Ralf Piekenbrock (54) ibewirbt sich für die Familienpartei um das Amt des Bürgermeisters in Selm.

© Jura Weitzel

Familienpartei in Selm: Piekenbrock will Mehrheit der „GroKo“ brechen

rnKommunalwahl 2020

Zum ersten Mal tritt die Familienpartei in Selm zur Kommunalwahl an. Und stellt gleich noch einen Bürgermeisterkandidaten. Wir haben Ralf Piekenbrock gefragt, wie er seine Chancen einschätzt.

Selm

, 09.08.2020, 20:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Neu ist die Familienpartei nicht, sie wurde offiziell 1981 gegründet. Sie gilt als Kleinpartei - wodurch sich erklärt, dass Ralf Piekenbrock nicht nur Spitzen- und Bürgermeisterkandidat für Selm, sondern auch gleich Generalsekretär auf Bundesebene ist.

Er hatte 2016 zunächst die „Demokratischen Bürger Deutschland“ gegründet und anschließend versucht, aus mehreren Kleinparteien ein Bündnis der bürgerlichen Mitte zu schmieden. Am Ende stand die Fusion mit der Familienpartei, für die er nun in den Kommunalwahlkampf in Selm zieht.

Dabei schätzt Ralf Piekenbrock die Lage durchaus realistisch ein: „Ein Sitz im Rat wäre schön, die Fraktionsstärke wäre definitiv ein Grund zu feiern. Alles, was noch dazu kommt, nehmen wir gerne mit.“ Das Bürgermeisteramt sei dabei gar nicht mal so wichtig: „Meine Bewerbung entstand aus der Bitte der Partei, dass ich mich zur Verfügung stelle.“

Ungefähr 1000 Haustürgespräche im Kreis

Denn genau wie auf Bundes- und Europaebene, wo die Familienpartei über den Zusammenschluss des „European Christian Political Movement“ (ECPM) sogar im Parlament vertreten ist, muss die Familienpartei in Selm vor allem um eines kämpfen: Aufmerksamkeit. „Aus mittlerweile ungefähr 1000 Haustürgesprächen im Kreis Unna kann ich sagen, dass viele Menschen unser Programm gut finden - aber eben noch nie von uns gehört haben“, sagt Ralf Piekenbrock.

Deshalb sei die Bürgermeisterkandidatur in Selm auch ein Marketinginstrument, um die politischen Ideen in der Stadt bekannt zu machen. Und um mit einem Missverständnis aufzuräumen: „Die meisten denken ja, wir setzen uns ausschließlich für kinderreiche Familien ein. Das stimmt jedoch nicht.“

Tatsächlich definiere die Familienpartei die Familie als „alles, wo ein Kind vorhanden ist“. Und das sei auch beim Single der Fall, der vielleicht keine eigenen Kinder, dafür aber Geschwister, Neffen und Eltern hat. „Jeder hat Familie, die Familie ist die Kernzelle einer Gesellschaft, egal in welcher Form“, sagt der Spitzenkandidat. „Und wenn es dieser Kernzelle nicht gut geht, dann hat die Gesellschaft ein Problem.“ Das habe die Corona-Krise, die Familien extrem gefordert hat und nach wie vor fordert, noch einmal besonders vor Augen geführt.

„Viele Dinge haben sich positiv entwickelt“

Entsprechend will Piekenbrock mit seinen Mitstreitern mehr für Familien in Selm tun. „Wir brauchen mehr kindgerechte Spielplätze und ein besseres Angebot für die Jugend.“ Außerdem müssten Grünflächen in der Stadt aufgewertet werden, damit sie eine höhere Aufenthaltsqualität für Senioren bieten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist bezahlbarer Wohnraum. „Und zwar für alle.“

Ralf Piekenbrock betont, dass in den vergangenen Jahren „nicht alles verkehrt gelaufen“ sei - viele Dinge hätten sich in Selm auch positiv entwickelt. „Man kann allerdings geteilter Meinung sein, ob das alles zum Wohl der Bürger passiert ist.“ Denn in manchen Fällen habe die Transparenz zu wünschen übrig gelassen - beispielsweise bei der Bohrkopf-Havarie an der Kreisstraße, wo die Informationen nur tröpfchenweise seitens der Stadt kamen - oder der Streit um die Trinkwasserkonzession mit Gelsenwasser. „Dort haben wir immer noch nicht die Informationen erhalten, die wir eigentlich haben wollen“, so Piekenbrock.

Bisher habe man als nicht im Rat vertretene politische Organisation versucht, über das Bürgerrecht auf Information auf dem Laufenden zu bleiben.

Auch deshalb will die Familienpartei künftig im obersten Gremium der Stadt sitzen und direkt an den Informationen teilhaben. „Wenn wir dann noch dazu beitragen können, dass die absolute Mehrheit der Großen Koalition gebrochen wird, würde uns das freuen.“ Piekenbrock ist überzeugt, dass die Diskussionskultur in Selm eine Auffrischung braucht - zu viele Entscheidungen seien in der Vergangenheit durch SPD und CDU ohne großes Reden durchgewunken worden.

Die große Unbekannte ist für Piekenbrock das Coronavirus: „Fest steht nur, dass auch in Selm nichts mehr so sein wird wie vorher.“

Wie genau die Auswirkungen zum Beispiel auf den Haushalt aussehen, könne er nicht sagen. Nur so viel: Positiv sind sie nicht. Auch für die Innenstadt sieht der Familienkandidat eine Entwicklung „hin zur kompletten Veränderung“. So werden es klassische Geschäfte zum Beispiel für Mode schwer haben: „Ich denke, dass wir künftig mehr Handwerksbetriebe und Lebensmittelmärkte in den Innenstädten sehen werde. Das klassische Bild der Einkaufsstraße verschwindet.“

Bürgermeister steht vor unruhigen Zeiten

Und wenn der unwahrscheinliche Fall eintritt und die Selmer Ralf Piekenbrock - vermutlich nach einer Stichwahl - zum Bürgermeister wählen? „Als Polizist habe ich gelernt, Dienstleister für den Bürger zu sein. Man muss gut zuhören können und die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut bringen.“ Das und die Führung des Rathauspersonals traut sich der Spitzenkandidat der Familienpartei zu. Er sagt aber auch: „Das Amt des Bürgermeisters sollte man mit Demut sehen - wer immer es wird, steht vor unruhigen Zeiten.“

Auch deshalb fordert Piekenbrock einen besseren Umgang mit dem Amt und den Politikern: „Man darf ja kritiseren, doch es sollte sachlich bleiben. Im Rat sitzen in erster Linie Bürger, die etwas für ihre Stadt tun wollen. Und das machen sie ehrenamtlich, während andere auf dem Sofa sitzen.“

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Wir stellen die Kandidaten für das Bürgermeisteramt der Stadt Selm vor. Außerdem sind wir mit jedem Bewerber zu einem weiteren Interview verabredet - für das Sie uns per E-Mail Fragen schicken können. Diese Fragen werden wirim Gespräch stellen. Die Antworten können Sie anschließend im Videomitschnitt sehen.