
Werner Sell hat sich in der Ratssitzung zu Wort gemeldet. Gegen ihn stehen in Zusammenhang mit der Abrechnungsaffäre Vorwürfe im Raum. © Tobias Weckenbrock (Achiv)
Abrechnungsaffäre: Erste Ratssitzung nach Vorwürfen gegen Werner Sell
Werner Sell
Wird Werner Sell Stellung beziehen zu den Vorwürfen, die gegen ihn im Raum stehen? Die Ratssitzung in Selm war mit Spannung erwartet worden. Sell überraschte aber vor allem mit einer Frage.
Dass er die Hand hebt, ist keine Überraschung. In der letzten Sitzung des Selmer Stadtrates am Donnerstag (15. September) hat sich Werner Sell zu Wort gemeldet. Gegen den Ratsherrn stehen Vorwürfe im Raum: Er soll Verdienstausfälle für Fraktionssitzungen doppelt abgerechnet haben - und so mutmaßlich sein Einkommen durch das Ehrenamt Kommunalpolitik aufgebessert haben. Dass es diesen Verdacht gibt, hatte die Stadt Selm Anfang September auf Anfrage der Redaktion bestätigt.
Wer in der öffentlichen Ratssitzung ein Statement von Werner Sell zu den Vorwürfen erwartet hat, wird enttäuscht. Er sagt nur, dass er sich mittlerweile die Akten vom Kreis Unna besorgt habe. 534 Sitzungen wurden geprüft. „Es sind Differenzen drin. In Ihrer und in unserer Auffassung. Das müssen wir besprechen“, sagt Werner Sell in Richtung des Bürgermeisters Thomas Orlowski. An ihn hat er auch noch eine Frage - der eigentliche Grund für seine Wortmeldung in der Ratssitzung.
Drittes Ratsmitglied, gegen das Vorwürfe im Raum stehen
Ob es richtig sei, dass nicht das Rechnungsprüfungsamt die Akten geprüft habe, sondern - so sei die Information von Werner Sell -, dass ein Mitarbeiter der Stadt zum Kreis gefahren sei und dort die Listen verglichen habe? Aus dem Stegreif kann Thomas Orlowski darauf nicht konkret antworten. „Wir haben ja den Auftrag des Rates erhalten, die entsprechenden Prüfungen vorzunehmen. Wie jetzt die einzelnen Prüfungsschritte waren, das weiß ich nicht genau“, sagt er. Im Protokoll der Sitzung werde man die Frage beantworten, kündigt der Bürgermeister an.
Um den von ihm angesprochenen Ratsbeschluss geht es auch Werner Sell, wie im weiteren Verlauf der Sitzung klar wird. Schon mehrfach hat sich der Rat der Stadt Selm mit der Abrechnungsaffäre auseinandergesetzt: Werner Sell ist das dritte Mitglied des Gremiums, gegen das Vorwürfe im Raum stehen. Auch Dr. Hubert Seier (UWG) und Marion Küpper (Grüne) wird vorgeworfen, Verdienstausfälle nicht korrekt abgerechnet zu haben. Um alles bis ins Letzte aufzuklären, hatte der Selmer Rat im März Folgendes beschlossen: „Das Rechnungsprüfungsamt wird beauftragt, die Abrechnung von Verdienstausfällen durch Mitglieder der Vertretungskörperschaft und ihrer Ausschüsse auf Auffälligkeiten zu überprüfen.“
Nicht länger Mitglied der SPD-Fraktion im Rat
Auf den Beschluss nimmt Werner Sell Bezug, wenn er sich wundert, dass ein Mitarbeiter der Stadt Selm die Listen des Kreises Unna verglichen habe - und eben nicht das von der Stadt unabhängige Rechnungsprüfungsamt. Das mache einen Unterschied und sei, so sein Vorwurf an die Verwaltung, eine Missachtung des Ratsbeschlusses.
Wie die Prüfung tatsächlich abgelaufen ist, bleibt auch nach der Ratssitzung zunächst offen. Auf Anfrage der Redaktion erklärt Pressesprecher Malte Woesmann am Freitag (16. September), dass die Stadt sich das Vorgehen noch mal anschaue. Die Fragen, ob tatsächlich ein Ratsbeschluss nicht beachtet wurde und wie genau die Prüfung abgelaufen ist, bleiben offen.
Zu einer Diskussion des Falles kommt es in der Ratssitzung nicht - zumindest nicht im öffentlichen Teil der Sitzung. Die anderen Fraktionen im Rat hatten vorher gegenüber der Redaktion aber schon Stellung genommen zu den Vorwürfen. Personelle Konsequenzen sind auch schon seit einer Woche bekannt: Da haben Werner Sell und die SPD bestätigt, dass er nicht länger Mitglieder der Fraktion sein wird.
Ich mag Geschichten. Lieber als die historischen und fiktionalen sind mir dabei noch die aktuellen und echten. Deshalb bin ich seit 2009 im Lokaljournalismus zu Hause.
