Eine sanfte Berührung mit der Fingerspitze genügt, und schon beginnt der einst mächtige Sandsteinquader zu bröseln. Nicht die einzige Altersschwäche, die die Stiftskirche Cappenberg, eine der herausragendsten Gotteshäuser Westfalens, fast 900 Jahren nach der Grundsteinlegung zeigt. Sie bröckelt, schimmelt und verrußt. Jetzt hat das Land NRW als Eigentümerin Rettung angekündigt: ein Millionen-Euro-Paket.
Die genauen Kosten würden gerade ermittelt, sagt Benjamin Hahn, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg den RN. Dass es in die Millionen gehen wird, sei aber offensichtlich – angesichts der Liste der Arbeiten, die die Restauratoren erledigen wollen. Hahn hat sie am Donnerstag erstmals öffentlich gemacht.
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Stiftskirche Cappenberg ist in schlechtem Zustand
Es bröckelt, rußt und schimmelt in der Stiftskirche Cappenberg. Nun hat das Land NRW ein Sanierungspaket geschnürt. Das Land? Richtig. Denn die Kirche befindet sich nicht im Besitz der Kirche, sondern des Staates. Wir haben uns mal vor Ort umgeschaut.
Die Aufstellung reicht von „umfassende Außen - und Innensanierung“ über „Erneuerung der elektro- und heizungstechnischen Anlagen sowie der Akustik-und Lichtanlagen“ bis zur „restauratorischen Überarbeitung sämtlicher Ausstattungsgegenstände“ und „Restaurierung und Konservierung der Deckenmalereien“: alles Maßnahmen, die Pater Altfried Kutsch, seit 15 Jahren Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Johannes Evangelist, schon lange angemahnt hatte.
Verbündete hat er dabei in den Mitarbeitern der Denkmalbehörde in Münster. „Die Stiftskirche ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt Referatsleiterin Barbara Seifert: „Sie ist neben der Kirche in Freckenhorst in Westfalen das einzige große, in wesentlichen Teilen unverändert erhaltene romanische Kirchengebäude aus der Zeit vor der Mitte des 12. Jahrhunderts.“
Nicht nur ihre Ursprünge – der Heilige Gottfried von Cappenberg verschenkte einst Burg und Besitz, um dort das erste Prämonstratenserkloster im deutschsprachigen Raum zu gründen – lassen sich an der Kirche ablesen. Auf ein vergleichsweise junges, weniger heiliges Kapitel – den Protest gegen die Nordwanderung des Bergbaus Ende der 1980er-Jahre – weisen dagegen Metallanker im Mauerwerk und Streben unter dem Dach hin: „Vorsorgliche Sicherungsmaßnahmen gegen Bergsenkungen“, so Seifert. Zeitgleich seien damals Sanierungsarbeiten in der Kirche erfolgt – bis heute die letzten.
Zum Kohleabbau unter der Kirche ist es nie gekommen. Mit den Folgen von Energienutzung hat die Kirche inzwischen unerwartet dennoch zu kämpfen. Darauf weist der letzte Punkt auf der Sanierungsliste des Landes hin: „Beseitigung von Schimmel an der Orgel.“
Klimawandel Schuld am Schimmel?
„Vor etwa einem Jahr ist es beim Stimmen aufgefallen“, sagt Pater Altfried Kutsch. Zwischen den Pfeifen der barocken Vorenweg-Orgel – eines der ältesten Instrumente weit und breit, das Musikfreunde der ganzen Region anlockt – habe sich Schimmel breit gemacht. Die weißen, müffelnden Verfärbungen auf dunklem Holz finden sich auch im Innern der erst zwölf Jahre alten Orgel im Chorraum. „Und hier“, sagt der Pfarrer, und zeigt auf einen Regalboden aus dem Unterbau des 500 Jahre alten Chorgestühls, das als schönstes in ganz Westfalen gilt.
„Schimmel in Kirchen stellen wir in jüngster Zeit immer häufiger fest“, Christian Steinmeier, Experte für Orgeldenkmalpflege beim Landschaftsverband Westfalen Lippe. Seine Theorie: Nicht nur moderne Heizungen und fehlerhafte Lüftung seien Schuld „sondern auch der Klimawandel.“