Pastorale Räume im Bistum Münster Landrat Mario Löhr über Selmer Sonderweg: „Bin enttäuscht“

Mario Löhr über Selms Sonderweg bei pastoralen Räumen: „Bin enttäuscht“
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Mario Löhr macht keinen Hehl daraus, dass er enttäuscht ist. Immer schon, sagt er, habe er sich für stärkeren Zusammenhalt eingesetzt. In seiner Zeit als Bürgermeister von Selm (2009-2020) für ein stärkeres Zusammenrücken der drei Ortsteile Selm, Bork und Cappenberg und jetzt als Landrat des Kreises Unna für ein Wir-Gefühl der zehn kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Dass die katholische Kirche mit ihrem Zuschnitt der pastoralen Räume nun einen anderen Weg einschlagen wolle, „finde ich schade und zu kurz gedacht“. Da ist er nicht alleine.

Womit sich bislang nur innerkirchliche Gremien beschäftigt haben, wird zunehmend zum gesellschaftlichen Thema - vor allem in Selm und Cappenberg. Felix Genn, Bischof des Bistums Münster, hatte erklärt, dass es zwar keine weiteren Zusammenlegungen der 208 Pfarreien zwischen Friesland und dem Niederrhein geben wird. Die Gemeinden sollten sich aber 2024 zu 50 pastoralen Räumen zusammenschließen. Dazu sollen Ende April diesen Jahres die Entscheidungen fallen: eine Notwendigkeit, um die Kirche trotz anhaltender Austrittswelle und Priestermangel zukunftsfähig zu gestalten, wie es in einer Handreichung des Bistums heißt. Der Strukturprozess sei „alternativlos“ und verlange den Gläubigen „Veränderung sowie Abschied“ ab.

Gottesdienstbesucher gegen Null

Gemeint ist wohl der Abschied von liebgewonnenen Strukturen und Angeboten, die aus einer Zeit stammen, als sich die Mehrheit der Menschen noch einer Kirche zurechnete. Damit ist inzwischen gründlich Schluss. Zwischen dem Jahr 2000 und 2030 wird die Zahl der Katholiken nach einer Prognose des Generalvikariats um etwa ein Viertel zurückgehen, Tendenz weiter fallend. Noch dramatischer ist der Rückgang der tatsächlichen Gottesdienstbesucherinnen und -besucher. 344.000 Menschen feierten 2000 die Messe im Bistum, 2020 waren es nur noch 89.000 - nicht einmal jedes 20. Kirchenmitglied. „Würde man den Rückgang aus den vergangenen Jahren linear fortschreiben, gäbe es in schon in wenigen

Jahren überhaupt keine Gottesdienstmitfeiernden mehr“, stellt das Bistum selbst fest.

Der Abschied, der gerade in Selm die Gemüter erhitzt, ist aber nicht der von dem bequem Status der Volkskirche, sondern von kommunalen Einheiten. Statt mit St. Marien Lünen, St. Christophorus Werne und St. Johannes Evangelist Cappenberg einen pastoralen Raum zu bilden, wie es der Bischof vorgeschlagen hatte, will Pfarrer Claus Themann mit seiner Gemeinde St. Ludgerus Selm lieber enger mit den Nachbarn im Kreis Coesfeld zusammenrücken. Weil gerade bei den Selmer Jugendgruppen die Kontakte in Richtung Münsterland intensiver sind als in Richtung Ruhrgebiet, wie er sagt.

Laut Bistum wird es künftig eine Verwaltungsleitung für jeden pastoralen Raum geben: eine Aufgabe, die auch nicht geweihte Beschäftigte ausüben könnten. Das drastisch rückläufige Seelsorgepersonal soll künftig innerhalb des jeweiligen pastoralen Raums eingesetzt werden: ein größerer Bereich, in dem auch Haupt- und Ehrenamtliche stärker zusammenarbeiten müssten. Für Selm wäre das zusammen mit Olfen, Nordkirchen, Lüdinghausen und Senden. Für Cappenberg mit Werne und Lünen. Deswegen werde man aber trotzdem „offen sein für Begegnung und Austausch“ über die Grenzen der pastoralen Räume hinaus, sagt Claus Themann.

Löhr: „Befremdliches Zeichen“

„Das Zeichen, das man Cappenberg damit gibt, finde ich befremdlich“, sagt Mario Löhr. Kinder und Jugendliche einer Stadt würden ausgerechnet kirchlicherseits auseinander dividiert. Etwas, das Prof. Alfons Rinschede vom Cappenberger Kirchenvorstand ebenfalls bedauert.

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Der Cappenberger Kindergarten sei Kooperationspartner des Familienzentrums Bork. „Unsere Grundschule bildet mit der Borker Schule eine Einheit.“ Viele der Kinder würden anschließend gemeinsam zum Selmer Gymnasium oder zur Sekundarschule gehen. Doch wenn es um die Ausbildung der Kommunionkinder und Firmlinge geht, sollten jetzt andere Wege beschritten werden. „Zuträglich ist das nicht.“ Ob Caritasverband, Familienbildungsstätte oder Krankenhaus: „In all diesen Bereichen sind wir zusammengewachsen mit Selm, Werne und Lünen.

Prof. Dr. Alfons Rinschede vom Cappenberger Kirchenvorstand (vorne, Archivbild) sieht den von Selm gewünschten Zuschnitt der pastoralen Räume kritisch.
Prof. Dr. Alfons Rinschede vom Cappenberger Kirchenvorstand (vorne, Archivbild) sieht den von Selm gewünschten Zuschnitt der pastoralen Räume kritisch. © Foto: Sylvia Lüttich-Gür

Und im Kreis Unna ebenfalls: Politikerinnen und Politiker aus Selm, Werne und Lünen sitzen für die 1975 gebildete Gebietskörperschaft gemeinsam im Kreistag. Die Wahlbezirke orientieren sich an den Kreisgrenzen. Landrat Löhr will den Kreis immer mehr zu einer starken, selbstbewussten Größe zwischen Hamm und Dortmund formen. Der kirchliche Sonderweg sorgt da bei ihm für Kopfschütteln, „zumal das Bistum selbst vorgegeben hatte, dass ein pastoraler Raum in der Regel die Kreis- und Kommunalgrenzen berücksichtigen soll“. Warum es für Selm eine Ausnahme geben solle, sei „schwer zu vermitteln“. Er glaube, „dass die Bürgerschaft, insbesondere die Älteren, da nicht richtig mitgenommen wurde“.

Entscheidung fällt Ende April

Dass sich an den von Selm gewünschten Zuschnitt der pastoralen Räume noch rütteln lasse, glaubt Alfons Rinschede nicht mehr. Dafür sei der Ende 2021 begonnene Diskussionsprozess zu weit fortgeschritten. Er selbst und andere hätten ihn in seiner Tragweite auch erst zu spät erkannt, räumt er ein. Offiziell ist indes noch nichts beschlossen. „Es wird nun noch einmal Gespräche des zuständigen Regionalteams mit den Gremien vor Ort geben, um unmittelbar zu hören, welche Argumente es für die verschiedenen Möglichkeiten gib“, sagt Bistumssprecher Dr. Stephan Kronenburg. Erst dann falle Ende April die Entscheidung.

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