Geflüchteter kritisiert Zustände in Borker Zeltstadt „Werden schlechter als Tiere behandelt“

Bewohner kritisieren Zustände in Zeltstadt: „Schlechter als Tiere“
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Viel wurde in den letzten Wochen über die Bewohner der Zeltstadt am Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP) in Bork und das Verhalten der Flüchtlinge diskutiert, die dort untergebracht sind. Über das Leben in der Flüchtlingsunterkunft war bislang aber vergleichsweise wenig bekannt.

Doch jetzt haben Menschen, die in den Zelten leben, unter dem Facebook-Account „Selm Camp“ mehrere Bilder aus der Unterkunft gepostet, die Fragen aufwerfen. Sie zeigen unter anderem Müll auf der Anlage, verdreckte Toiletten und Duschen, aber auch Drogenkonsum in der Zeltstadt. Offensichtlich wird: Ein Ort, an dem man gerne seine Zeit verbringt, sieht anders aus. Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg, bestätigt auf Anfrage: „Es handelt sich offensichtlich um Bilder aus der Unterkunft. Wann genau die Fotos gemacht worden sind, entzieht sich unserer Kenntnis.“

Die Körperreinigung kann in der Zeltstadt zum Problem werden.
Die Körperreinigung kann in der Zeltstadt zum Problem werden. © privat
So sieht der Duschbereich in der Unterkunft aus.
So sieht der Duschbereich in der Unterkunft aus. © privat

Mehrere Krankheitsfälle

Im Gespräch mit dieser Redaktion äußert sich ein Bewohner, der seit mehreren Monaten in Bork darauf wartet, wie es mit seinem Asylantrag weitergeht, zu der prekären Wohnsituation. Der Syrer, der aus Sorge vor möglichen Konsequenzen seinen Namen nicht öffentlich nennen möchte (dieser ist der Redaktion bekannt), war zuvor bereits in einer Aufnahmeeinrichtung in einem anderen europäischen Land untergebracht. „Das kann man aber überhaupt nicht vergleichen. Dort war es wie im Himmel, hier ist es wie in der Hölle“, macht der Bewohner deutlich. Die rund 700 Bewohner der Zeltstadt sind seinen Angaben nach in insgesamt 13 Zelten untergebracht, in einem weiteren wird die Kleidung gereinigt. „Bei 60 bis 65 Leuten im Zelt kann man vor ein, zwei Uhr nicht schlafen. Gerade im Winter war das ein noch größeres Problem“, schildert der Mann. Dafür sei es derzeit im Zelt nachts deutlich zu heiß, mehrere Bewohner würden samt Matratze nach draußen umziehen.

Dazu komme die Belästigung durch Mücken, Fliegen und auch Bettwanzen, die durch die offene Tür in die Zelte eindringen. Problematisch werde das bei Milben, die die ansteckende Hautkrankheit Krätze verbreiten. „Wir haben ungefähr jede Woche einen Fall. Ich war selbst betroffen“, schildert der syrische Flüchtling. Das Kreisgesundheitsamt stellt auf Nachfrage keine vermehrten Fälle von Krätze fest.

„In Gemeinschaftseinrichtungen mit vielen Menschen treten immer mal wieder Symptome auf, die dann durch einen Arzt untersucht werden müssen. Eine grundsätzliche Meldepflicht für Krätze besteht nicht. Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen müssen das Gesundheitsamt aber benachrichtigen, wenn ein Verdacht besteht oder ein Fall bekannt wird“, erklärt ein Sprecher. Allerdings werden die Fälle von keiner Software erfasst, sodass es keine valide Datenbasis zur Anzahl gibt.

Unter anderem wegen dieser mangelnden Hygienevorkehrungen hätten sich die Bewohner mehrfach an den Dienstleister European Homecare, der die Unterkunft betreibt, sowie eine Mitarbeiterin der Bezirksregierung vor Ort gewendet. „Sie sagen immer, dass sie ihr Bestes geben, aber sie behandeln uns schlechter als Tiere“, zeigt sich der Bewohner im Gespräch ernüchtert.

