Der formale Akt der Grundsteinlegung kam am Mittwoch, 16. August, sehr spät. Laufen doch die Arbeiten am Neubau des Caritas-Seniorenzentrums auf dem ehemaligen Marktplatz in Bork bereits seit Januar dieses Jahres. Es ist eben alles ein wenig anders bei diesem Neubau.
„Angefangen hat alles im Jahr 2015“, erklärte Caritas-Vorständin Heike Homann während des kleinen Festakts zur Grundsteinlegung. Der Caritasverband Lünen-Selm-Werne habe sich auf die Ausschreibung des Kreises Unna nach dem Pflegebedarfsplan zum Bau einer stationären Altenhilfeeinrichtung beworben.
Nach dem Zuschlag habe es viele kleine und größere Rückschläge „aus unterschiedlichsten Gründen“ gegeben, sagte Heike Homann. Was sie eher charmant ausdrückt, ist tatsächlich nichts anderes als eine große Diskussion um Größe und Standort des Baus sowie ein Zwist zwischen Stadt Selm und Caritasverband Lünen-Selm-Werne um die Baugrundherrichtung. Wir fassen das mal zusammen.

Im Februar 2017 sagt der damalige Selmer Bürgermeister Mario Löhr, die Stadt habe die Chance ergriffen, Grundstücke auf dem Marktplatz zu kaufen. Verkauft sei dort aber noch nichts. „Da gab es einen Grundsatzbeschluss, diese Fläche an die Caritas zu verkaufen. Es ist aber noch gar kein Kaufvertrag unterschrieben worden“, so Löhr. Die Caritas plane, die beiden Immobilien abzureißen und behindertengerechtes Wohnen für Erwachsene anzubieten. Auch ein öffentlich zugängliches Café sei dort denkbar.
Im Mai 2017 beschließt der Selmer Haupt- und Finanzausschuss, mehrheitlich 165.000 Euro für den Abbruch des ehemaligen Edeka-Geschäfts und des benachbarten Mehrfamilienhauses am Borker Marktplatz auszugeben. Für die UWG erklärt Maria Lipke: „Ich kann mir mit Abstand etwas Schöneres für Borks gute Stube vorstellen als ein Altenheim.“
Kritik am Standort
Juni 2017: Nachdem der Rat der Stadt Selm 2016 die Grundsatzentscheidung zum Verkauf der städtischen Fläche des Borker Marktplatzes an die Caritas gefällt hatte, beschließt er im Juni 2017 den Abbruch der Gebäude. Borker Sozialdemokraten monieren, es gebe zu viele offene Fragen. Etwa, wo ein neuer Marktplatz in Bork entstehen könne. Maria Lipke (UWG) sagt: „Man könnte in Bork doch einen viel besseren Platz für ein Pflegeheim finden als diesen.“
Juni 2017: Caritas-Vorstand Hans-Peter Benstein erklärt, wenn es nach seinen Plänen gehe, werde das Altenwohnhaus auf dem Borker Marktplatz 2019 stehen.
September 2017: Architektin Anne Linnemannstöns vom Architekturbüro Danne und Linnemannstöns stellt im Ausschuss für Stadtentwicklung, Verkehr und Wirtschaftsförderung Pläne für ein Seniorenzentrum am Marktplatz in Bork vor.
September 2017: Hans-Peter Benstein sagt in der Ausschusssitzung, die Caritas betreibe die Planungen für das Seniorenzentrum in Bork nicht mit Hochdruck. Ein „deutlich größeres Projekt“ in Lünen mit 80 Plätzen habe für den Verband Priorität.
Dezember 2017: Bürgermeister Mario Löhr kündigt gegenüber dieser Redaktion an: „Die Caritas möchte Ende 2018 anfangen, das Altenwohnheim auf dem Borker Marktplatz zu bauen. 2018 werden wir die Gebäude auf dem Marktplatz abreißen.“ Ende 2018 sollen dann die Erdarbeiten für das Pflegeheim beginnen. 2019 werde das Heim hochgezogen.

