Zwischen diesen Figuren durfte ein Jahr lang vor Beginn der Sanierung niemand mehr Platz nehmen - wegen der hohen Schadstoffbelastung. Künftig soll das kein Problem sein. © Sylvia vom Hofe

Stiftskirche Cappenberg

Gift im Chorgestühl der Stiftskirche bleibt: „Da wohnt ja niemand“

Wegen „erheblicher Schadstoffbelastung“ hatte die Bezirksregierung Mitte Juni 2019 das Chorgestühl in der Stiftskirche Cappenberg gesperrt. Eine Sanierung plant sie aber nicht. Und das Gift?

Cappenberg

, 25.07.2021 / Lesedauer: 3 min

Kobolde, Narren und Dämonen schmücken das mehr als 500 Jahre alte Chorgestühl der Stiftskirche Cappenberg: Fratzen, die derzeit noch etwas mehr zu grinsen haben als ohnehin schon - über Behörden-Übereifer oder Behörden-Sorglosigkeit, je nachdem.

Im Juni 2019 hatte die Bezirksregierung die Schnitzfiguren mitsamt der Sitz- und Kniebänke, die sie schmücken, zu einer Gesundheitsgefahr erklärt. „Betreten verboten“ hieß es damals. Jeder Hautkontakt mit dem Holz sei zu vermeiden. Denn die Insektizide, mit denen es 1986 großzügig behandelt worden war, gelten inzwischen als krebserregend. Zwei Jahre später relativieren die Verantwortlichen das kräftig.

Rundum-Erneuerung zum 900. Jahrestag der Grundsteinlegung

„Muss das Holz des Chorgestühls denn gar nicht behandelt werden“, fragt ein Mann am Samstag (24.7.). Er ist Mitglied einer zehnköpfigen Besuchergruppe, die sich über den Stand der Renovierungsarbeiten informieren möchte: die vierte Gruppe dieser Art, die Architekt Wolfgang Ubbenhorst aus Münster an diesem Nachmittag durch das Gotteshaus führt, das 2022 den 900. Jahrestag seiner Grundsteinlegung feiert. Der Andrang ist groß. Denn seit mehr als einem Jahr bleiben die Kirchentüren für Gottesdienstbesucher und Kulturinteressierte verschlossen. Und das soll auch noch bis zum Jahresende so bleiben.

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Die Rundum-Erneuerung des Ausnahme-Denkmals und touristischen Magneten kostet Zeit und Geld: 7,3 Millionen Euro hat das Land NRW als Eigentümerin der Kirche dafür veranschlagt. Ob Außenmauerwerk, Deckenmalereien, Fenster oder Kunstschätze: Alles wird saniert, ausgebessert und gereinigt. Auch das Chorgestühl. Mehr aber auch nicht. Das Gift bleibt im Holz. Die Belastung liege im Toleranzbereich, sagt der Architekt. „Hier wohnt ja niemand.“ So lange Menschen nicht tagelang auf dem belasteten Eichenholz knien oder sitzen würden, bestehe keine Gefahr. 2019 dauerten die Gottesdienste auch nur selten länger als eine Stunde. Damals war die Benutzung aber untersagt.

Holz-Sanierung wäre immenser Mehraufwand

Ganz verstehen könne er das nicht, sagt Theodor Höstrup, der Fragesteller aus der Besuchergruppe. Eine Sanierung des Holzes sei durchaus Thema gewesen, entgegnet der Architekt. Dazu hätten sich die Verantwortlichen andere Kirchen angesehen, unter anderem das historische Chorgestühl der Kölner Kirche St. Severin. Der Aufwand wäre jedoch immens. Von fast einer Million Euro ist im Kirchenvorstand die Rede: ein Betrag, den Ubbenhorst aber nicht kommentieren will. Nicht nur die Behandlung mit Insektiziden habe das Cappenberger Chorgestühl nachhaltig geprägt, sagt er, sondern zuvor schon ein Anstrich im 19. Jahrhundert. Der habe bewirkt, dass das Holz - ursprünglich naturbelassene Eiche - heute schwarz glänzt.

Zum ersten Mal nach mehr als einem Jahr wieder in der Stiftskirche: Diese Gelegenheit haben am Samstag (24. 7.) viele genutzt. Zentrale Themen bei der Führung mit dem Architekten Wolfgang Ubbenhorst waren das Chorgestühl (rechts und links hinter dem Gitter) und der künftige Messaltar. © Sylvia vom Hofe

In der Gruppe gibt es Kopfschütteln über das Hin und Her um das Chorgestühl, aber nur kurz. Denn die Freude überwiegt. „Ich bin begeistert davon, dass jetzt so viele Details der Deckenmalereien zu sehen sind“, sagt Monika Inkmann. Und dass diese Passionsreliefs am Nordeingang einmal farbig gewesen sind, wie jetzt zu sehen ist, „das hätte ich nie gedacht“. Zum zentralen Thema der Führung wird der zentrale Messaltar.

Kirche bekommt einen neuen Messaltar

Der schlichte Altar aus den 1980er-Jahren „passt nicht hier rein“; sagt Ubbenhorst. Die großen Gemälde rechts und links davon - das linke zeigt die Kreuzigung, das rechte den heiligen Nikolaus, der Geschenke verteilt - würden künftig nicht mehr auf Mauern stehen, sondern würden neu gefasst. Der Messaltar bündele dann die Blicke. Wie er künftig aussehen werde, stehe noch nicht fest. Wohl aber, dass er etwas weiter zurück rutschen wird. „Dann wird auch kein zweiter Altar für Werktagsgottesdienste mehr nötig sein.“

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