besuchen Markus Jankowiak genau eine Woche nach dem mutmaßlichen Anschlag. „Mir geht es den Umständen entsprechend gut“, sagt er zur Begrüßung. Um dann die Ereignisse des Abends, wie er sie erlebt hat, chronologisch und fast druckreif mit ruhiger Stimme zu schildern.

„Ich sagte: ,Du kriegst kein Geld, wende dich an das Steuerbüro, es ist nichts offen.‘ Dann sagte er, er würde es bei 2000 Euro belassen, dann würde er mich in Ruhe lassen. Da hab ich ihm nur gesagt, er soll verschwinden. Und er: ‚Willst du brennen?‘“

Mit dabei und zwischendrin: die 13-jährige Tochter. Jankowiak habe versucht sie zu schützen, sie mit seinem Körper bedeckt, sodass nur er das Benzin abbekommt. Habe das Mädchen ins Innere des Hauses geschoben, bevor er auf den Angreifer zu gerannt sei und ihn durch die Haustüre ins Freie gestoßen habe. Doch der habe sich wieder aufgerappelt. „Dann sagte er zu meiner Kleinen: ‚Nimm den Hund und geh nach oben. Du willst nicht sehen, wie Papa brennt.‘ Und dann hat er nach dem Feuerzeug gegriffen“, erzählt Jankowiak weiter. „Und in dem Moment hab ich den Holzknüppel, der an der Seite neben der Türe liegt, gegriffen. Instinktiv, ich weiß nicht warum. Einfach nur genommen, vielleicht aus Selbstschutz, und hab einfach nur draufgekloppt, auf die Hand. Da ist das Feuerzeug weggeflogen. Ich hab den Knüppel weggeworfen und bin einfach nur auf ihn drauf gerannt. Da hat der so einen Wumms gekriegt, dass er im Vorgarten gelandet ist. Hab die Tür zugezogen, hab meine Tochter genommen und wir sind sofort nach hinten gerannt.“

Die 13-Jährige habe dann die Polizei gerufen. „Sie war sehr hysterisch. Ich hab ihr nur gesagt, sie solle sich beruhigen. Und dann hat sie noch geschafft, die Polizei zu rufen. Ich konnte gar nicht. Ich war nur an der Scheibe am gucken: Was ist hier passiert. Das ging alles so schnell und dann kamen schon die Nachbarn und dann bin ich hier in mir zusammengeklappt.“

Der mutmaßliche Angreifer flieht zunächst auf dem Fahrrad, wird aber wenig später von der herbeigerufenen Polizei an der Wohnung seiner Freundin aufgegriffen. So schildert auch die Staatsanwaltschaft die weitere Entwicklung. Aktuell sitzt der Tatverdächtige wegen des Verdachts des versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Wir berichteten.

Keine finanziellen Versäumnisse

Markus Jankowiak schildert seine Erinnerungen an jenen Abend relativ bedacht. Erst als er die Fußmatte zeigt, die in Benzin getränkt gewesen sei und die er inzwischen vergeblich versucht hat auszuwaschen, zeigt, wo er mit seiner Tochter beim Filmschauen auf dem Sofa gesessen habe, als sein ehemaliger Mitarbeiter an einem Dienstagabend um kurz vor 22 Uhr an der Haustür geklingelt habe, erst da wird er emotional. Er weint, zwischendurch ist er wütend, fast aggressiv, dann wieder ein Nervenbündel. „Ich schlafe nicht, ich esse kaum, ich bin schreckhaft“, erklärt er. Er zeigt den Knüppel, der ihm vielleicht das Leben gerettet hat, und der jetzt wieder, ganz unscheinbar, neben der Haustür liegt. Zeigt wohin der mutmaßliche Angreifer gefallen sei und wo sein Fahrrad lag. Bei all dem steht - immer wieder - die 13-jährige Tochter im Mittelpunkt, die den Angriff ebenfalls habe miterleben müssen und die er natürlich unbedingt schützen möchte.

Wichtig ist Markus Jankowiak aber auch, deutlich zu machen, dass es seinerseits keine finanziellen Versäumnisse gegeben habe.
Jankowiak betreibt ein Dachdecker-Unternehmen. Der 41-jährige Mann, der ihn angegriffen haben soll, ist ein ehemaliger Mitarbeiter, den er über einige Jahre während der Sommermonate angestellt habe. Zu Ende 2022 sei er gekündigt worden. Der ehemalige Mitarbeiter wiederum habe ihm vorgeworfen, ihm einen Teil des Lohnes zu schulden. Es gäbe aber ein Lohn- und Steuerbüro (Name ist der Redaktion bekannt), das dem ehemaligen Mitarbeiter bereits mitgeteilt habe, dass da nichts offen ist. Einen Brief, der das bestätigt, zeigt Jankowiak vor. „Er suchte ja wahrscheinlich einen Grund“, sagt er. „Er hat aber alles ausgezahlt bekommen. Es ist ja so, dass wenn einer ausscheidet aus der Firma, dass es eine Schlussabrechnung gibt. Und wir haben, das kann ich wirklich so sagen, eine ganz reine Abrechnung gemacht.“

Der 41-Jährige habe aber die Information bekommen, dass ihm zusätzliches Geld zustehe. Zweimal habe er schon abends am Zaun gestanden, nach seinem Geld gefragt und seinem ehemaligen Chef gedroht.

„Ich habe genug Leid erfahren“

So ist Markus Jankowiaks Version der Geschichte. Er möchte sich dagegen wehren, dass der Eindruck entstanden sein könnte, er habe seinen Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß bezahlt. „Ich habe genug Leid erfahren“, sagt er. „Fakt ist, dass nicht stimmt, dass er noch Geld zu bekommen hat. Und auch nicht, dass er mich vorher angeschrieben hat, um mir mitzuteilen, dass er zum Anwalt gehen möchte.“ Jankowiak zeigt den Brief, abgestempelt am 13. Juni, dem Tag, an dem er abends mit Benzin übergossen wurde. Der Brief habe ihn erst am Tag darauf erreicht.

Er versteht nicht den Sinn hinter dem Ganzen. Zumal er keinen Grund, keine Rechtfertigung für die Tat finden könne. Versteht auch nicht, warum im Raum steht, ob der Verdächtigte vorsätzlich gehandelt habe oder nicht. Oder warum es wichtig ist, ob der Angreifer ein mehr oder weniger schnell brennbares Benzin verwendet hat.

„Das Schlimmste, was er gemacht hat, ist mein Kind anzugreifen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was da hätte passieren können. Das hier hätte alles weg sein können. Mein Kind ist aber das Wichtigste. Alles andere ist egal “, sagt er, bevor ihm die Stimme bricht und er mit Tränen kämpft. „Ich wollte nur mein Kind beschützen. Das hat mich mich wehren lassen.“

In den Eingangsbereich und über Jankowiak selbst goss der Angreifer das Benzin.
In den Eingangsbereich und über Jankowiak selbst goss der Angreifer das Benzin. © Kristina Gerstenmaier

41-Jähriger wollte Ex-Chef anzünden: Versuchter Mord mit Benzin in Selm