Februar 2018: Der Abbruch der Gebäude auf dem Borker Marktplatz läuft. Pro Stunde kommen tagsüber zwei LKW, bringen Erde zum Verfüllen der Keller – und holen vorsortierten Bauschutt ab.
August 2020: Der Caritas-Vorstand erklärt, der Bau würde sich nur kostendeckend bauen und betreiben lassen, wenn die Zahl der Betten - also der Pflegeplätze - steige. „Bork kann ein Haus einer solchen Größenordnung nicht aushalten“, sagt Bürgermeister Löhr öffentlich. Caritas-Chef Benstein spricht von einer „nur geringfügigen“ Vergrößerung der Bausubstanz.
Mai 2021: Die Caritas erklärt, noch sei der Untergrund nicht überall ausreichend verdichtet, das habe der Verband schon vor Jahren angemahnt. Man sei „in Abstimmung mit der Stadt Selm“.
Juni 2021: Während einer Bürgerversammlung kritisieren Borker, dass der Neubau, der - so ist es mittlerweile bekannt geworden - 52 statt 39 Pflegeplätze beherbergen soll, zu groß für Bork sei.
Juli 2021: Über eines sind sich die Teilnehmer einer Versammlung im Ortskern Borks einig: Ein Seniorenzentrum muss her. Aber wo, darüber tauschten Befürworter des geplanten Standorts am ehemaligen Marktplatz und Gegner dieser Pläne ihre Meinungen aus. Die Verwaltung soll nun einen Alternativstandort suchen.
September 2021: Der Caritasverband Lünen-Selm-Werne erhält den Zuschlag für weitere 13 stationäre Pflegeplätze. Die die Caritas bekanntlich im geplanten Seniorenheim im Borker Ortskern unterbringen möchte.
Oktober 2021: Der Selmer Rat beschließt mit knapper Mehrheit, dass ein „runder Tisch“ sich mit der Standortfrage neu beschäftigt.
November 2021: Der „runde Tisch“ aus Vertretern aller Fraktionen im Selmer Rat, Vertretern der Kirchengemeinde St. Ludger und der Caritas hat erklärt, der Standort des ehemaligen Borker Marktplatzes sei alternativlos für den Bau eines Caritas-Seniorenzentrums.

November 2022: Es gibt Streit um den Baugrund. Die Stadt hatte sich einst im Kaufvertrag verpflichtet, das Grundstück „unbebaut und baureif“ dem Caritas-Verband zu übergeben. Danach sollten die Abbruchmaterialien „ordnungsgemäß entsorgt“ sein: „Das betrifft insbesondere auch die Entsorgung kontaminierter und schadstoffhaltiger Materialien. Die Hohlräume (Kellerräume etc.) wurden verdichtet und bebauungsfähig hergestellt.“ Soweit der Vertragstext. Doch jetzt kommt raus: Auf dem Grundstück im Bereich früherer Kellerräume gibt es Bodenverunreinigungen. Darüber hinaus lasse auch „die aktuelle Verdichtung dieser Teilflächen eine Bebauung nicht zu“.
November 2022: Die Stadt räumt Fehler ein, jedoch könne die damals für das Verfüllen der Kellerräume zuständige Firma nicht mehr belangt werden, weil sie nicht mehr auf dem Markt sei. Das stellt sich später als Irrtum heraus. Knapp 230.000 Euro werde es Selm kosten, die ungeeigneten Böden auf dem Baugrundstück auszubaggern und durch nicht kontaminierte verdichtungsfähige Böden zu ersetzen. Bürgermeister Thomas Orlowski fordert nun den Rat auf, das Geld überplanmäßig aus dem Selmer Haushalt bereitzustellen. Der Rat weigert sich mehrheitlich und lässt Regressforderungen prüfen.
Dezember 2022: Der Caritasverband Selm-Lünen-Werne hat unterdessen angeboten, die Baugrundherrichtung selbst in Auftrag zu geben, wenn die Stadt Selm die Kosten übernähme.
Januar 2023: Ungeachtet der Tatsache, dass noch nicht politisch entschieden und juristisch eingeordnet ist, ob die Stadt Selm für unzureichende Baugrundherrichtung zahlen muss oder ob es Regressansprüche der Stadt gegen die damals beauftragte Baufirma und handelnde städtische Mitarbeiter gibt, hat der Caritasverband mit den Bauarbeiten für das Seniorenzentrum am Borker Marktplatz begonnen.
März 2023: Ein neues Gutachten hat laut Stadt Selm ergeben, dass die belasteten Böden auf dem Grundstück des geplanten Seniorenzentrums bleiben können und nicht abgefahren werden müssen.
Juni 2023: Eine von der Stadt Selm in Auftrag gegebene juristische Prüfung hat laut Stadtverwaltung ergeben, dass fraglich sei, ob die Stadt an den Kosten der Bodensanierung beteiligt werden kann.
August 2023: Ein halbes Jahr nach Beginn der Bauarbeiten für das neue Seniorenzentrum wird der Grundstein in einer kleinen Feier gelegt. Die Kostenfrage in Sachen Bodensanierung ist noch nicht geklärt.
Re-Live: Altenheim auf Marktplatz in Bork: Caritas legt Grundstein
Caritas-Seniorenzentrum in Bork: Grundsteinlegung halbes Jahr nach Baubeginn
Architektin zum Caritas-Seniorenzentrum in Bork: „Gebäude passt sich in die Umgebung ein“