Werner Sell hat in der Ratssitzung am 15. September den Vorwurf geäußert, dass die Stadt Selm einen Ratsbeschluss missachtet habe. Dazu hat die Stadt Selm jetzt Stellung genommen.

Werner Sell hat in der Ratssitzung am 15. September den Vorwurf geäußert, dass die Stadt Selm einen Ratsbeschluss missachtet habe. Dazu hat die Stadt Selm jetzt Stellung genommen. © Günther Goldstein (Archiv)

Abrechnungsaffäre: Stadt Selm reagiert auf den Vorwurf von Werner Sell

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Hat die Stadt Selm einen Ratsbeschluss missachtet? Diese Frage hat Werner Sell aufgebracht, der unter Verdacht steht, in die Abrechnungsaffäre verwickelt zu sein. Die Stadt hat jetzt reagiert.

Selm

, 20.09.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es war eigentlich eine Frage an den Bürgermeister - der implizierte Vorwurf klang aber deutlich durch, als sich Werner Sell in der Ratssitzung am 15. September erkundigte, wie genau eigentlich die Prüfung der Unterlagen in der Abrechnungsaffäre erfolgt sei. Zum Hintergrund: Dem Ratsmitglied Werner Sell wird vorgeworfen, Verdienstausfälle für sein ehrenamtliches Engagement im Rat und im Kreistag doppelt abgerechnet zu haben. Dass es diesen Verdacht gibt, hatte die Stadt Selm auf Anfrage der Redaktion Anfang September bestätigt.

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Werner Sell ist damit das dritte Mitglied des Selmer Gremiums, gegen das derartige Vorwürfe im Raum stehen - auch Marion Küpper (Grüne) und Hubert Seier (UWG) wird vorgeworfen, wegen doppelter Abrechnungen zu viel Geld für Verdienstausfälle kassiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft in Dortmund ermittelt bereits in beiden Fällen.

Ratsbeschluss missachtet?

So weit ist es bei Werner Sell noch nicht. Der Verdacht gegen ihn hat sich aus Nachprüfungen ergeben, die der Rat nach dem Bekanntwerden des Skandals beschlossen hatte. Demnach sollte die Stadt Selm das Rechnungsprüfungsamt beauftragen, alle Sitzungen der aktuellen und der vergangenen Legislaturperiode auf doppelte Abrechnungen zu überprüfen.

Werner Sell, so sagte er es in der Ratssitzung, habe die Information erhalten, dass aber nicht zuerst das Rechnungsprüfungsamt geprüft habe, sondern ein Mitarbeiter der Stadt Selm zum Kreis Unna gefahren sei, um Listen zu vergleichen. Sein Vorwurf: Der Bürgermeister oder die Verwaltung der Stadt habe einen Ratsbeschluss missachtet.

Stadt weist den Vorwurf von Sell zurück

Thomas Orlowski, Bürgermeister von Selm, reagierte im öffentlichen Teil der Sitzung noch zurückhaltend auf den Vorwurf Sells. Im Nachgang der Sitzung erklärt die Stadt Selm auf Anfrage der Redaktion aber deutlich: „Die Stadt Selm weist den Vorwurf zurück. Die Stadt Selm hat, wie im Ratsbeschluss stehend, die Selmer Unterlagen an das Rechnungsprüfungsamt weitergeleitet. Zusätzlich erfolgte der Abgleich zwischen Stadt und Kreis. Diese Unterlagen wurden ebenfalls dem Rechnungsprüfungsamt zur Verfügung gestellt“, erklärt Stadtsprecher Malte Woesmann.

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Zum Ablauf der Prüfung geht er noch mehr ins Detail. Nach den Ratsbeschlüssen vom 24. Februar und 24. März sei die Verwaltung tätig geworden und habe alle Nachweise über Aufwandsentschädigungen, Verdienstausfall, Sitzungsgelder und Fahrtkostenerstattungen für die laufende und abgelaufene Ratsperiode zur Prüfung an das Rechnungsprüfungsamt Lünen weitergeleitet, sagt er.

Zwischen Selm und Lünen gibt es eine interkommunale Zusammenarbeit in diesem Bereich: Das Rechnungsprüfungsamt Lünen kontrolliert so „seit vielen Jahren“, wie Malte Woesmann auf Nachfrage sagt, auch die Vorgänge in Selm.

Betroffene Ratsmitglieder auch Mitglieder im Kreistag

Parallel zur Weiterleitung an das Amt seien vom Ratsbüro der Stadt Selm die Sitzungszeiten der Selmer Kreistagsmitglieder beim Kreistagsbüro Unna angefordert worden, um mögliche Doppelabrechnungen überprüfen zu können, so der Stadtsprecher weiter. „Die Sitzungszeiten der Selmer Mandatsträger wurden im Übrigen auch vom Kreis Unna angefordert“, so der Stadtsprecher.

Zwischen Mai 2017 und September 2020, so hatte es die Stadtverwaltung erklärt, steht gegen Werner Sell der Verdacht möglicher Doppelabrechnungen im Raum. Er war in dieser Zeit sowohl im Selmer Stadtrat als auch im Kreistag vom Kreis Unna für die Fraktion „Die Linke“ aktiv. Zu seinem weiteren Werdegang: Bei der Kommunalwahl 2020 hatte Werner Sell für den Verein „Wir für Selm“ einen Sitz im Stadtparlament errungen. Als der Verein dann aber aufgelöst wurde, schloss er sich der SPD-Ratsfraktion an. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn hat er diese Fraktion aber Anfang September verlassen.

Weiter zum Ablauf der Prüfung: Die Stadtverwaltung hat, so erklärt es Malte Woesmann, „nach entsprechender Rücksprache am 22. Juli zwischen dem Bürgermeister der Stadt Selm und dem Landrat des Kreis Unna die Verdienstausfallanträge der gleichzeitig im Rat der Stadt Selm und Kreistag sitzenden Mandatsträger durch das Ratsbüro der Stadt Selm und dem Kreistagsbüro des Kreises Unna abgeglichen. Die Ergebnisse dieser Vorprüfung wurden ebenfalls an das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Lünen weitergeleitet.“

Stellungnahme von Sell liegt der Stadt vor

Inzwischen, so bestätigt es Malte Woesmann, liegt auch eine Stellungnahme zu den Vorwürfen von Werner Sell bei der Stadt vor. Gegenüber der Redaktion hatte Sell angekündigt, dass er diese zusammen mit seinem Rechtsanwalt fertigstellen wird. Seit Montag liegt sie der Stadt vor.

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Zum Umfang der möglicherweise doppelt abgerechneten Stunden hat sich die Stadt noch nicht geäußert - mit Verweis darauf, dass die Anhörung noch laufe. Eine öffentliche Stellungnahme von Werner Sell zu dem Thema hat es bisher noch nicht gegeben. In der ersten Sitzung des Rates nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte er nur das Wort ergriffen, um seine Frage zu adressieren. Und um zu sagen, dass es für ihn ein Unterschied sei, ob ein Mitarbeiter der Stadt Selm Listen vergleiche oder ob das Rechnungsprüfungsamt das tue.

Auch in diesem Punkt widerspricht die Stadt übrigens. Es sei wichtig, „dass überhaupt die Prüfung von möglichen Doppelabrechnungen vorgenommen wurde und nicht vom wem.“