Cannabis-Patient kommt nicht ins Festzelt beim Karneval in Selm „Fühle mich diskriminiert“

Cannabis-Patient kommt nicht ins Festzelt beim Karneval: „Fühle mich diskriminiert“
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Voller Vorfreude machte sich ein 39-Jähriger am Samstagabend (10. Februar) auf den Weg zum Festzelt nach Selm. Sein Ziel: die Karnevalsparty auf dem Campus. Aber dann kam alles anders. „Ich hatte eine Karte für das Festzelt, doch kam letztlich nicht rein“, erzählt der Mann, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte.

Was war passiert? Der 39-Jährige ist Cannabis-Patient. Das bedeutet: Als Schmerzpatient nimmt er das Betäubungsmittel zu sich. „Ich leide unter anderem an Arthrose. Seit knapp drei Jahren bin ich Cannabis-Patient“, sagt er. Dementsprechend hatte der Selmer wie üblich seine Medikamenten-Tasche dabei, weil er seine Medizin regelmäßig einnehmen muss.

„Ich mache mich strafbar“

Am Einlass eingekommen, verweigerte ihm die Security jedoch den Eintritt. Mit Betäubungsmitteln käme er nicht rein, habe man ihm gesagt, erinnert sich der Mann. Im Anschluss legte er seinen Ausweis, sein Rezept und einen medizinischen Nachweis vor. Der Sicherheitsdienst zog die Polizei hinzu. Die Beamten überprüften alles und sprachen sich dafür aus, den 39-Jährigen ins Festzelt zu lassen – doch die Security verhinderte dies.

Jörg Rode, Verantwortlicher des Sicherheitsdienstes am Samstagabend, bestätigt den Ablauf. „Beim Abtasten haben wir eine Dose mit Cannabis gefunden. Danach haben wir beraten, wie wir damit umgehen. Fest stand: Es darf im Festzelt nicht geraucht werden. Deshalb machten wir den Vorschlag mit der Abgabe bei der Garderobe, damit er sich dort das Cannabis abholen und es konsumieren kann, wenn er es braucht.“

Männer bei der Karnevalsparty in Selm
Ein 39-Jähriger aus Selm hätte auch gern Karneval gefeiert, doch er kam nicht rein. © Jura Weitzel

„Ich sollte mein Medikament an der Garderobe abgeben. Doch das geht nicht. Damit mache ich mich strafbar, wenn ich die Medikamente in fremde Hände übergebe. Daher konnte ich dem nicht zustimmen und fühle mich diskriminiert. Wir haben 2024 und es handelt sich um ein anerkanntes Medikament“, sagt der Selmer.

Sicherheitsdienst-Chef Rode schildert, dass die Security dann von ihrem Hausrecht Gebrauch machte. „Der Mann ließ sich nicht zu einem Kompromiss bewegen. In Rücksprache mit Veranstalter Wilfried Reckers haben wir dann entschieden, ihm das Eintrittsgeld zurückzugeben und ihm das Bändchen für den Einlass wieder abzunehmen. Meiner Meinung nach haben wir die Sache gut geregelt und ihm einen fairen Kompromiss angeboten.“ Rode betont, dass der Selmer sein Cannabis ja nicht irgendwem übergeben hätte, sondern den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Garderobe.

Sebastian Fricke, Rechtsanwalt aus Dortmund, beurteilt die rechtliche Lage so: „Der Selmer hätte das Cannabis im Festzelt bei sich führen dürfen. Das hätten die Veranstalter und der Sicherheitsdienst zulassen müssen. Das ist nichts anderes als jedes Medikament.“

Zum Überlassen der Medizin an der Garderobe sagt der Experte: „Rein rechtlich hätte die Abgabe für den Mann Probleme geben können. Möglicherweise wäre ein Verfahren eröffnet worden. Daher ist die Verfahrensweise des Sicherheitsdienstes in diesem Fall aus rechtlicher Sicht nicht nachvollziehbar.“

„Ich kann mich nur entschuldigen“

Völlig verärgert und ohne Verständnis verließ der 39-Jährige im Anschluss das Gelände am Campus. Bisher habe es wegen seines Cannabis-Medikaments noch nie Probleme gegeben, berichtet er. Sein Abend endete auf der eigenen Couch. Und auch weitere Karnevalpartys kamen für ihn nicht infrage: „Ich bin kein großer Jeck. Ich feiere einmal im Jahr Karneval – und das in Selm.“

In diesem Zusammenhang spannend: Der Sicherheitsdienst bei der Karnevalsparty in Selm war in diesem Jahr ein anderer im Vergleich zu den Vorjahren, wie Tobias Steinbrink, Präsident der 1. Selmer Karnevalsgesellschaft (KG) Rot-Weiß erklärt. „Das Team um Jörg Rode hatte uns allerdings schon vor der Corona-Pandemie betreut“, sagt Steinbrink.

Mann raucht einen Joint
Das Rauchen eines Joints ist für manche auch eine medizinische notwendige Maßnahme. © picture alliance/dpa

Dem Präsidenten ist der Vorfall unangenehm. „Leider habe ich nichts davon mitbekommen und war zu dem Zeitpunkt nicht greifbar. Ich denke, wenn ich dazu gerufen worden wäre, hätten wir eine gute Lösung gefunden“, sagte Steinbrink. Er ergänzt: „Im Namen der KG kann ich mich nur entschuldigen. Gerne kann sich der Mann an mich wenden und wir besprechen das nochmal in Ruhe.“

Steinbrink erklärt, dass es nach Aschermittwoch immer ein Nachgespräch mit der Stadt, der Polizei, dem Sicherheitsdienst und dem THW über alle Festivitäten gebe. Bisher habe er aber gehört, dass es keine großen Vorfälle gab. Das bestätigte auch die Kreispolizei Unna. Am Sonntag (11. Februar) teilte die Leitstelle in Bezug auf die Party im Festzelt mit: „Es ist alles ruhig gewesen.“

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Cannabis als legales Mittel

„Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben seit März 2017 unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Cannabis. Jeder Haus- und Facharzt darf getrocknete Cannabisblüten und -extrakte sowie Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon verordnen. Die Krankenkassen übernehmen im Regelfall die Kosten für die Therapie“, informiert die Kassenärztliche Bundesvereinigung.

Der Anspruch auf Versorgung mit Cannabis gilt nur, wenn

  • eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des Arztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Patienten nicht angewendet werden kann
  • eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht

Grundlage hier für das Paragraph 31 Absatz 6 des Sozialgesetzbuches.

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