
© Sylvia vom Hofe
Karneval 2022 ohne Umzug durch Selm: „Da blutet das Karnevalistenherz“
Karneval in Sem
Sonnenschein pur: Am Karnevalssamstag 2022 ist das Wetter ideal für einen Umzug. Selms Narren bleiben aber zuhause - aus mehreren Gründen. Ganz aufs Feiern verzichten aber nicht alle.
Als Tobias Steinbrink und seine Vorstandskolleginnen und -kollegen von der Selmer Karnevalsgesellschaft (KG) Ende vergangenen Jahres den Selmer Karnevalsumzug 2022 absagten, konnten sie es nicht ahnen: weder wie sich die Corona-Lage am 26. Februar, dem traditionellen Umzugstag, darstellen würde, noch dass zwei Tage zuvor in Europa ein Krieg ausbrechen würde. „Da blutet das Karnevalistenherz“, sagt Steinbrink.
Umzug hätte ohnehin nicht stattfinden dürfen
Aus heutiger Sicht sei die Entscheidung von damals richtig gewesen, sagt Steinbrink, der Vorsitzende der Selmer KG. Am 8. Februar hatte die Landesregierung die Corona-Schutzverordnung zuletzt aktualisiert. „Untersagt sind Veranstaltungen im Freien ohne Personenbegrenzung und Zugangskontrolle durch den Veranstalter, insbesondere Umzüge mit straßenrechtlicher Genehmigung“, ist dort nachzulesen. „Einen Umzug, wie wir ihn kennen, hätte es also gar nicht geben dürfen“, sagt Steinbrink. Bestenfalls sei eine abgespeckte Variante denkbar gewesen.
Die Stadt Selm hätte wie Köln oder Düsseldorf eine sogenannte Brauchtumszone ausweisen können. Für das Verweilen dort „zum geselligen Beisammensein, zur Brauchtumspflege und zum Verzehr von Speisen und Getränken“, wie die Landesregierung schreibt, würden dort besondere Auflagen gelten: „die 2G+-Regel: Zutritt besteht nur für immunisierte Personen mit einem zusätzlichen negativen Testnachweis. Die Behörde entscheidet, ob sie das Einhalten dieser Voraussetzungen durch stichprobenartige Kontrollen oder durch Absperrungen und Zugangskontrollen sicherstellt.“
Kontrollen und Strafen? „Dann lieber gar nicht“
Feiern mit strengen Kontrollen und empfindlichen Strafen auf dem abgesperrten Campus-Platz statt fröhlich schunkeln mitten in der Stadt? Für Steinbrink war das keine Option. „Das wären halbe Sachen.“ Für den Selmer Karneval gelte aber „ganz oder gar nicht“.

2020 haben die Selmerinnen und Selmer zum letzten Mal öffentlich ausgelassen Karneval gefeiert. © Weitzel
Deshalb stand schon Ende 2021 fest: „Der Umzug sowie die Innenveranstaltungen werden nicht stattfinden“ - wegen Corona. Der Kölner Rosenmontagszug ist inzwischen wegen des Krieges in der Ukraine abgesagt. Ob die KG auch kurzfristig Zug und Feierlichkeiten wegen Russlands Angriff auf das Nachbarland hätte ausfallen lassen? Das ist ein Gedankenspiel, an dem sich Steinbrink gar nicht beteiligen möchte. Leider hätten auch in der Vergangenheit immer Kriege und Konflikte die Karnevalsfreude getrübt, gibt Steinbrink zu bedenken. Aber die aktuellen Ereignisse, räumt der KG-Vorsitzende ein, hätten schon eine besondere Dimension.
Feiern im Familienkreis
Was er sich aber nicht nehmen lassen will: das Feiern im Familienkreis. Der Karneval sei ein wichtiges Kontrastprogramm zu den Verwerfungen in der Welt: ein Ventil mit Sorgen und Angst besser klar zu kommen und ein Hoffnungszeichen. Darauf, sagt Steinbrink, wollen er und seine Familie nicht ganz verzichten - trotz allem oder gerade deswegen.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
