19. März 2021:
Der Fall Prott dringt zum ersten Mal an die Öffentlichkeit. Zumindest indirekt: Der Kreis Unna gibt in einer Pressemitteilung bekannt, dass ein „kleinerer Schlachthof“ im Kreis - ein genauer Ort wird nicht genannt - am 18. März (Donnerstag) vorsorglich geschlossen worden sei. Weil der „begründete Verdacht des illegalen Schächtens von Rindern und Schafen“ bestehe, sei der Betrieb geschlossen worden.
Ein Sprecher des Kreises bestätigt auf Anfrage der Redaktion, dass sich der Schlachthof in Selm befindet - dass es sich um das Schlacht- und Fleischzentrum Prott handelt, sagt er zunächst nicht. Schon kurz Zeit später gibt es daran aber keinen Zweifel mehr.
Die Tierschutzorganisation Soko Tierschutz hatte dem Kreis mit versteckten Kameras aufgenommenes Videomaterial zukommen lassen und Strafanzeige gestellt.
23. März 2021:
In einem Beitrag des ARD-Magazins FAKT sind zum ersten Mal Teile der Video-Aufnahmen zu sehen. Auch dieser Redaktion liegen sie in Auszügen vor. Sie zeigen, wie Tiere ohne Betäubung geschächtet werden und ausbluten. Schächten ist der Fachausdruck für diese Art des Schlachtens, die ohne Sondergenehmigung in Deutschland illegal ist. Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz kommentiert gegenüber der Redaktion: „Ich mache das seit 27 Jahren, sowas Erschütterndes habe ich noch nicht gesehen. Als ich diese Aufnahmen gesehen habe, dachte ich, das kann nicht wahr sein. Im Libanon vielleicht, aber nicht in Nordrhein-Westfalen.“
Seiner Aussage nach seien in den dreieinhalb Wochen, die das Videomaterial dokumentiert, rund 190 Tiere geschlachtet worden. Davon seien alle Schafe und 99 Prozent der Rinder ohne Betäubung geschächtet worden.
Zum Hintergrund: Das Mittel der Wahl, um ausgewachsene Rinder zu töten, ist ein Bolzenschuss. Ein sieben bis elf Zentimeter langer Bolzen wird dabei in den Schädel des Tieres geschossen. Es dauert zwei Millisekunden - das Tier ist sofort bewusstlos. So beschreibt es das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BGVV). Auf dem Videomaterial der Tierschützer aus Selm sieht man zwar auch, wie solche Bolzenschüsse getätigt werden - allerdings erst nach dem Schlachtprozess.
Kritik gibt es von den Tierschützern von Anfang an am Kreis Unna - das Veterinäramt der Behörde ist für Kontrollen auf Schlachthöfen zuständig. Kreis-Sprecher Volker Meier räumt gegenüber der Redaktion ein, dass es schon mal den Verdacht auf Schächtungen in dem Selmer Schlachthof gegeben habe. „Bereits Anfang der 2000er haben wir festgestellt, dass Bolzenschüsse erst nach dem Tod von Tieren gesetzt worden waren.“ Der Kreis habe das zur Anzeige gebracht, es sei aber nicht zu einer Anklage gekommen, erklärt er weiter.
Nach der Anzeige gegen den Inhaber des Unternehmens und gegen Mitarbeiter nimmt die Staatsanwaltschaft Dortmund die Arbeit in dem Fall auf: Erst einmal muss das Videomaterial ausgewertet werden. Dabei wird geprüft, ob Ermittlungen aufgenommen werden.
24. März 2021:
Vor dem Schlachtbetrieb an der Schachtstraße stellen Unbekannte ein Plakat und kleine Schafsfiguren auf, es erinnert an einen Begräbnisort. „184 illegale Schächtungen in drei Wochen“ ist darauf zu lesen.
April 2021:
Die Tierschützer werfen dem Kreis „krachendes Versagen“ vor. Es sei nicht ordnungsgemäß kontrolliert worden. Der Kreis widerspricht dem. Soko Tierschutz erstattet Anzeige gegen unbekannte Mitarbeiter des Kreises Unna.

Juli 2021:
Ein weiterer Schlacht-Skandal wird bekannt: Er betrifft dieses Mal den Schlachtbetrieb Mecke aus Werne. Die Organisation Soko Tierschutz hatte Videoaufnahmen vorgelegt, die unter anderem zeigen, wie Kühe, Pferde und Schweine brutal von Mitarbeitern der Viehsammelstelle geschlagen werden.
