Die Politikerinnen und Politiker aus Selm treffen sich derzeit häufiger als normal. Das hat mit dem Thema zu tun, das die Stadt derzeit beschäftigt: der Ärger um den belasteten Baugrund für das Caritas-Altenheim in Bork und die Aufforderung der Stadtverwaltung, umgehend Mittel für die Sanierung zur Verfügung zu stellen, immerhin fast 230.000 Euro - Geld, das die hoch verschuldete Stadt Selm nicht hat. In einer eilig einberufenen Sondersitzung am Donnerstag (1.12.) sollte der Haupt- und Finanzausschuss der Ausgabe zustimmen, nachdem der Rat das zwei Wochen zuvor nicht getan hatte. Dazu kam es nicht. Stattdessen gab es eine überraschende neue Erkenntnis der Stadtverwaltung.
Doch nicht insolvent
„Das beauftragte Bauunternehmen ist nicht mehr am Markt.“ Das hatte Baudezernent Stefan Schwager mit dem Ausdruck des Bedauerns noch zwei Wochen zuvor dem Stadtrat mitgeteilt. Das Unternehmen, das 2018 den ursprünglich städtischen Baugrund nicht vertragsgemäß hergerichtet hatte, als er an die Caritas überging, sei inzwischen insolvent und damit nicht mehr zu belangen. Genauso wenig wie die anderen handelnden Personen, die für das Baugrund-Debakel verantwortlich zu machen wären. „Die beteiligten Mitarbeiter sind nicht mehr für die Stadt Selm tätig“, so Schwager damals. Am Donnerstag (1.12.) musste er sich korrigieren: eine 180-Grad-Wende.
„Wir haben aber festgestellt, dass das Unternehmen doch nicht insolvent ist.“ Es sei vielmehr weiter existent. „Und ich habe mit dem Geschäftsführer bereits telefoniert und ihm gesagt, dass er schon einmal seine Betriebshaftpflicht informieren kann.“ Dass die Arbeiten damals nicht ordnungsgemäß erfolgt waren, habe die Stadt bereits zweimal gerügt. Wie schief die Sache tatsächlich gegangen war - Hohlräume im Keller sollen durch Bauschutt nicht ordnungsgemäß verfüllt worden sein - hatte erst ein Gutachten von Herbst dieses Jahres gezeigt. Politik und Verwaltung zogen aus dieser Information aber unterschiedliche Erkenntnisse.
Wird Firma selbst nachbessern?
„Das ist eine gute Nachricht“, meinte Michael Zolda (CDU). Das Bauunternehmen habe jetzt die Möglichkeit nachzubessern und die Fläche auf eigene Kosten zu sanieren. Bürgermeister Thomas Orlowski (SPD) bremste die sich ausbreitende Zuversicht. „Mit Nachbesserungen ist das nicht immer so einfach“, sagte er. Und mitunter werde es langwierig: Zeit, die Selm nicht habe. „Die Caritas will anfangen zu bauen.“ Um die geplante Baumaßnahme nicht zu gefährden, empfahl der Bürgermeister, die außerplanmäßige Ausgabe für die Bodensanierung zu beschließen. Durch den Ablauf von Bindefristen bei den Vergaben sei mit Mehrkosten zu rechnen.
Um mögliche Regressansprüche zu prüfen, habe die Stadt einen Fachanwalt eingeschaltet, sagte Orlowski. Es gehe unter anderem um Schadensersatzansprüche gegen einstige Mitarbeiter der Liegenschaftsabteilung und gegenüber dem Architekten, aber auch gegen die Baufirma. Juristischen Beistand hat sich inzwischen auch die Caritas gesucht. Das hat der Geschäftsführer des Verbandes, Hans-Peter Benstein, dem Bürgermeister schriftlich gegeben, zwei Tage vor der Ausschusssitzung.

Er wolle noch einmal die Haltung der Caritas präzisieren, war in Bensteins Brief zu hören, den Orlowski verlas. „Wir hatten angeboten, die erforderlichen Maßnahmen selbst in Auftrag zu geben“, sofern die Stadt Selm ihre Kosten übernähme. „Vorsorglich teile ich ihnen nun mit, dass der Caritasverband keinesfalls auf seinen Rechtsanspruch auf die Herstellung der Bebaubarkeit des Grundstücks durch die Stadt Selm verzichten will.“ Im Fall, dass die Stadt nicht die Kosten trage, werde er rechtliche Schritte einleiten und auch Kosten für den Mehraufwand einklagen wollen, der durch die Verzögerung entstehe. Die Baugenehmigung liegt inzwischen vor.
Der Ausschuss ging auseinander, ohne abzustimmen. Auch, weil nur der Rat einen solchen Eilantrag fassen dürfe, wie Claudia Mors (CDU) meinte. Beim nächste Mal steht das Baugrund-Debakel am 15. Dezember auf der Tagesordnung, wenn der Stadtrat tagt.
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