Lisa Sandmann suchte am Sonntagnachmittag nach den richtigen Worten. „Begeistert“ reichte nicht aus. „Überwältigt“, passte schon besser. Schließlich hatte sie es: „Das waren wunderbare Gänsehautmomente für uns“, sagte das Vorstandsmitglied der Selmer Werbegemeinschaft. „Ich hoffe, nicht nur für uns.“ Als Antwort applaudieren die Menschen vor der Friedenskirche.
Dieser Adventsmarkt 2022 begeisterte: sowohl die Gewerbetreibenden, die wie Lisa Sandmann am ersten Adventssonntag ihre Geschäfte geöffnet haben, als auch die Vertreterinnen und Vertreter der Vereine und Verbände, die mit rund 50 Ständen die Selmer Altstadt für drei Tage in ein Weihnachtsdorf verwandelt haben. Und vor allem sprach das Event die Besucherinnen und Besucher an, die zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie wieder ohne Einschränkungen vor Weihnachten bummeln gehen konnten. Und dazu in Scharen kamen.
Nicht nur Selm verzeichnete am ersten Adventswochenende einen Riesenandrang. Das Erlebnispaket aus „Bummeln, Glühwein trinken und die ersten Weihnachtsgeschenke besorgen“ kam landesweit gut an. Ob Dortmund, Düsseldorf oder Köln: In den Innenstädten seien deutlich mehr Menschen unterwegs als sonst, meldeten laut der deutschen Presseagentur die Polizeisprecher landauf, landab. Voll und friedlich sei es. Das galt auch für Selm. Laut Kreispolizeibehörde Unna mischte sich in die Vorfreude aufs Weihnachtsfest keine Missstimmung.
Stadtwette hat Tradition
Dass man sich auch als Verlierer nicht ärgern muss, zeigte sich bei der traditionellen Stadtwette. Seit mehr als zehn Jahren treten am Adventsmarkt-Sonntag in Selm Bürgermeister und Pfarrer gegeneinander an: eine Art Mischung aus Thomas Gottschalks „Wetten dass ...“ und dem 70 Jahre alten Filmklassiker Don Camillo und Peppone. Dabei geht es in Selm stets um den guten Zweck: dieses Mal um eine Spende für die Menschen aus der Ukraine, die in Selm Zuflucht gefunden haben. Wer schafft es, am Sonntagnachmittag, mehr Kerzen in Sternform für den guten Zweck zu verkaufen: Bürgermeister Thomas Orlowski oder der katholischen Pfarrer Claus Themann? „Achtung, fertig, los“, rief Manfred Breyer, der ehemalige Sprecher der Werbegemeinschaft, um Punkt 15 Uhr. Um 15.30 Uhr stand der Gewinner fest.
Beiden, Bürgermeister wie Pfarrer, war es gelungen, alle Kerzen an den Mann und die Frau zu bekommen. Der Kassensturz beim Bürgermeister ergab 158 Euro. „Die Großzügigkeit ist wirklich bemerkenswert“, sagte Orlowski und verwies darauf, dass viele statt mit Münzen mit Scheinen bezahlt haben. Das war auch bei Themann der Fall - nur dass es mehr Scheine waren. 278 Euro hat er gesammelt. Damit hatte der Bürgermeister verloren und musste die Wettschulden in Höhe von 100 Euro zahlen. Die gleiche Summe legte Themann dann auch noch oben drauf.

Trotz der aktuellen Krisen und den Rekordpreisen für Energie kamen die Gäste in Scharen insbesondere am Samstag, als sich - anders als am novembergrauen und nieselregennassen Sonntag - das Herbstwetter von seiner schönsten Seite zeigte. Ob Gyros von den Pfadfindern, Eierpunsch von den Selmer Landfrauen, Holzdeko vom Hospizverein oder frisch geräucherter Fisch vom Angelverein: Die Menschen kauften ein und ließen es sich schmecken - vor allem ein Produkt, das in Selm so günstig zu bekommen war wie fast nirgendwo sonst: der Glühwein.
Wilfried Reckers, der den zentralen Glühweinstand auf dem Platz vor der Friedenskirche betrieb, bot die Tasse zu 3 Euro an. Das ist trotz Inflation das Preisniveau der Vorjahre - genauso wie in Dortmund. Anders als dort brauchte aber niemand mehr zu zahlen, der das Getränk mit Schuss bestellte.

Lisa Sandmann vom Geschäft „Spielen und träumen“ konnte sich an den Menschenmassen in der Altstadt kaum sattsehen. „So kann es jetzt gerne weitergehen“, sagte sie mit einem Lachen. Nach zwei Jahren, in denen der Einzelhandel auch in Selm extrem unter Corona gelitten habe, „hoffen wir jetzt alle, dass es wieder aufwärts geht“, hatte Volker Brüning, Vorsitzender der Werbegemeinschaft, am Freitagabend zu Beginn des Adventsmarktes, gesagt: eine Hoffnung, der das erste Adventswochenende zumindest gerecht wurde.



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