
© Wilco Ruhland
Game Boy wird 30: Viel Nostalgie in Selm zur kleinen Spielekonsole
Game Boy
Die handliche Spielekonsole feiert am Sonntag, 21. April, 30. Geburtstag. Mit dem Game Boy verbinden viele Menschen in Selm besondere Erinnerungen – ob auf der Straße oder in der Redaktion.
Ein Klempner, der fiesen Pilzen aufs Dach steigt, um sie zu zerquetschen. Ein Junge, der mal Flöte spielt und mal ein großes Schwert schwingt, um eine Prinzessin zu retten. Ein Teenager, der unter anderem feuerspeiende Monster dressiert und gegen andere Monster kämpfen lässt.
Das klingt alles höchst illegal – ist es aber nicht. Es handelt sich um virtuelle Geschehnisse: Die Rede ist von Super Mario, Zelda und Pokémon. Nur einige Beispiele, für höchst erfolgreiche Videospiele. Im Laufe der Zeit haben verschiedenste Spielekonsolen den Markt überschwemmt, entwickeln sich seit Jahren stets weiter. Einer, der einen großen Teil zu diesem Erfolg beigetragen hat, ist der Game Boy.
Wörtlich übersetzt: Spieljunge. Dieser Junge hat allerdings mittlerweile deutliches Erwachsenenalter erreicht – am Sonntag, 21. April, feiert das handliche Spielgerät des japanischen Herstellers Nintendo seinen 30. Geburtstag. 1989 kam der erste kastig-graue Game Boy in Japan auf den Markt. Er und seine ganzen Nachfolgeversionen verkauften sich bis heute mehr als 118 Millionen Mal. Mittlerweile zwar durch die Nachfolge-Konsole für unterwegs – den Nintendo DS oder ganz neu Nintendo Switch – abgelöst, schlagen beim Game Boy noch immer die Herzen höher. Und wenn es nur aus nostalgischen Gründen ist. Das war auf Selms Straßen und auch in der Redaktion deutlich zu spüren.

Karina Kassubek (20) © Mona Wellershoff
Game Boy als Deko
„Klar hatte ich einen Game Boy! Den hab ich früher immer von meinen älteren Brüdern geklaut und Super Mario und Ducktail gespielt. Dann ist er aber leider kaputt gegangen. Schade, so alte Gameboys könnte man sich auch schön als Deko in die Wohnung stellen“, meint die auf Selms Straßen angesprochene Karina Kassubek (20).
Der typische Suchtfaktor
„So einen Gameboy hatte jeder! Meinen Nintendo DS habe ich heute noch. Das ist natürlich nichts als Dauerbeschäftigung, aber bei langen Busfahrten oder beim Warten beim Arzt spiele ich immer noch manchmal Super Mario“, sagt Jaquelin Pongrac (31).

Jaquelin Pongrac (31), Martin Gruschka (41) und Töchterchen Romi (9 Monate). © Mona Wellershoff
„Das hatte diesen typischen Suchtfaktor. Ich habe eine Zeitlang nur Tetris und Super Mario gezockt“, pflichtet Martin Gruschka (41) ihr bei.
Und das gemeinsame, neun Monate alte Töchterchen Romi? Ihr würden die beiden später auch einen Nintendo geben: „Für lange Autofahrten beispielsweise. Auch wenn dann wahrscheinlich eh alles nur noch auf dem Handy passieren wird“, meint Martin Gruschka. „Wahrscheinlich wird sie sagen: Was soll ich denn damit? Das ist ja total uncool“, vermutet Jaquelin Pongrac.

Niklas Wildeboer (15, Mitte), Hendrik Pott (15, l.), Lennard Pott (13, r.) © Mona Wellershoff
Heute ist es eher der Nintendo DS
„Mein Vater hatte früher einen Game Boy mit einer dicken Chipkarte. Ich selber habe einen Nintendo. Dieses ganze Thema Konsolen und Spiele hat ja damals erst durch den Gameboy angefangen“, sagt der 15-jährige Niklas Wildeboer.
„Ich habe den Nintendo schon seit zehn Jahren und er läuft immer noch. Das Lieblingsspiel früher war Super Mario“, meint sein Freund Hendrik Pott. „Ich hab vor Kurzem wieder angefangen, mit dem Nintendo von meinem Bruder zu spielen. Pokemon“, sagt Lennard Pott (13) dazu.

Pia Retzlaff (56) © Mona Wellershoff
Ausprobierende Eltern
„Meine Tochter hatte einen kleinen, gelben Gameboy. Der war noch batteriebetrieben. Gespielt hat sie oft Super Mario, das ist ja im Gegnsatz zu den Spielen heute ganz harmlos.
Wir Eltern haben die Spiele vorher immer ausprobiert, um zu gucken, ob wir das unseren Kindern erlauben. Und gespielt wurden immer nur 30 Minuten. Unsere älteste Tochter war damals neun und hat den Gameboy mit ihrer Schwerster (6) und ihrem Bruder (3) geteilt“, sagt Pia Retzlaff (56).
Auch in der Redaktion ist der Game Boy ein heißes Thema:
Nicht nur auf Selms Straßen wurden Erinnerungen wach. Auch in der RN-Redaktion sprudelten die Geschichten hervor. Das verbinden die Mitarbeiter der Lokalredaktion Selm mit dem Game Boy:

