Netto und dm an Kreisstraße in Selm Parkplatz vor der Nase: Kritik des Nachbarn abgewiesen

Neubau für Netto und dm an der Kreisstraße Selm: Abriss rückt näher
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Die Häuserzeile im Herzen Selms ist gut 100 Meter lang. Jedes der acht Häuser zählt mehr als 100 Jahre. Dass ihre Tage gezählt sind, steht seit 2017 fest. Damals hatte die hoch verschuldete Stadt die Gebäude für 4,2 Millionen Euro gekauft: eine Investition in den Städtebau, wie es hieß. Denn angesichts des Ausbaus der Kreisstraße zur attraktiven Flaniermeile passten die Häuser mit ihrem bröckelnden Putz nicht mehr dorthin. Dennoch halten sie sich hartnäckig - wohl auch noch eine ganze Zeit lang.

Auch wenn der Haupt- und Finanzausschuss an diesem Mittwoch (10.5., 17 Uhr im Bürgerhaus) und der Stadtrat (25.5., 17 Uhr, Bürgerhaus) den Empfehlungen des Stadtentwicklungsausschusses folgen und den Bebauungsplan „Zentrum Kreisstraße Süd-West“ beschließen, wird immer noch nicht der ursprünglich schon vor eineinhalb Jahren erwartete Abbruchbagger anrollen.

Entgegen der von der Stadtverwaltung geäußerten Erwartung will das Unternehmen Ten Brinke, das einen Erbpachtvertrag mit der Stadt abgeschlossen hat, erst einmal die Baugenehmigung abwarten. Formal sei es so lange auch noch nicht Eigentümer der Häuser, hatte ein Sprecher des niederländischen Immobilien- und Bauunternehmens bereits im Frühjahr 2022 erklärt. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

„Noch Monate oder eher Jahre?“

„Ich kann Ihnen noch nicht sagen, wann der Abbruch erfolgen wird“, bekräftigte Ten-Brinke-Projektleiterin Annika Wilke vor dem Stadtentwicklungsausschuss. Auf die Frage aus der Politik, ob „eher Monate oder Jahre“ verstreichen werden, sagte sie: „Ich hoffe, wir reden von Monaten.“ Das habe die Stadt aber selbst in der Hand. Je eher die Baugenehmigung erteilt werde, desto früher könnten Abbruch und Neubau folgen. Noch fehlt allerdings die Grundlage, dass Ten Brinke den Bauantrag einreichen kann. „Ich denke aber, dass im Laufe des Juni Planungsrecht entsteht“, sagte Selms neuer Baudezernent Thomas Wirth.

Bedenken aus der Nachbarschaft gegen das Bauprojekt stehen wohl nicht mehr im Weg. Der Stadtentwicklungsausschuss folgte mehrheitlich (bei Gegenstimmen der UWG und Enthaltung der Grünen) dem Vorschlag der Verwaltung und setzte sich über die Kritikpunkte hinweg, die Bernd Warnke Ende 2022 auch schon öffentlich geäußert hatte. Er ist Eigentümer des Hauses Ernst-Kraft-Straße 41b, des ersten barrierefreien Mehrfamilienhauses mit 17 Parteien in der Selmer Innenstadt. Es liegt schräg hinter der dem Abbruch geweihten Häuserzeile. Statt auf Hinterhöfe werden er und seine Mieterinnen und Mieter künftig auf einen Parkplatz für rund 100 Autos blicken und die Fahrzeuge hören und riechen.

Die Häuser an der Kreisstraße in Selm stehen seit rund eineinhalb Jahren leer. Noch immer gibt es keinen konkreten Termin, wann sie abgerissen werden sollen.
Die Häuser an der Kreisstraße in Selm stehen seit rund eineinhalb Jahren leer. Noch immer gibt es keinen konkreten Termin, wann sie abgerissen werden sollen. © Marie Rademacher

Anders als Warnke argumentiert, gibt es laut Verwaltung keinen Gebietserhaltungsschutz. „Erhebliche negative Beeinträchtigungen der Bestandsbebauung im Umfeld bestehen insgesamt nicht“, heißt es im Beschlussvorschlag der Stadt, dem die Politik gefolgt ist. Auch die Sorge des Hauseigentümers vor Lärmbelästigung teilt die Verwaltung nicht. „Dennoch sieht der Investor zur weiteren Reduzierung der Auswirkungen (...) vor, einen Teil der Bewohnerstellplätze in diesem Bereich anzuordnen.“

Ein Bürger hatte sich ebenfalls kritisch geäußert. Der Parkplatz hinter dem neuen dreigeschossigen Gebäuderiegel werde dafür sorgen, dass sich das Gelände im Sommer aufheize. Er empfahl eine Überdachung mit Photovoltaikanlagen, wie es in NRW seit 2022 auf Parkplätzen mit mehr als 35 Plätzen ohnehin vorgeschrieben ist. Die PV-Module strahlten „ebenso wie versiegelte Flächen einen Teil der aufgenommenen Wärmeenergie wieder ab“, hält die Stadt dagegen. Durch Gebäude und Bäume würde der Bereich zudem verschattet. „Stattdessen soll der bestehenden Verpflichtung durch die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Gebäude entsprochen werden.“ Die sollen dann oberhalb der vorgesehenen Dachbegrünung installiert werden.

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