Selmer Kassiererin vermisst Solidarität und Wertschätzung in der Krise

© Lydia Heuser

Selmer Kassiererin vermisst Solidarität und Wertschätzung in der Krise

rnCorona-Helden

Solidarität und Wertschätzung waren einmal - vor einem Jahr. So empfindet das eine Mitarbeiterin eines Selmer Supermarkts. Täglich sei sie großer Gefahr und dem Frust der Kunden ausgesetzt.

Selm

, 24.04.2021, 14:52 Uhr / Lesedauer: 2 min

Abends, wenn Barbara Möller nach Hause kommt, ist sie „fix und fertig“. Und das nicht nur, weil ihre Arbeit in einem Selmer Supermarkt anstrengend ist. „Wir bemühen uns immer freundlich zu sein, das habe ich ja auch so gelernt, aber ich habe das Gefühl, dass es Menschen gibt, die es darauf anlegen, ihren Frust bei uns abzulassen“, sagt die 60-Jährige, die bei Edeka Humpert arbeitet.

Sie erzählt von Menschen, die sich weigern, Einkaufswagen zu nehmen oder sich weigern ihr Masken-Befreiungsdokument vorzuzeigen. Dass sie ständig darauf hinweisen muss, sei anstrengend. Diese Menschen, die auf Konfrontation aus sind, die machen sie „depressiv und mürbe.“

„Ich habe keinen Ton mehr gesagt“

In einem Fall wurde ein Mann, der sein Befreiungsdokument nicht vorzeigen wollte, unverschämt und laut, machte ein „riesiges Theater“. Ein anderes Mal wies Barbara Möller ein Ehepaar darauf hin, dass es zwei Einkaufswagen bräuchte. Der Mann reagierte patzig und ausfallend. Seit 40 Jahren sei er mit seiner Frau verheiratet, er müsse keinen Abstand von ihr halten. An der Kasse dann habe er Möller abschätzig gemustert, demonstrativ seine drei Artikel in den Wagen seiner Frau gelegt und sich dicht neben sie gestellt. „Ich habe keinen Ton mehr gesagt“, erinnert sich Möller.

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„Ich habe gar keine Lust mehr, mich provozieren zu lassen. Viele Leute verstehen einfach nicht, dass sie die Wagen nehmen sollen, um Abstand von anderen zu halten. Dass es zu ihrem Schutz ist.“ Nur die Jugendlichen hätten es drauf. Die nähmen jeder einen Einkaufswagen für den einen Kaugummi, den sie kaufen wollen.

Frust lade sich im Moment in den Supermärkten ab

Während die Menschen sich zu Beginn der Pandemie noch solidarisch zeigten und auch Kassiererinnen beklatschten, habe sich das inzwischen komplett geändert. Barbara Möller hat das Gefühl, dass der ganze Frust, den die Menschen im Alltag aufgebaut haben - Arbeit und Kinder zu Hause, finanzielle Nöte oder mangelnder Ausgleich - sich in den Supermärkten ablädt. Weil hier einer der wenigen Orte ist, wo das aktuell geht. Sie wünscht sich auch jetzt noch Anerkennung und Wertschätzung. „Ich finde, man kann doch nur miteinander. Es ist schwer, wenn man in dieser schweren Zeit so respektlos miteinander umgeht, statt sich gegenseitig zu unterstützen.“

Außerdem möchte sie, dass das Thema Einzelhandel und die Gefahr, der die Mitarbeiter täglich ausgesetzt sind, noch einmal mehr in den Fokus gerückt wird. „Vielleicht war Jens Spahn noch nie im Supermarkt einkaufen und hat deswegen eine ganz falsche Einschätzung von der Lage“, vermutet sie. Sie wünscht sich - eben weil viele Kunden die Abstände nicht achten - so bald wie irgend möglich geimpft zu werden.