Selmer Feuerwehrchef nach der Gewalt in Berlin „Angst vor Einsätzen nein, Respekt ja“

Feuerwehrchef zu Gewalt in Berlin : „Angst vor Einsätzen nein, Respekt ja“
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Die Bilanz der Silvesternacht 2022/2023 in großen Städten wie Berlin, Essen, Hamburg und Stuttgart: brennende Barrikaden, Würfe mit Steinen und Feuerlöschern auf Einsatzfahrzeuge, Plünderungen aus Geräteräumen, gezielter Beschuss von Einsatzkräften mit Raketen, Böllern und Schreckschusspistolen. „Die Befürchtungen haben sich bestätigt: Rund um den Jahreswechsel gab es erneut zahlreiche Übergriffe auf die Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei. Das ist absolut nicht hinnehmbar.“ So äußert sich Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), im Feuerwehrmagazin.

Zugegeben: In Selm war es da im Vergleich, was das betrifft, ruhig. Einsätze der Feuerwehr Selm gab es aber. Feuerwehrleute kriegen die Ereignisse in Berlin und Co mit. Haben sie Angst, wenn es zu den Einsätzen geht? Thomas Isermann, Stadtbrandinspektor und somit Chef der Freiwilligen Feuerwehr Selm, hat da eine ganz klare Antwort: „Nein.“

Hemmschwelle wird geringer

Angst vor Angriffen sei nicht im Spiel, wenn es zu den Einsätzen gehe. „Respekt“, das sei die Emotion der Feuerwehrleute, die vor jedem Einsatz vorherrsche.

Angriffe wie zum Beispiel in Berlin haben die Selmer Feuerwehrleute nach Auskunft des Stadtbrandinspektors bisher nicht erlebt. Das habe seine Abfrage unter den Feuerwehrleuten ergeben, berichtet Thomas Isermann. „Was schon mal vorgekommen ist: dass Einsatzkräften, die im Privat-PKW zum Gerätehaus gefahren sind, also als Feuerwehrleute nicht zu erkennen gewesen sind, Böller vors Auto geworfen wurden.“

Allerdings: „Die Hemmschwelle wird geringer.“ Das haben Selmer Feuerwehrleute laut Isermann bei Einsätzen in jüngerer Vergangenheit erlebt. Etwa, wenn die Feuerwehr wegen einer Ölspur eine Straße sperren musste. Da seien Feuerwehrleute verbal angegangen worden. „Das sind zwar Einzelfälle, aber es kommt vor.“ Und auch, dass ein PKW-Fahrer bei einer Straßensperrung sehr nah an einen Feuerwehrmann herangefahren sei, sei passiert.

So soll es sein: Die Selmer Feuerwehr - hier beim Brand des Eiscafés San Remo - kann ihre Arbeit ungestört machen.
So soll es sein: Die Selmer Feuerwehr - hier beim Brand des Eiscafés San Remo - kann ihre Arbeit ungestört machen. © Günther Goldstein (Archiv)

Sensibilisiert

Nun könnten Vorfälle - sei es verbale Gewalt oder auch das Heranfahren an einen Feuerwehrmann oder aber durch Gaffer, die das Geschehen womöglich noch mit dem Handy filmen - ja auch Auswirkungen auf das Einsatzgeschehen selber haben. Etwa, dass dadurch Feuerwehrleute daran gehindert werden, zum Einsatzort zu kommen und ihre Arbeit zu machen. Ist so etwas schon vorgekommen? „Direkt daran gehindert worden sind wir bisher nicht“, sagt Isermann. „Es kommt schon mal zu Beeinträchtigungen, wenn Passanten im Weg stehen. Aber meistens gehen sie sofort zur Seite, wenn wir sie auffordern.“

In dem Zusammenhang berichtet der Stadtbrandinspektor von einer erfreulichen Entwicklung: „Vielleicht sind die Menschen ja sensibilisiert worden, keine Videoaufnahmen zu machen. In sozialen Medien hat man früher häufiger Fotos von Feuerwehreinsätzen gesehen. Das ist meiner Meinung nach deutlich zurück gegangen.“ Eines sei aber wichtig zu sagen: „Der Großteil unserer Bürgerinnen und Bürger hat Verständnis für die Arbeit der Feuerwehr.“

Auch wenn Selm nicht mit Berlin und Co vergleichbar ist - haben Ereignisse wie die Angriffe in der Silvesternacht Auswirkung darauf, Nachwuchs für die Selmer Feuerwehr zu gewinnen? „Solche Ereignisse wie Gewalt gegen Einsatzkräfte stehen 14 Tage in den Schlagzeilen, dann nicht mehr“, erklärt der Selmer Feuerwehrchef. Es seien keine Hürden bei den jungen Leuten, nicht mehr zur Feuerwehr zu gehen. Vielleicht machen sich die Angehörigen sogar mehr Sorgen als die Feuerwehrleute selber, mutmaßt Isermann.