Einige übernachten lieber vor dem Zelt, weil es drinnen im Sommer zu heiß wird.
Einige übernachten lieber vor dem Zelt, weil es drinnen im Sommer zu heiß wird. © privat

Beschwerden bestätigt

Der Sprecher der Bezirksregierung erklärt dazu: „Beschwerden über Sanitärbereiche liegen bzw. lagen vor. Zudem wurden in den letzten Tagen Ameisen gemeldet. Ameisenfallen werden daher aufgestellt. Viele Beschwerden sind auf die Beschaffenheit als temporäre Notunterkunft mit Leichtbauhallen und Containern zurückzuführen. Geringere Standards gegenüber einer Einrichtung mit festen Gebäuden sind daher leider nicht völlig zu vermeiden.“

Aufgrund von Beschwerden einzelner Bewohner habe der Betreuungsdienst im Rahmen der Taschengeldauszahlung alle anwesenden Bewohner der Einrichtung explizit und eindringlich darauf hingewiesen, in welchem Zustand Duschen und Toiletten nach der Benutzung zu hinterlassen sind. Außerdem sei eine Aufstockung des vorhandenen Reinigungspersonals durch den Betreuungsverband mit der eingesetzten externen Reinigungsfirma vereinbart worden. Seit einigen Wochen sei zudem ein Schädlingsbekämpfer dauerhaft in der Einrichtung tätig.

Neben den Zuständen im Dusch- und Toilettenbereich (Kommentar des Flüchtlings: „sehr schlecht“) ist auch die Ausstattung mit Hygieneartikeln aus Sicht der Bewohner völlig unzureichend. „Sie gaben uns bei der Ankunft eine Zahnbürste, Zahnpasta, eine kleine Packung Shampoo, etwas Seife und ein Handtuch“, schildert er. Eigentlich hätten die Verantwortlichen gesagt, dass es jede Woche ein solches Set gebe. Doch nach einer Woche habe man ihnen gesagt, dass sie das von ihrem Taschengeld von 42,89 Euro selbst finanzieren müssten.

Ein Blick auf eine Mahlzeit: Das Brot ist aus Sicht eines Bewohners nicht frisch.
Ein Blick auf eine Mahlzeit: Das Brot ist aus Sicht eines Bewohners nicht frisch. © privat

Bewohner wollen sich äußern

Auch das Essen sei alles andere als schmackhaft. „Es gibt zum Beispiel kein frisches Brot. Ein weiteres Problem: Das Abendessen endet um 19 Uhr und wir dürfen nichts mitnehmen. Weil im Sommer niemand früh schläft, sind wir wieder hungrig“, macht der Flüchtling deutlich. Bei der Wäsche sage er mittlerweile schon vorsorglich, dass er krank sei. Der Grund: Nur dann werde die Kleidung bei einer ausreichend hohen Temperatur gewaschen und überhaupt sauber. Sonst müsse man in verdreckter Kleidung weiterleben.

Grundsätzlich gebe es ein Hygienekonzept, betont der Sprecher der Bezirksregierung. Werktags ist zudem eine Sanitätsstation ganztägig mit medizinischem Fachpersonal besetzt, bei dem sich Bewohner bei Bedarf vorstellen können. „Das Außengelände der Notunterkunft wird regelmäßig gesäubert – u. a. von Bewohnern im Rahmen gemeinnütziger Arbeit unter Aufsicht von Mitarbeitenden des Betreuungsdienstleisters“, stellt der Sprecher der Bezirksregierung klar. Für die Sauberkeit in den Zimmern sind die Bewohner selbst zuständig. Man stelle ihnen dafür Materialien und Putzmittel zur Verfügung. Eines der Bilder aus der Unterkunft deutet auf Drogenkonsum in einem der Zelte hin. Dazu erklärt Christoph Söbbeler: „Wenn ein Verdacht auf Drogenkonsum bei einem Bewohner besteht und sich dies im Rahmen einer durchgeführten Zimmerkontrolle bestätigt, wird in einem solchen Fall sofort die örtliche Polizei hinzugezogen, die ggf. weitere Maßnahmen veranlasst.“

Wenn der Syrer Freunden in der Heimat erzählt, dass er in Deutschland lebe, würden ihn diese beglückwünschen. „Wenn ich ihnen erzähle, wie schlimm es hier ist, können sie es nicht glauben“, schüttelt er den Kopf. Bei der Versammlung mit Landrat und Bürgermeister am Dienstag (27. Juni) wollen er und mehrere weitere Bewohner ihre Lage schildern, in der Hoffnung, dass sich vielleicht doch einmal etwas ändert.

Dieses Bild deutet auf Drogenkonsum in der Einrichtung hin.
Dieses Bild deutet auf Drogenkonsum in der Einrichtung hin. © privat

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