Antrag für bezahlbare Wohnungen in Selm Cappenberger Villen sorgen für Änderung der Pläne

Antrag für bezahlbare Wohnungen: Cappenberger Villen sorgen für Änderung
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Die Mieten steigen – und werden für immer mehr Selmerinnen und Selmer zu einer großen finanziellen Belastung. Im Städtebau-Ausschuss wurde deshalb am Donnerstag (1.12.) erneut über einen Antrag der SPD zur Einführung einer städtischen Quote für öffentlich geförderten Wohnungsbau diskutiert.

Die Sozialdemokraten bekräftigten erneut ihre Forderung: „Bei der Ausweisung von neuen Baugebieten, die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen begründen, sollte ein Anteil von mindestens 20 Prozent der neu zu schaffenden Wohneinheiten im Geschosswohnungsbau für den öffentlich geförderten Mietwohnungsbau gesichert werden, wenn das Baugebiet mindestens 12 Geschosswohnungen umfasst.“

SDP-Fraktionschef Jürgen Walter begründete den Antrag seiner Partei: „Der öffentlich geförderte Wohnungsbau muss wieder ein wichtiges Anliegen in der Stadt werden.“ Die Statistik zeige den immer größeren Mangel an bezahlbaren Wohnungen.

Anteil von 3,7 Prozent

Von den etwa 12.600 Wohneinheiten in Selm befinden sich aktuell lediglich circa 470 Einheiten in der Mietpreisbindung, was einem Anteil von etwa 3,7 Prozent entspricht. Damit gehört Selm zu den Schlusslichtern im Kreis Unna. „Dieses Missverhältnis an öffentlich gefördertem Wohnraum darf nicht allein dem Markt überlassen werden“, so Walter.

Weil bei der Diskussion im September im Rat noch viele Fragen zu dem Thema Wohnbauförderung ungeklärt blieben, einigten sich die Ratsvertreter darauf, für die Debatte im Fachausschuss einen Experten in diesem Bereich zu laden. Der wurde in Werner Neumann, ehemaliger Fachbereichsleiter Wohnen der Stadt Unna, gefunden.

Neumann zeigte die Herausforderungen des Wohnungsmarktes auf: Es fehle an kleinen Wohnungen, weil die für Investoren in der Vergangenheit wenig lukrativ waren. Zudem würden dringend Wohnungen für Seniorenhaushalte benötigt.

Durch auslaufende Bindungen der öffentlich geförderten Mietwohnungen geht die Anzahl dieser Wohnformen in Selm immer weiter zurück – auch, weil die geringe Zahl neu gebauter und geförderter Wohnungen das nicht kompensieren kann. Spätestens 30 Jahre nach Bau unterliegen öffentlich geförderte Wohnungen nicht mehr der Mietpreisbindung.

Änderung des Antrages

Es folgten Beispiele, welche Berufsgruppen aufgrund ihres durchschnittlichen Einkommens einen Anspruch auf geförderte Wohnungen haben – oder nur etwas mehr verdienen, um anspruchsberechtigt zu sein. Es wurde klar: Geförderter Wohnungsbau betrifft längst nicht nur Sozialhilfeempfänger.

Bei der Notwendigkeit zur Einführung einer Quote für geförderten Wohnungsbau waren sich die Fraktionen einig. Auch bei dem Anteil von 20 Prozent sollte es bleiben. Bei einem Detail gab es allerdings noch Diskussionsbedarf – mit dem Ergebnis: Von den „mindestens“ zwölf Wohnungen ist nun im SPD-Antrag keine Rede mehr.

Auf Bitte der FDP stimmte Fraktionschef Jürgen Walter in Absprache mit den anderen Fraktionsvorsitzenden einer Änderung seines Antrags zu, wonach die verpflichtende öffentliche Förderung erst bei „mehr als“ zwölf Wohnungen greift.

Neubau in Cappenberg

Hintergrund war die geplante Baumaßnahme am Cappenberger Wald, wo hinter den alten Villen zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt zwölf Wohnungen entstehen sollen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Klaus Schmidtmann habe die Befürchtung gehabt, dass der Beschluss auch auf dieses Vorhaben hätte angewendet werden können, verriet er später im Gespräch mit der Redaktion. Er habe dadurch die Gefahr gesehen, dass der Investor durch eine Verpflichtung zum geförderten Wohnungsbau hätte verschreckt werden können – und somit der Erhalt der über 100 Jahre alten Villen möglicherweise wieder auf der Kippe gestanden hätte.

Jürgen Walter sieht die Änderung des Antrags in diesem Fall im Gespräch mit der Redaktion als nicht wesentlich an, weshalb er dem Vorgehen zugestimmt habe. Auf das Ergebnis beim geförderten Wohnungsbau nehme das keinen Einfluss, ist Walter überzeugt. Vielmehr zeigt er sich erfreut, dass der SPD-Antrag nun mehrheitsfähig ist. „Ich freue mich riesig, dass alle Fraktionen dem Antrag zugestimmt haben.“

Die Diskusson um die Wohnungsbauquote schloss auch die alten Cappenberger Villen ein.
Die Diskusson um die Wohnungsbauquote schloss auch die alten Cappenberger Villen ein. © Günther Goldstein

Politischer Wille zählt

Dass die Cappenberger Villen durch den Antrag hätten gefährdet werden können, sieht Walter nicht. Zwar würde die Wohnungsbau-Quote künftig in den Bebauungsplänen oder Kaufverträgen festgelegt werden. In begründeten Einzelfällen könnten die politischen Gremien jedoch abweichende Regelungen treffen. „Der politische Wille ist ausschlaggebend“, so Jürgen Walter.

Unabhängig davon sähe FDP-Mann Klaus Schmidtmann geförderte Wohnungen hinter den Villen kritisch: „Ich will Cappenberg nicht zum Zentrum der Reichen machen, aber das passt da nicht hin.“ Kleinere Bauvorhaben wolle er darüber hinaus grundsätzlich nicht mit dem „Zwang einer öffentlichen Förderung“ belegen, da die Stadt so unattraktiv für Investoren werden könne.

„Nicht am Tegernsee“

Dass der Bedarf von bezahlbaren Mietwohnungen in Selm besteht, sieht aber auch die FDP. „Wir sind hier am Ternscher See – nicht am Tegernsee“, so Schmidtmann.

Gut vorstellbar wäre für ihn die Umsetzung der 20-Prozent-Quote im Baugebiet am Hüttenbachweg. Dort sollen mehrere Hundert Wohnungen entstehen. Auch die SPD spricht sich in ihrem Antrag für eine Prüfung einer möglichen Wohnraumförderung am Hüttenbachweg aus.

Noch kann die Stadtverwaltung die Wohnbauförderquote allerdings nicht umsetzen. Die endgültige Entscheidung soll der Rat in seiner Sitzung am 15. Dezember treffen.

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