April 2022:
Etwas über ein Jahr dauert es, bis die Staatsanwaltschaft die Videos und alles weitere ausgewertet hat. Auf Nachfrage der Redaktion erklärt sie im April 2022, dass Anklage gegen vier Menschen erhoben wurde. Ihnen wird der gemeinschaftliche Verstoß gegen das Tierschutzgesetz in jeweils unterschiedlichem Maß vorgeworfen.
Im Zeitraum vom 24. Februar bis zum 18. März sollen bei Prott, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, 45 Rinder und 143 Schafe „unter massiver Verletzung des Tierschutzgesetzes“ geschächtet worden sein, erklärt die Staatsanwaltschaft. Hubert Prott, so die Begründung der Anklageerhebung, soll verantwortlich gewesen sein für den Ankauf der Tiere, für die Organisation des Schlachtens (beziehungsweise Schächtens) und für den Verkauf des so produzierten Fleisches. Ein weiterer Angeklagter soll verantwortlich gewesen sein für die Schlachtvorgänge an sich - an denen wiederum die zwei weiteren Angeklagten teilweise beteiligt waren. Drei der Angeklagten wurden dabei als Mitarbeiter des Betriebs Prott bezahlt - Hubert Prott selbst soll vor allem den Umsatzgewinn im Blick gehabt haben. Tierschutzrechtliche Bedingungen sollen außer Acht gelassen worden sein, um das Fleisch als „halal“ geschlachtet zum Verkauf anbieten zu können.
August 2022:
Das Amtsgericht in Lünen gibt bekannt, dass der Fall Prott fortan das Landgericht in Dortmund beschäftigen wird. Die Strafkammer des Landgerichts sei zuständig, „weil die Strafgewalt des Amtsgerichts, die eine Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren vorsieht, nicht ausreichend sein dürfte“, heißt es in einer Pressemitteilung des Amtsgerichts. Es scheint zu diesem Zeitpunkt also so, als wäre eine höhere Strafe für die Angeklagte wahrscheinlich.
Januar 2023:
Nach der Prüfung durch das Landgericht landet der Fall aber dann doch wieder in Lünen beim Amtsgericht. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass die Strafgewalt des Amtsgerichts doch ausreichend sein müsste - so die Begründung. Erstmals gibt das Gericht auf Anfrage dann die Verhandlungstermine im September 2023
bekannt.
1. September 2023:
Der Prozess beginnt. Allerdings erscheinen nur drei der vier Angeklagten. Hubert Prott ist verhandlungsunfähig, wie der Richter erklärt. Und das voraussichtlich dauerhaft. Die Anklage gegen ihn wird abgetrennt von der gegen die anderen drei verhandelt.
Bei den ehemaligen Prott-Mitarbeitern handelt es sich um einen Vater und seine zwei Söhne. Der Vater war fest angestellt in dem Selmer Schlachthof, seine Söhne arbeiteten dort als Aushilfen. Der Vater gesteht, Tiere geschächtet zu haben, die Söhne geben zu, ihm etwa beim Festhalten der Tiere geholfen zu haben. Die Verantwortung habe aber bei dem „Chef“ gelegen, der bei dem Prozess fehlt.
Mitarbeiterinnen des Lanuv sagen außerdem als Zeuginnen aus - die Tierärztinnen haben das Videomaterial gesichtet. Sie beschreiben schlimme Szenen und brutale Tierquälerei. Es gibt zwei weitere Verhandlungstermine.
15. September 2023:
Das Urteil wird gesprochen. Der Hauptangeklagte wird zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt, die zwei weiteren Angeklagten jeweils zu zwei Jahren, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden. Von der Inhaberin des Schlachthofs Prott wird außerdem eine Summe von 40.000 Euro abgezogen.
Die Verteidigung der drei Angeklagte reicht allerdings Berufung gegen das Urteil ein, es wird also nicht rechtskräftig. Stattdessen wird der Prozess vor der höheren Instanz (dem Landgericht in Dortmund) noch einmal aufgerollt.
12. Dezember 2024:
Der Prozess am Landgericht Dortmund beginnt - um 10 Uhr im Saal 201. Zeugen sind nicht geladen, es geht erst einmal nur darum, die weitere Vorgehensweise im Verfahren zu besprechen. In Bezug auf den Hauptbeschuldigten ist bereits klar, dass nur die Höhe der Strafe neu verhandelt wird. Die Berufung bei den anderen beiden Angeklagten ist unbeschränkt - es muss also noch geklärt werden, ob es eine erneute Beweisaufnahme geben muss.
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