Kreis Unna: Wie eine Millionen-Schenkung scheiterte
Ehepaar wollte vererben
Ein Ehepaar vererbt rund anderthalb Millionen Euro an den Kreis Unna. Der gründet eine neue Stiftung und so entsteht ein Garten voller Skulpturen am Haus Opherdicke in Holzwickede. So hätte es kommen können. Wären da nicht die Machtspiele von CDU und SPD gewesen. Jetzt hat sich das Ehepaar zurückgezogen. Endgültig.
KREIS UNNA
von Von Kevin Kohues, Björn Althoff und Julia Gaß
, 13.01.2017, 04:08 Uhr / Lesedauer: 3 min
Rund um das Haus Opherdicke soll ein Skulpturenpark entstehen.
Bis zu 25.000 Besucher kommen pro Jahr zum Haus Opherdicke. Aber wie könnte man diese Zahl steigern? Eine Frage, auf die der Kreis Unna schon 2009 eine Antwort hatte: Ein Skulpturengarten könnte her.
Wenige Jahre später kamen die Eheleute aus dem Großraum Berlin ins Spiel. Das Paar hat keine Kinder und schließt nicht aus, dass es eine verwandtschaftliche Verbundenheit zu dem alten Gutshaus in Holzwickede gibt.
Eine Stiftung mit dem Ex-Kultur-Chef an der Spitze
Die Idee: Der Kreis soll eine Stiftung gründen - zur Förderung von Kunst und Kultur. Im Vorstand soll der ehemalige Kultur-Chef des Kreises Unna sitzen: Thomas Hengstenberg, 68 Jahre, seit September 2016 im Ruhestand, aber weiterhin die Vertrauensperson des Ehepaars.
Einer neuen Stiftung mit Hengstenberg würde das Ehepaar ihr Vermögen vererben. Rund anderthalb Millionen Euro.
SPD und CDU hatten plötzlich Bedenken
Doch es folgten die Bedenken der Politiker von CDU und SPD. Unter anderem: Sind die Skulpturen von Raimodo Puccinelli sicher genug in dem Garten - oder kann man sich die "schnell unter den Arm klemmen", wie CDU-Fraktionschef Wilhelm Jaspernaite es formulierte? Ist ein 68-Jähriger wie Hengstenberg überhaupt die richtige Wahl für die Stiftung?
Diese zweite Frage ließen die Politiker auch an das Ehepaar stellen.
Außerdem verschoben CDU und SPD die Gründung der Stiftung: von September auf Dezember 2016, dann weiter ins Jahr 2017.
Ein Ultimatum bis Ende Januar 2017
Das wiederum setzte dem Stifter-Ehepaar zu, berichtete Thomas Hengstenberg: "Wir haben viele emotionale, lange Gespräche geführt. Das Ehepaar ist enttäuscht und hat gesagt: ,Wir kommen uns vor wie Bettler. Dabei wollen wir nur Gutes tun' ".
Es folgte ein Ultimatum des Ehepaars an Unna: Entscheidet bis Ende Januar 2017, sonst war es das. Und selbst dieses Ultimatum kam offenbar nur zustande, weil sich nach dem Scheitern im Dezember Hengstenberg selbst und Unnas Landrat Michael Makiolla eingesetzt hatten. Nur deshalb sei der Absprung noch einmal aufgeschoben worden, versichert Makiolla.
Der Kreis setzte eine Sondersitzung an: für Dienstag, 17. Januar.
Eine Einigung, ein Anruf, das plötzliche Aus
Acht Tage vorher - am Montag dieser Woche - trafen sich die Spitzen von CDU, SPD und Kreis Unna, um sich zu einigen. Was sollte im Beschlussvorschlag stehen? Wie will man sich gegen Vandalismus und Diebstahl denn nun abschern?
Als man sich geeinigt hatte, griffen die Fraktionschefs Brigitte Cziehso (SPD) und Wilhelm Jasperneite (CDU) zum Telefonhörer und riefen beim Spender-Ehepaar an. Weil das nicht drangegangen sei, habe man eine Bitte um einen Rückruf hinterlassen, so Cziehso.
