
Gottfried von Cappenberg hat vor 900 Jahren den Grundstein gelegt für den Bau der gerade frisch renovierten Stiftskirche Cappenberg. Das ist am 29. Mai 2022 Anlass zum Feiern. © Günther Goldstein
Feiert in Cappenberg - nicht trotz, sondern wegen der Probleme!
Meinung
Sich zur katholischen Kirche zu bekennen, macht derzeit wenig Spaß: weil sie Missbrauch deckt, Frauen Ämter verwehrt und Homosexuelle ausgrenzt. Auf Cappenberg feiert sie trotzdem - zu Recht.
Prämonstratenser. Das ist ein Zungenbrecher. Warum musste Norbert von Xanten im Jahr 1121 auch ausgerechnet im französischen Prémontré seinen Reformorden gründen und nicht sofort in Cappenberg, der ersten Niederlassung im deutschsprachigen Raum, die vor genau 900 Jahren entstand?
Die fünf Silben der katholischen Gemeinschaft richtig hintereinander zu bringen, ist aber die kleinste Herausforderung, damit der Prämonstratensertag an diesem Sonntag (29. 5.) zu dem wird, was geplant ist: eine Gemeinschaft stiftende Feier, die ohne Geschichtsklitterung der reichen Vergangenheit gerecht wird, trotzdem nicht die Schwierigkeiten der Gegenwart ausblendet und eine Zukunft möglich macht. Das ist viel verlangt. Aber wer sich jetzt noch mit Klein-Klein-zufrieden gibt, hat den Ernst der Lage noch nicht begriffen.
Ein Festumzug der Vereine im Gleichschritt um die Kirche ist ein Bild von vorgestern. Er funktioniert heute bestenfalls als Zitat aus der Traditionsgeschichte. Und als Pfeifen im dunklen Cappenberger Wald. Denn Vereine kämpfen genauso wie Kirchen gegen die zunehmende Individualisierung im Alltag des einzelnen bei gleichzeitiger Pluralisierung der Lebensentwürfe.
Trotzdem: Diese Feier am Sonntag mitsamt Umzug sollten wir alle nicht verpassen - nicht trotz, sondern wegen der großen aktuellen Probleme. Denn Feiern führt uns zusammen. Und Lösungen finden sich nur in der Gemeinschaft, die nicht nur Stress, sondern auch Freude macht - heute wie vor 900 Jahren.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
