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Lockdown auch für Straftäter – mit trauriger Ausnahme im Internet
Kriminalstatistik 2021
Das Leben im Kreis Unna ist aus Sicht der Kriminalpolizei sicherer als andernorts. Allerdings hatten die Beamten im Jahr 2021 eine „Kollegin“, die sie gerne verabschieden würden: die Pandemie.
Die Kriminalität im Kreis Unna nimmt seit vielen Jahren ab. Zurzeit scheint das Leben im Zuständigkeitsbereich der Kreispolizeibehörde Unna sogar deutlich sicherer zu sein als früher. Allerdings sind die Zahlen für die neun Kreiskommunen ohne Lünen auch von mehreren Sondereffekten geprägt, die mit der Corona-Pandemie im Zusammenhang stehen.
Rein statistisch scheint das Jahr 2021 dabei sogar für einen Trendbruch zu stehen, gab es doch mit einem Plus von 0,69 Prozent erstmals seit Jahren wieder eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr. 2020 allerdings galt als ein Jahr, in dem besagte Corona-Effekte besonders stark ins Gewicht fallen. Beide Jahre lagen unter den Zahlen vor der Pandemie. Konkret: 2021 nahm die Kreispolizeibehörde Unna 16.724 Kriminalfälle auf, 2021 waren es 16.610, 2019 aber 17.063.
Pandemie und Lockdowns entzogen vielen Delikten den Boden
Und so versahen Kriminaldirektor Christoph Strickmann und Polizeidirektor Torsten Juds viele Zahlen, die als Erfolg erscheinen, auch mit einer Fußnote: Es sei utopisch, anzunehmen, dass die niedrigen Fallzahlen in jenen Bereichen auch nach der Pandemie noch stehen würden, so Strickmann.
Zum einen betreffe dies Delikte, die typischerweise im öffentlichen Raum stattfinden oder mit Veranstaltungen zu tun haben. 103 gestohlene Fahrräder weniger als im Vorjahr, 143 entwendete Kontokarten weniger, ein Rückgang der Schwarzfahrer um 150 Fälle, 113 Sachbeschädigungen an Autos weniger und eine um 152 niedrigere Fallzahl sonstiger Vandalismusfälle wertet die Polizei als Folge der Corona-Beschränkungen. Auch Ladendiebstähle kamen seltener vor; das Minus der Fälle betrug 248. Vor allem Läden, in denen sich der Besucher beim Zutritt ausweisen mussten, erlebten einen Rückgang. Gestohlen wurde eher im Supermarkt.

Kriminaldirektor Christoph Strickmann (r., mit Landrat und Behördenleiter Mario Löhr) blickt auf ein Jahr mit weiterhin niedrigem Kriminalitätsgeschehen zurück. Doch einige Zahlen dürften wieder steigen, sobald die Pandemie besiegt ist und das öffentliche Leben wieder zurückkehrt, machte er klar. © Alexander Heine
Auf einem niedrigen Niveau blieb mit 605 (Vorjahr 604) Fällen die Gewaltkriminalität. Raub und Körperverletzung machen den Großteil der Delikte in dieser Kategorie aus. Aber auch hier galt: Die typische Schlägerei vor der Kneipe fällt aus, wenn die Kneipe geschlossen ist.
Ein anderes Phänomen, das die Kriminalitätsentwicklung in der Pandemie beeinflusst hat, waren „Home Office“ und der Mangel an Ausflugsmöglichkeiten. Wenn Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen, ist die Wohnung bewacht und vor Einbrechern geschützt.
Auch Präventionsarbeit zahlt sich aus
Nur 283 Einbrüche im ganzen Jahr 2021 waren selbst gegenüber dem Vorjahr noch einmal ein Rückgang um 67. Auffällig waren bei den Einbrüchen zwei Dinge: Von den aufgenommenen Einbruchsfällen war jeder zweite im Versuch gescheitert, was Polizeidirektor Torsten Juds auch mit der technischen Aufrüstung von Türen und Fenstern infolge polizeilicher Aufklärungsarbeit erklärt. Ersatzweise und dann mit höherem Erfolg versuchten sich Kriminelle aber an Kellerräumen und Dachböden.

Torsten Juds ist Leitender Polizeidirektor in Unna. Er sieht auch Erfolge bei der Präventionsarbeit der Polizei: So seien viele Einbrecher auch an wehrhaften Türen und Fenstern gescheitert, viele Betrüger an Senioren, die dank öffentlicher Aufklärung über viele Maschen informiert waren. © Kreispolizeibehörde Unna
Nicht alle Delikte waren von der Pandemie geprägt. Eine positive Entwicklung registrierte die Polizei bei den „Straftaten zulasten älterer Menschen“, also den Versuchen, Senioren hinters Licht zu führen. Belegt sind für das vergangene Jahr 862 Fälle, wobei die Polizei ein großes Dunkelfeld annimmt. In 94,3 Prozent blieb es jedoch beim Versuch. Das heißt: Die vermeintlichen Opfer ließen sich nicht austricksen, schilderten ihre Erlebnisse dennoch der Polizei.
70.000 Euro an einen falschen Polizisten übergeben
In den Fällen, in denen Senioren sich zur Herausgabe von Geld oder Wertgegenständen bringen ließen, entstand ein Gesamtschaden von fast 525.000 Euro. Im Vorjahr betrug die Schadenssummer über 954.000 Euro. Am schlimmsten betroffen war 2021 ein Opfer aus Werne, das einem falschen Polizisten 70.000 Euro übergab.
Die deutlichsten Zuwächse an Fällen gab es bei Bedrohungs- und Sexualdelikten. Was die Bedrohungen angeht, erklärt die Polizei ein Plus von 94 Fällen damit, dass der zugrundeliegende Paragraf im Gesetz geändert wurde und nun das Feld der Drohungen, die damit erfasst werden, größer geworden ist.
Kinderporno-Netze reichen bis in den Kreis Unna
Unter den Sexualdelikten fällt ein Plus von 76 Fällen auf, in denen es um Herstellung, Erwerb, Besitz oder Verbreitung von Kinderpornografie ging. Viele dieser Fälle stünden in einem Zusammenhang mit der Aufdeckung großer Netzwerke etwa in Lügde, Münster oder durch die Ermittlungsgruppe „Berg“. Denn die Dateien, die von den Tätern jener Netzwerke erstellt worden sind, fanden ihren Weg auch zu Abnehmern im Kreis Unna. Insgesamt stieg die Zahl der Sexualdelikte im vergangenen Jahr um 62 Prozent auf 386. Allein 180 davon hatten etwas mit der Verbreitung von kinderpornografischen Medien zu tun. Relativ hoch in diesem Bereich ist die Aufklärungsquote mit 83,7 Prozent. Dahinter stehe eine zeitintensive und menschlich belastende Arbeit für die Ermittlerinnen und Ermittler. „Das ist keine Arbeit, die jemand acht Stunden täglich und fünf Tage in der Woche machen kann“, so Polizeidirektor Juds.
Verwurzelt und gewachsen in der Hellwegbörde. Ab 1976 Kindheit am Hellweg in Rünthe. Seit 2003 Redakteur beim Hellweger Anzeiger. Hat in Unna schon Kasernen bewacht und grüne Lastwagen gelenkt. Aktuell beäugt er das politische Geschehen dort und fährt lieber Fahrrad, natürlich auch auf dem Hellweg.