Kurz darauf, am Mittwoch, sechs Tage vor der Sitzung, erklärte das Ehepaar seinen Rückzug. Unnas Landrat Makiolla unterstrich: „Das Aus ist endgültig.“ Die nervliche Belastung und der Druck sei den Eheleuten zu groß geworden. Die ungeklärte Zukunft ihres Nachlasses würde so schwer lasten, dass das Paar nicht mehr hätte schlafen können.
Ex-Kultur-Chef: Argumente an Haaren herbeigezogen
Hengstenberg sagte, er sei „zutiefst enttäuscht“ über das Vorgehen der politischen Mehrheit. Die Sorge um Diebstahl oder Beschädigung der Puccinelli-Skulpturen, eine dringende Abstimmung mit dem Kreissportbund? Diese Argumente, mit denen SPD und CDU den Aufschub zu rechtfertigen suchten, seien an den Haaren herbeigezogen gewesen. „Von Tai Chi bis Vandalismus war alles Unsinn.“
Überall im Kreis Unna stünden Bronzefiguren, allein in der Werner Alstadt fünf Gruppen, die viel wertvoller als die Puccinellis seien. „Sollen wir die jetzt alle demontieren?“, fragt Hengstenberg.
Rücktritte? SPD und CDU schließen das aus
Soll es personelle Konsequenzen geben? Zumindest die Grünen im Kreis Unna fordern nun die Rücktritte der Fraktionschefs von SPD und CDU. Was die allerdings von sich weisen. Eine Verantwortung für das Scheitern liege nicht bei ihr, erklärte Brigitte Cziehso (SPD). Die erfolgte Absage sei nicht ihr Ziel gewesen.
CDU-Fraktionschef Jaspernaite versicherte, ihm sei der zeitliche Druck nicht so klar gewesen: "Wenn ich geahnt hätte, dass das so eine Dringlichkeit hat, wäre ich direkt mit Auto an die polnische Grenze gefahren."
Man hätte doch jetzt auch die Personalie Hengstenberg mitgetragen.
Das sagen die Vertreter der anderen Parteien und Wählergemeinschaften
- Herbert Goldmann (Bündnis 90/Die Grünen) hält einen sofortigen Rücktritt der Fraktionschefs Cziehso (SPD) und Jasperneite (CDU) für eine Frage des politischen Anstands. Mit ihrem „kollektiven Versagen“ hätten die beiden großen Fraktionen dem Kreis einen Schaden zugefügt, der noch 10, 15 Jahre nachwirken würde. „Niemand aus Kunst und Kultur wird es noch wagen, dem Kreis Unna irgendein Geschenk anzutragen“, so Goldmann.
- Werner Sell (Fraktionschef der Linken) hatte mit seinem Antrag auf eine Sondersitzung dafür gesorgt, dass eine Entscheidung für die Stiftung noch möglich blieb. „Entsetzt, fassungslos und stinksauer“ stellt er die Frage: „Wer wird denn dem Kreis Unna noch Geld anbieten?“ Und: „Wie wollen Cziehso und Jasperneite diesen Imageschaden wiedergutmachen, den sie mit ihrem bürgerfernen Verhalten angerichtet haben?“
- Julius Will (FDP): Die Absage werde für lange Zeit „das Mahnmal für eine völlig verfehlte Politik von SPD und CDU im Kreistag sein“. Damit werde das fatale Signal an potenzielle Nachahmer gesendet, die sich mit Ideen oder Geld einbringen möchten, „dass es im Kreis eher um Kleinklein und Eitelkeiten geht als um das konsequente Voranbringen unserer Region“.
- Christian Roß (Piraten) zitierte aus der Haushaltsrede Wilhelm Jasperneites, wonach es weniger „Kreisbedenkenträger“ brauche. Als solche hätten sich CDU und SPD nun erwiesen.
- Helmut Stalz (Freie Wähler): „Ich hoffe, dass die Wähler das bis zur Kommunalwahl 2020 nicht vergessen und SPD und CDU die Quittung dafür geben.“