Sylvia vom Hofe (48) © Carsten Strubbe
Redaktionsleiterin Sylvia vom Hofe (48)
„Zu alt. Das sind zwei Wörter, die ich nicht leiden kann. Ob es darum geht, verrückte Sachen auszuhecken, ein Instrument zu lernen oder das ganze Leben auf den Kopf zu stellen: Für all das möchte ich nie zu alt sein. Für den Game Boy war ich es von Anfang an.
Als die kleine Plastikkonsole auf den Markt kam, war ich gerade 18: erwachsen. Die ganze Welt lag vor mir und wartete darauf, entdeckt zu werden - neue Erfahrungen, neue Länder, neue Leute. Stattdessen den Kopf zu senken und den Blick auf einen winzigen Bildschirm mit vier Graustufen zu heften, kam nicht in Frage. Wer will sich schon mit kantigen Tetrissteinen beregnen lassen, wenn es auch rote Rosen sein können?
Soweit die Theorie. Dass die Praxis mitunter anders aussieht, weiß ich inzwischen auch. Und dass es wohltuend sein kann, gelegentlich dem Chaos der weiten Welt zu entfliehen und in Kunstwelten einzutauchen, ebenfalls. Bei mir sind das vorzugsweise Bücher. Manchmal auch Filme. Computerspiele sind es nie. Super Mario, Sonic und Nathan Drake kenne ich nur vom Hörensagen.
Vielleicht werden wir uns aber doch noch einmal näher kommen. Bislang fehlte eben nur die passende Gelegenheit. Doch eines steht fest: Zu alt für neue Erfahrungen möchte ich nie werden.“

Nicht nur Onkel Reinhard und Schwester Linda waren vom Game Boy begeistert.. © Repro: Marie Rademacher
Redakteurin Marie Rademacher (33)
„Ich kann mich noch genau an meinen ersten Game Boy erinnern. An unseren ersten Game Boy, muss ich korrekterweise sagen. Meine Geschwister und ich haben das Gerät nämlich irgendwann Mitte der 1990er-Jahre von meinen Onkels Andreas und Reinhard zu Weihnachten bekommen.
Unten bei Oma und Opa vorm Kachelofen war der Game Boy an diesen Weihnachten das Zentrum der Aufmerksamkeit – das sieht man auf dem Foto ganz gut: Mein Onkel Reinhard zeigt meiner älteren Schwester Linda, seinem Patenkind, wie man die kleine Spielkonsole bedient.
Nicht im Bild ist meine Mutter. Das ist eigentlich komisch, denn gerade für sie wurde der Game Boy zu einer Sucht. Ein Tag ging da besonders in die Familiengeschichte ein: Der nämlich, an dem sie vor lauter Tetris-Steinchen, die es zu verstauen gab, vergessen hatte, ihren drei Kindern, die nach der Schule hungrig vor der Tür standen, das Mittagessen zu kochen. Die Geschichte, die wir Kinder heute noch immer wieder gerne erzählen, hatte aber auch ein Happy End: Es gab Mittagessen von Pommes Gerd. Schlussendlich also eine klassische Win-Win-Situation.“

Arndt Brede (56) © Anna Knopp
Redakteur Arndt Brede (56):
„Game Boy. Das Wort löst bei mir zwiespältige Gefühle aus. Auf der eine Seite ist da in der Erinnerung die Freude beim Anblick ganz junger Menschen, die sich freuen, wenn was auf der kleinen Spielekonsole geklappt hat. Auf der anderen Seite der Unmut beim Anblick ganz junger Menschen, die sich freuen, wenn was auf der kleinen Spielekonsole geklappt hat. Wie aber kann eine einzige Situation zu solch unterschiedlichen Emotionen führen? Die Antwort ist: wegen Musik.
Die Spiele auf diesem Gameboy werden nämlich von Musik begleitet. Obwohl … Musik? Es sind eher Töne, die willkürlich verbunden eine Melodie ergeben. Wobei auch das Wort Melodie zu hoch gegriffen ist. Töne halt. Nervige Töne. Diese nervigen Töne zerren an Nerven. Jedenfalls haben sie an meinen Nerven gezerrt. Was zu eben jenem Unmut geführt hat.
Saßen die jungen Menschen jedoch mit einem Game Boy in der Hand, auf dem die Musik abgestellt war, gingen meine Mundwinkel nach oben und ich dachte mir: „Das sind ja mal gute Kinder.“ Zugegeben: Es waren nur wenige Kinder, die in der Game-Boy-Phase mein Wohlwollen hatten.“
Wilco Ruhland (25)
© Thomas AschwerVolontär Wilco Ruhland (25)
„Unzählige meiner Kindheitserinnerungen sind mit dem Game Boy verbunden. Klar: Wenn die älteren Geschwister damit rumhantieren, will dem ja schließlich nachgeeifert werden. Stolz wie Oskar war ich, als ich meinen ersten eigenen hatte. Das war schon der Game Boy Pocket, also die zweite Generation. Der dicke, graue Game Boy ist immerhin beinahe fünf Jahre älter als ich.
Ich weiß noch genau: Ich habe Game Boy gespielt, bevor ich lesen konnte. Bei so manchem Spiel, wie etwa Pokemon, gibt es aber erstaunlich viel Text. Manche wiederkehrende Schriftbilder konnte ich mir merken, dennoch konnte da die Verzweiflung schon mal wachsen. Gut, wenn der große Bruder einem dann zur Seite springt und vorliest, was da denn gerade überhaupt passiert.
Als ich hörte, dass der Game Boy 30 wird, musste ich doch direkt die alten Kramkisten durchsuchen - immerhin zwei von drei Geräten und erstaunlich viele Spiele habe ich wiedergefunden. Und: Es funktioniert alles noch. Ich glaube, ich weiß schon, was ich über das lange Wochenende mache.“
Baujahr 1993, gebürtig aus Hamm. Nach dem Germanistik- und Geschichtsstudium in Düsseldorf und dem Volontariat bei Lensing Media in der Stadtredaktion Dortmund gelandet. Eine gesunde Portion Neugier und die Begeisterung zum Spiel mit Worten führten zum Journalismus.
