Bei manchem Menschen haben sich die typischen Heuschnupfensymptome schon früh in diesem Jahr gezeigt. Die Augen tränen und jucken. Genauso wie der Gaumen. Ein Niesanfall jagt den nächsten und die Nase läuft und läuft. Es kommt einem so vor, als ob die Heuschnupfensaison viel früher begonnen hat, als man es als Pollenallergiker gewohnt war. Und tatsächlich ist manches anders, sagt ein Allergologe.
Trügt der Eindruck, dass der Pollenflug immer früher beginnt und immer länger dauert? Das haben wir den Olfener Hausarzt und Allergologen Dr. Robert Lange gefragt. „Das ist tatsächlich so“, sagt Lange. Und er kennt auch den Grund dafür: „Aufgrund der Klimaerwärmung ist es so, dass der Pollenflug immer früher einsetzt und immer länger anhält. Eigentlich stimmen die ganzen Blühkalender nicht mehr.“
Pollen aggressiver
Ist diese Nachricht für Allergiker schon nicht erfreulich, hat der Olfener Allergologe noch weitere betrübliche Informationen: „Leider ist die Aggressivität der Pollenbelastung aufgrund des Klimawandels auch höher. Die Belastung und die Nebenwirkungen, die die Leute haben, sind intensiver zu spüren.“
Ende November 2022 sei die Haselblüte, die zu den Frühblühern gehört, bereits gestartet, berichtet Dr. Lange. Grund: der warme Winter. „Und zurzeit erleben wir die Erlen- und Haselblüte schon in einer mittelstarken Belastung. Und die Birke, die normerweise im Mai blüht, dürfte auch schon im April anfangen zu blühen, eventuell auch schon Ende März.“
Was noch hinzukommt: In den vergangenen Jahren sei auch in unserer Region vermehrt die Pflanze Ambrosia - auch als Ragweed bekannt - aufgetreten. Sie sei eine hoch allergene Pflanze und die Hauptursache für allergisches Asthma in den USA. Eingeführt wurde sie bei uns nach einhelliger wissenschaftlicher Meinung durch mit Ambrosia-Samen verunreinigtes Vogelfutter, das von den Vögeln wieder ausgeschieden werde. Die Pflanze breite sich auch in unserer Region aus, sagt Dr. Robert Lange. „Ich gehe davon aus, dass wir hier bei uns in circa zehn Jahren sicherlich auch durch Ambrosia bedingtes Asthma therapieren müssen.“

Keine guten Nachrichten also für Menschen, die an sogenanntem Heuschnupfen leiden. Was rät der Allergologe unter diesen Umständen? „Wer starke Probleme auch mit allergischem Asthma hat, und nicht nur allergische Rhinitis, also Schnupfen, und wer die allergische Bindehautentzündung hat, wenn es also massiv ist, sollte sich austesten lassen, um zu gucken, wie hoch die Belastung ist.“ Dann könne man sehen, ob man es bei der Einnahme von Antihistaminika wie Loratadin oder Cetirizin belässt oder ob man eine Hyposensibilisierung durchführen lassen sollte. Also eine Langzeittherapie gegen Überreaktionen des Immunsystems des Körpers (Allergien).
Wann ist denn eine solche Hyposensibilisierung sinnvoll? Jetzt während des beginnenden beziehungsweise laufenden Pollenfluges? „Wenn man jetzt für Frühblüher mit der Hyposensibilisierung beginnen wollte und wir die Substanzen bestellen müssen, wären wir schon zwei, drei Wochen weiter. In der Regel braucht man dann zwei Monate bis man die maximale individuelle Dosis für die Therapie erreicht. Dann ist man aber schon voll in der Pollenbelastung, bevor man die maximale Dosis erreicht hat. Das ist dann schon zu spät.“
Mit dem Beginn der Hyposensibilisierung, die drei Jahre dauert, sollte man nach Auskunft des Olfener Allergologen bis September warten. „Dann hätte man die Gewähr, dass man die maximale Dosis vor Beginn der Hauptblühperiode erreicht hat.“
Mehr freie Medikamente
Auch in den Apotheken dürften sich die Anfragen von Patienten nach Mitteln gegen Heuschnupfen häufen. „Viele kommen mit den ersten Symptomen zu uns“, bestätigt Volker Brüning, Apotheker mit Apotheken in Selm und Lünen und Sprecher der Apothekerschaft im Nordkreis Unna. „Da geht es dann darum, abzugrenzen, ob es so früh im Jahr noch eine Erkältung oder schon eine Allergie ist.“ Ist es eine Allergie, bekommen die Patienten je nach Symptomen ein antiallergisches Nasenspray, Augentropfen, wenn es nur Augenjucken sei, oder - wenn Hautausschlag im Spiel ist - Tabletten wie die sogenannten Antihistaminika.
Die Apotheken beraten laut Brüning auch, ob ein Arztbesuch sinnvoll sei, wo abgeklärt werden könne, ob nicht eine Hyposensibilisierung angebracht ist. Dass sich die Allergie ausweite, müsse vermieden werden. Atemnot oder auch Herz- und Lungenkrankheiten könnten nämlich die Folge von Allergien sein.
„Mittlerweile werden immer mehr Medikamente freigegeben, damit die Arztpraxen nicht überlastet sind“, sagt Brüning. Es gebe jetzt zum Beispiel auch schon frei verkäuflich leichte Cortison-Sprays. „Man kann schon einiges machen.“ Überhaupt habe sich bei den Medikamenten einiges getan, erklärt der Apotheker. Die Antihistaminika gebe es schon in der dritten bis vierten Generation. „Die Nebenwirkungen sind mittlerweile reduziert worden.“
Wie behält man in der Apotheke bei so vielen Medikamenten und Neuerungen eigentlich so den Überblick, dass man die Patienten kompetent beraten kann? Was die Wirkweisen und die Dosierung der Medikamente betrifft, bilden sich die Apotheker und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Auskunft von Volker Brüning ständig fort.
- Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) leiden etwa 15 Prozent der Erwachsenen an Heuschnupfen.
- Zusätzlich zum Heuschnupfen bereitet vielen Pollenallergikern der Genuss bestimmter Obst- und Gemüsesorten Probleme. Lippen, Zunge und Mundschleimhaut kribbeln, röten sich und schwellen an. Die Symptome zeigen sich vor allem bei Menschen, die eine Allergie auf Frühblüher, also auf die Pollen von Birke, Erle und Hasel haben. „Wer unter einer Kreuzallergie leidet, sollte stets einen Blick auf die Zutatenliste von Lebensmitteln werfen. In erhitzter Form sind die meisten Produkte aber gut verträglich“, erklärt AOK-Serviceregionsleiter Jörg Kock.
- Nach Informationen des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) kann das Tragen von Mund-Nasenschutzmasken während der Pollenzeit einen guten zusätzlichen Schutz bieten, um den Pollenkontakt zu minimieren.
- Apotheker Volker Brüning hat weitere praktische Tipps: Nicht in den frühen Morgenstunden lüften, sondern tagsüber oder nachts. Straßenkleidung nicht mit ins Schlafzimmer nehmen. Vor dem Zubettgehen Haare waschen oder sogar duschen, damit man die Pollen loswird.
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