Hochwasser

Flut-Helfer aus Selm: „Leichen fanden wir zum Glück nicht im Schlamm“

Wenn Gewitter aufziehen, dann erinnert sich Thorsten Hoppe an den Sommer 2021: Was Wasser anrichten kann, erlebte der Selmer da als Fluthelfer der Feuerwehr und der Stadtwerke Selm.

Selm

, 22.05.2022 / Lesedauer: 4 min

Thorsten Hoppe ist in den Augen derer, denen er zur Hilfe kam, wohl ein Held. Hoppe selbst sieht sich nicht so: „Feuerwehr ist Teamwork, das funktioniert nur zusammen und ich bin ja nur einer von vielen Kameradinnen und Kameraden aus Selm, die in irgendeiner Weise im Hochwasser-Einsatz waren“, sagt Torsten Hoppe.

Landrat Mario Löhr und Selms Bürgermeister Thomas Orlowski ehrten die Einsatzkräfte mit einer Medaille und einer Urkunde des Landes Nordrhein-Westfalen. 121 Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmänner waren es von der Feuerwehr Selm. Ein Dank für den Fluthelfer-Einsatz. Dank und Erinnerung.

Thorsten Hoppe wird sich ohnehin immer an die Wetter-Katastrophe erinnern, was er erlebte, hinterließ auch nach 34 Jahren Ehrenamt bei der Feuerwehr bleibenden Eindruck bei dem Hauptbrandmeister. Der 14. Juli war der Tag, an dem die Wetter-Katastrophe ihren Lauf nahm: „Abends begann es zu regnen, relativ stark und viel Wasser, und kurze Zeit danach hatten wir schon die erste Einsätze“, erzählt Thorsten Hoppe.

“In Windeseile schwammen Autos“

Hoppe und die anderen Einsatzkräfte des Löschzugs Cappenberg mussten direkt im Dorf helfen, in einigen Kellern stand das Wasser. „Ein Fahrzeug ist dann aber sofort nach Bergkamen beordert worden, hier war Land unter rund um die Seseke.“ Nach Abschluss der Einsätze in Selm geht es auch für Thorsten Hoppe und weitere Einsatzkräfte aus Selm nach Bergkamen.

Landrat Mario Löhr und Bürgermeister Thomas Orlowski ehrten in Selm 121 Einsatzkräfte der Feuerwehr mit einer Urkunde und einer Medaille für ihren Einsatz im Hochwasser. © Daniel Magalski

„Stunden haben wir dort versucht, einen Keller leer zu bekommen, solche Wassermassen waren das“, erinnert sich Hoppe. Im Haus im Stadtteil Oberaden, in dem Torsten Hoppe und seine Kameradinnen und Kameraden im Einsatz waren, war der Keller ausgebaut, „da war alles ein Totalschaden.“

Torsten Hoppe erzählt: „In Cappenberg hatten wir bei unseren Einsätzen vorher zwischen 20 und 30 Zentimetern Wasserhöhe, da war es ja auch nur Oberflächenwasser, was so schnell nicht versickern konnte, aber in Bergkamen trat die Seseke über die Ufer und in Windeseile schwammen Autos.“

Geruch von Müll und Heizöl

Wasser im Keller, klar, das hatte er im Laufe seiner Ehrenamtskarriere schon öfter, aber nie in dem Ausmaß. „In Bergkamen habe ich zum ersten Mal gesehen, was Wasser in kurzer Zeit für einen Schaden anrichtet und das nicht nur in einer Straße, sondern einem quasi einem Ortsteil“, so Hoppe. Die Selmer arbeiteten bis weit nach Mitternacht.

Das Wasser blieb in den nächsten Tagen ein Thema. Kameraden aus Selm rückten mit der Kreisbereitschaft aus nach Eschweiler, andere halfen im ebenfalls schwer betroffenen Fröndenberg. Hoppe, bei den Stadtwerken Selm Bereichsleiter Grün, machte sich mit einem Team auf den Weg ins Ahrtal. „Zwei Bagger hatten wir dabei, einen Radlader, ein Fass mit Pumpe, Anbaugeräte für die Bagger und Werkzeug.“

Ein Team der Stadtwerke Selm, zu dem auch Thorsten Hoppe gehörte, half nach der Flut im Ahrtal. © Thorsten Hoppe

Das Team der Stadtwerke Selm bekam dort einen Auftrag in der Ortschaft Marienthal, „und als der fertig war, suchten wir uns selbstständig die nächsten Aufträge, zu tun gab es ja an jeder Ecke.“ Der Kontrast sei heftig gewesen, von heiler Welt wie in ein Kriegsgebiet. Bergepanzer fuhren durch die Straßen - oder das was von ihnen übrig war - dazu überall der Geruch von Müll, Heizöl und Schlamm.

Fremde wurden zu Freunden

„Die Bilder und was Anwohner uns erzählten, ist mit nichts zu vergleichen, was in den Medien zu sehen war, so eindrucksvoll waren die Berichte.“ Hoppe hörte von Menschen, die voller Panik auf die Hausdächer kletterten, von Nachbarn, die ertranken, von letzten Schreien vor der tödlichen Stille.

„Zum Zeitpunkt, als wir da im Ahrtal vor Ort waren, wurden noch siebzehn dieser Menschen vermisst“, berichtet Hoppe. Der Gedanke, dass vielleicht ein Toter beim Räumen des Schlamms und der Müllberge auftauchen könnte, war deshalb immer im Hinterkopf. „Leichen fanden wir aber zum Glück nicht im Schlamm.“

Leer. Ein Wort als Botschaft für die Retter: Das Auto wurde kontrolliert, im Wagen sind keine Menschen. Keine Verletzten, keine Toten. © Thorsten Hoppe

Das Miteinander war die andere Seite: „Feuerwehrleute aus München waren da, die Bundeswehr aus Dresden, wir hatten uns noch nie zuvor gesehen, aber arbeiten zusammen, als wären wir seit Jahren schon ein Team.“

Thorsten Hoppe und auch manche der anderen Helfer, halfen auch in den kommenden Wochen in ihrer Freizeit und fahren bis heute ins Ahrtal. Arbeit findet sich dort auch fast ein Jahr nach der Katastrophe noch immer, doch zusätzlich gibt es noch einen zweiten Grund: Die Fremden, denen er in höchster Not zur Hilfe kam, wurden zu Freunden.

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