Das Stadtfest Selm hat auch 2024 viele Menschen angezogen. Die Stadt Selm hat noch keinen beschlossenen Haushalt für 2024. Zwei Sätze, die unabhängig voneinander gelesen werden können. Können, aber nicht müssen. Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Selm hatte schon vor dem Stadtfest in zwei Schreiben an Selms Bürgermeister Thomas Orlowski Fragen zu Verträgen gestellt, die für das Stadtfest geschlossen worden sind. Den Fragenkatalog hat die CDU-Fraktion der Redaktion zur Verfügung gestellt. Fraktionsgeschäftsführer Jan-Niklas Möller fasst die CDU-Fragen an Orlowski so zusammen: „Inhaltlich geht es um die Frage, ob der Bürgermeister die für das Stadtfest notwendigen Verträge auch ohne einen beschlossenen Haushalt abschließen durfte. Im Zustand der sogenannten ,vorläufigen Haushaltsführung‘ dürfen nämlich grundsätzlich nur unaufschiebbare Verpflichtungen eingegangen werden.“
Welche Verträge hat die Stadt Selm zur Durchführung des Stadtfestes abgeschlossen? Wann wurden die jeweiligen Verträge geschlossen und wie hoch sind die jeweiligen finanziellen Verpflichtungen? Ist der Abschluss der Verträge – soweit er im Einzelfall im Jahr 2024 erfolgte – mit der vorläufigen Haushaltsführung gemäß Paragraf 82 der Gemeindeordnung NRW vereinbar? Wenn ja, wie lässt sich die Unaufschiebbarkeit und Notwendigkeit der zugrundeliegenden Aufgaben begründen?
Das sind die Detailfragen der CDU an den Bürgermeister. Und weiter fragt die CDU-Fraktion ihn: Wie hoch sind die (...) finanziellen Verpflichtungen für die Stadt Selm jeweils? Wie ist der verwaltungsinterne Prozess zur Beurteilung und abschließenden Entscheidung über die Frage, ob eine Verpflichtung im Einzelfall unaufschiebbar ist, ausgestaltet? An welcher Stelle ist der Bürgermeister in diesen Prozess eingebunden?

Die Fraktion erklärt auch, dass sie, falls der Bürgermeister Fragen nicht beantwortet, Akteneinsicht in geschlossene Verträge beantragen werde.
Auf Anfrage der Ruhr Nachrichten am 11. Juni - zwei Tage nach dem Stadtfest - zu den CDU-Fragen erklärt Stadtsprecher Malte Woesmann am Freitag, 5. Juli, der Bürgermeister werde der CDU-Fraktion ihre Fragen beantworten. Wo das aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gehe, wäre eine Akteneinsicht möglich. Soweit die internen Klärungen zwischen CDU-Fraktion und Stadtspitze. Infos zu den Vertragsdetails erhält die Redaktion von der Stadt nicht.
Aber wie erfährt die Öffentlichkeit, wie hoch die von der CDU genannten finanziellen Verpflichtungen zur Durchführung des Stadtfestes sind? Diese Frage haben wir Malte Woesmann gestellt. Antwort: „Der Bürgermeister hat bereits im vergangenen Jahr öffentlich betont, dass der Zuschuss zum Stadtfest nach Vorlage aller Ein- und Ausgaben bei circa 50.000 bis 60.000 Euro liegt. Nach den ersten Abrechnungen für dieses Jahr scheint es möglich, dieses Defizit in diesem Jahr deutlich zu verringern. Das angesetzte Budget für das Stadtfest lag, wie in den vergangenen Jahren, bei circa 200.000 Euro. Diese Zahlen sind der Politik auch mehrfach mitgeteilt worden.“
Weiter haben wir gefragt, wie die Antwort des Bürgermeisters auf die CDU-Fragen „Wie ist der verwaltungsinterne Prozess zur Beurteilung und abschließenden Entscheidung über die Frage, ob eine Verpflichtung im Einzelfall unaufschiebbar ist, ausgestaltet? An welcher Stelle sind Sie als Bürgermeister in diesen Prozess eingebunden?“ lautet. Die Erklärung aus dem Amtshaus liest sich so: „Für die Beurteilung, ob eine Leistung / Verpflichtung unaufschiebbar ist, sind die Produktverantwortlichen verantwortlich. Die Kämmerei steht dort für Rückfragen und Beratungen zur Seite. Die Beteiligung des Bürgermeisters bei der Planung zum Stadtfest ist nur mittelbar. Vorschläge zum Programm werden in gemeinsamer Runde besprochen und abgestimmt. Die Planung, Buchung und Abwicklung obliegt jedoch der Stabsstelle Stadtmarketing, die dem Bürgermeister unterstellt ist.“

Fraktion über alles informiert
Die Anfragen der CDU-Fraktion haben offenbar bei der Stadtspitze Überraschung ausgelöst. Stadtsprecher Woesmann erklärt nämlich: „Es bleibt (...) festzuhalten, dass Bürgermeister Thomas Orlowski erstmalig in der Sitzung des Haupt-, Finanz- und Digitalisierungssauschusses im September 2023 über die anstehenden Planungen für das Stadtfest 2024 berichtet hat. Er hatte die Politik darüber informiert, dass mit dem Hauptact (Lorenz Büffel, Anm. d. Red.) umgehend ein Vertrag geschlossen werden müsste, um diesen für das Stadtfest 2024 zu verpflichten. Eine Verpflichtung zu einem späteren Zeitpunkt war laut Management des Künstlers nicht möglich. Der Name des Künstlers wurde bei der Sitzung nicht genannt, aber dass es ein namhafter Künstler ist.“
Gegen das Vorgehen habe es seitens der Politik keine Bedenken oder Gegenstimmen gegeben, sagt Woesmann. „Auch in den Haushaltsberatungen waren die geplanten Festivitäten der Stadt Thema. Gegenstimmen gegen die Ausrichtung des Stadtfestes oder Rückfragen zu der Finanzierung gab es auch hier nicht. Im Zuge der Beratungen und unter Berücksichtigung der geforderten 20-prozentigen Einsparungen in den Bereichen wurde mit der Politik vereinbart, den Glitzerwald zu streichen, aber die anderen Festivitäten wie gewohnt beziehungsweise mit verringertem finanziellen Aufwand durchzuführen. Daher überraschen die mehrfachen öffentlichen Nachfragen der CDU-Fraktion, die auch immer gleichzeitig an die Presse gesandt werden, die Stadtverwaltung doch sehr, da die Fraktion über sämtliche Vorgänge informiert gewesen ist.“