2020 war für Thomas Orlowski und Jérôme Méli ein besonderes Jahr. Die beiden Männer haben ihre Position als Bürgermeister eingenommen und das 450 Kilometer voneinander entfernt in zwei unterschiedlichen Ländern. Der eine wirkt seitdem in Selm, der andere im französischen Walincourt-Selvigny. Zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt treffen sie aufeinander und blicken dabei nicht nur auf ihre bisherige Zeit als Bürgermeister zurück, sondern vor allem auf die vergangenen 30 Jahre. Denn sie verbindet mehr als nur der gleiche Posten.
Es ist die interkulturelle Freundschaft, die seit drei Jahrzehnten zwischen Selm und Walincourt-Selvigny besteht. 1992 wurde diese Städtepartnerschaft mit einem entsprechenden Vertrag besiegelt. Seitdem haben sich viele Dinge verändert. Der Euro ist eingeführt worden, Staatsoberhaupte haben gewechselt und eine Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung wurde gebildet. Und auch die Verbindung zwischen den beiden Partnerstädten hat sich weiterentwickelt.
Große symbolische Bedeutung
Mit zwei Unterschriften, die keine gesetzliche Verpflichtung mit sich bringen, aber großen symbolischen Charakter innehaben, verstärkten Méli und Orlowski nun die Verbindung bei einem dreitägigen Aufenthalt in der nordfranzösischen Stadt. Auf einer blauen Tafel mit der deutschen und französischen Flagge steht geschrieben, dass beide Orte gewillt sind, den „Geist der Solidarität unter den Mitbürgern lebendig zu halten, um dadurch einen Beitrag für die deutsch-französische Verbundenheit und die europäische Freundschaft zu leisten“.

Zwei Personen, die bereits auf die lange Freundschaft zwischen Selm und Walincourt-Selvigny blicken, sind Margret Göhler und Daniel Fièvet. Beide waren damals dabei, als die Städtepartnerschaft Ende der 90er-Jahre besiegelt wurde. Göhler gehört zu den Gründungsmitgliedern des Selmer Partnerschaftsvereins und Fièvet war damals Bürgermeister in der nordfranzösischen Stadt. Dementsprechend emotional ist für sie das Wiedersehen und der Rückblick auf die vergangenen 30 Jahre.
Auch für Jérôme Méli, der erst seit zwei Jahren intensiv bei der Städtepartnerschaft mitwirkt, ist das Jubiläum etwas Besonderes. „Es ist ein großer Geburtstag, den wir dieses Jahr zelebrieren. Daher ist es wichtig, ihn gebührend zu feiern.“ Auf der einen Seite habe man die Bedeutung des Jahrestages herausstellen und auf der anderen Seite den Fokus auf den geselligen Teil für Gespräche untereinander legen wollen. „Nicht zu pompös sollte es werden“, so Méli.
Reise in Polen geplant
Bisher hatte der Bürgermeister von Walincourt-Selvigny noch nicht die Möglichkeit, nach Selm zu reisen, um die deutschen Freundinnen und Freunde zu treffen. Als die große Feier zum 30-jährigen Jubiläum in Deutschland mit allen Partnerstädten von Selm stattfand, wurde nämlich gleichzeitig in Frankreich gewählt. „Da musste ich leider in meiner Kommune bleiben. Aber ich kann es kaum erwarten, Selm zu entdecken.“
Das Aufeinandertreffen von Méli und Orlowski war in Walincourt-Selvigny aber trotz alledem keine Premiere für die beiden Männer. Denn bereits bei einer Reise ins polnische Ikwowa lernten sich die Bürgermeister kennen. Und beschlossen noch vor Ort, sich Ende Oktober in Frankreich zu treffen.

In ihren Reden zum Jahrestag machten beide deutlich, wie wichtig diese Freundschaft und ihr Andauern in der Zukunft ist. „In unserer Zeit, in der das Internet die Beteiligten näher und schneller verbindet, haben Städtepartnerschaften ihren besonderen Wert. Sie sind 'kommunale Außenpolitik' und spielen eine so große Rolle im gesellschaftlichen Leben“, erklärt Thomas Orlowksi.
„Sind Träger einer Botschaft“
Sein französischer Kollege Méli fügt an, dass man auch der Träger einer Botschaft des Vertrauens und der Hoffnung sei, damit die heutigen und zukünftigen Generationen die gegenseitige Freundschaft zwischen den Gemeinden weiterhin besiegeln können.
Und dass es auch nach der langen Zeit einiges voneinander zu lernen gibt. „Wir haben trotz dieses Austauschs eine unterschiedliche Kultur, und es gibt viele Ideen, wie wir voneinander profitieren.“ Als Beispiel nennt er etwa die Handhabung der Abfallwirtschaft. „Es sind diese kleinen Dinge, wo wir uns ständig austauschen können.“
Totenköpfe und Geister statt Mehl: Uralte Mühle wird an Halloween zum Grusel-Schauplatz
Selmer besuchen französische Partnerstadt Walincourt-Selvigny: Emotionale Ankunft
Bundespräsident schlägt Städtepartnerschaften in Ukraine vor: Selm unterstützt anderswo