Kommunalreform 1975 Als Selm, Bork und Cappenberg beinahe im Münsterland gelandet wären

Als Selm, Bork und Cappenberg beinahe im Münsterland gelandet wären
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Selm ist nicht nur durch die symbolische Drei-Ringe-Skulptur auf dem Kreisverkehr Kreis-/Ludgeri-/Münsterlandstraße/Sandforter Weg von Alfred Gockel eine Kommune, deren Stadtteile Bork und Cappenberg wie selbstverständlich zu Selm gehören. Politisch und gesellschaftlich sind die drei Ortsteile nicht voneinander zu trennen. Das war nicht immer so.

Während des Neujahrsempfangs blickte Selms Bürgermeister Thomas Orlowski jüngst zurück auf die Zeit vor und nach der Kommunalreform 1975. „Es sollten der Verwaltungsaufbau rationalisiert, Entscheidungsprozesse der Kommunalverwaltung beschleunigt und der Kostenaufwand gesenkt werden“, sagte Thomas Orlowski. Das seien damals die Ziele der kommunalen Gebietsreform gewesen. In der heutigen Stadt Selm sei es damals so gewesen: „Ein Teil der Selmer wollte mehr zum Münsterland und ein Teil wollte Richtung Ruhrgebiet gehen.“ Bis 1972 stand laut dem Bürgermeister im Innenministerium im Raum, dass Selm, Bork, Altlünen und Waltrop zur Stadt Lünen gehören sollten. Die Bürgerinnen und Bürger hätten damals dafür gesorgt, dass dieser Vorschlag verworfen wurde.

Im Oktober 1972 gab es eine Anhörung mit Vertretern des Innenministeriums in Lüdinghausen. Man habe sich zusammengesetzt und die Lüdinghausener hätten gewollt, dass die Städte an der Lippe zum damaligen Kreis Lüdinghausen gehören sollten. Dieses Gespräch sei in der Presse damals als „Die Schlacht um die Lippe“ bezeichnet worden.

„Im Mai 1973 haben sich Bork und Selm geeinigt, dass sie zusammengehen wollten“, führt der Bürgermeister aus. Und weil ja auch Cappenberg dazu kommen sollte, sei die Frage aufgeworfen worden, wie die Stadt dann heißen solle. Die Heimatvereine hätten für „Botzlar“ als Name plädiert. Weitere Namensnennungen: Funnetal, Netteberge. Die Einwohnerzahl sei dann letztendlich ausschlaggebend gewesen, dass der Name der Kommune Selm sein sollte. Und so kam es 1975 zum Zusammenschluss von Selm, Bork und Cappenberg zur Großgemeinde Selm. Die Stadtrechte erhielt Selm erst zwei Jahren später: 1977.

Die Bürgermeister Ernst Kraft (l.) und Ferdinand Spahn besiegelten den Zusammenschluss von Bork (mit Cappenberg) und Selm.
Die Bürgermeister Ernst Kraft (l.) und Ferdinand Spahn besiegelten den Zusammenschluss von Bork (mit Cappenberg) und Selm. © Redaktion/Montage Brede

Leistungsfähige Kommunen und Kreise

Im Heimatbuch Selm steht viel über die damalige Zeit. Dort wird auch erklärt, warum es überhaupt zur Neugliederung kam. Es gab demnach neben dem Grund, dass sich die Zersplitterung auf der unteren Verwaltungsebene, die Gliederung nach Ämtern und Gemeinden, Landkreisen, kreisangehörigen und kreisfreien Städten aus Sicht der Landesregierung als immer weniger effektiv erwiesen, auch weitere Gründe für die Neuordnung. Allein im Kreis Unna gab es damals 75 Gemeinden, von denen 30 weniger als 500 und 45 weniger als 1000 Einwohner hatten. Die Reform sollte leistungsfähige Gemeinden und Kreise schaffen, die im Zuge einer Aufgabenverlagerung von oben nach unten weitreichende Zuständigkeiten übernehmen sollten.

Wie von Bürgermeister Orlowski angedeutet, entbrannte in Selm, bevor die endgültigen Konturen der Neugliederung deutlich sichtbar wurden, auf der politischen Ebene der Streit um die zukünftige Zuordnung der Gemeinde. Während die CDU den Raum Selm weiterhin als Bestandteil eines Südmünsterlandkreises sah, wollte die SPD auf keinen Fall als „Anhängsel“ einem eher ländlich orientierten Kreis zugeordnet werden. In der Selmer Gemeinderatssitzung vom 25. Mai 1971 beschloss man, mit der Gemeinde Bork in Verhandlungen zu treten, um einen Zusammenschluss beider Gemeinden herbeizuführen.

Im Jahr 1973 – am 14. Mai – unterzeichneten die Bürgermeister Ernst Kraft (Selm) und Ferdinand Spahn (Bork) den Entwurf des Gebietsänderungsvertrags, der den Zusammenschluss beider Gemeinden nach Auflösung des Amtes Bork regelte. Am 8. Mai 1974 wurde der Gesetzentwurf zur „Neugliederung der Gemeinden und Kreise im Neugliederungsraum Münster/Hamm“ vom Landtag verabschiedet. Alle Versuche, die Lippegemeinden wie Selm und Bork zum Münsterland zuzuordnen, scheiterten. Damit wurde der Raum Selm endgültig der Ballungszone des Ruhrgebiets zugeordnet. Selm und Bork (inklusive Cappenberg) wurden zusammengeschlossen.

LH-Kennzeichen dürfen heute wieder an Fahrzeugen angebracht werden, die im Kreis Unna angemeldet sind. Bis 1975 gehörte Selm zum Kreis Lüdinghausen, der dann durch die Kommunalreform vor 50 Jahren zerschlagen wurde.
LH-Kennzeichen dürfen heute wieder an Fahrzeugen angebracht werden, die im Kreis Unna angemeldet sind. Bis 1975 gehörte Selm zum Kreis Lüdinghausen, der dann durch die Kommunalreform vor 50 Jahren zerschlagen wurde. © Redaktion

Kreis Lüdinghausen zerschlagen

Der Kreis Lüdinghausen gehörte damals zu den Kreisen, die wie kaum ein anderer in Nordrhein-Westfalen zerschlagen wurden. Bockum-Hövel wurde in die neue kreisfreie Stadt Hamm eingemeindet. Drensteinfurt gehörte fortan zum Großkreis Warendorf-Beckum. Das Amt Bork wurde aufgelöst. Altlünen kam zur Stadt Lünen. Werne wurde mit Stockum vereinigt. Selm und Bork wurden Großgemeinde. Diese Kommunen wurden in den Kreis Unna eingegliedert. Die Reste des Kreises Lüdinghausen wurden mit dem Kreis Coesfeld und Teilen des ebenfalls aufgelösten Kreises Münster zusammengefasst und bildeten den neuen Kreis Coesfeld.

Sichtbar sind in Selm die Veränderungen seit 1975 auch an Autokennzeichen. Hatten Fahrzeuge bis dato ein LH-Kennzeichen, war nun das UN-Kennzeichen Signal für die Zugehörigkeit zum Kreis Unna. Immerhin: Seit das LH-Kennzeichen auch im Kreis Unna erlaubt ist, fahren auch in Selm wieder viele Fahrzeuge mit den beiden Buchstaben L und H am Kennzeichen. Wohl aus nostalgischen Gründen.