Monopoly mit einer Schwerter Schrottimmobilie

© Paulitschke

Monopoly mit einer Schwerter Schrottimmobilie

rnMarodes Fachwerkhaus am Westhofener Markt

Grundstücke werden beliehen, verkauft, ersteigert. Es ist eine Welt, die an das Gesellschaftsspiel Monopoly erinnert. Das Haus an der Reichshofstraße in Schwerte Westhofen blieb dabei auf der Strecke. Es verfällt immer mehr. Jetzt kommt auch noch die Staatsanwaltschaft mit ins Spiel.

Schwerte

, 30.04.2018, 16:57 Uhr / Lesedauer: 5 min

Westhofen, Reichshofstraße: Das Haus Nummer 95 ist in einem erbarmungswürdigen Zustand. Zugenagelte Fenster, der Kamin ist bereits abgetragen, die Fassaden sind mit Bauzäunen gesichert, damit keine Fassadenteile auf den Bürgersteig fallen. 240 Unterschriften gegen den Denkmalschutz hat Thomas Hörner gesammelt, bei der Stadt Gutachten angemahnt, einen potenziellen Käufer ins Rennen gebracht und den Beschwerdeausschuss angerufen. Gebracht hat das alles wenig. Das Haus Reichshofstraße 95 verfällt weiter. Es würde Hörner nicht so treffen, wenn das Gebäude im Zentrum Westhofens nicht direkt an sein Mietshaus grenzen würde. Der Abstand zwischen den beiden Häusern beträgt kaum einen Meter. Immer wieder lösen sich Teile vom Nachbarhaus und fallen in die Minigasse zwischen den Häusern. Auch andere Nachbarn stört der Schandfleck. Der aktuelle Besitzer ist bereits der dritte Inhaber, der nichts an dem Gebäude unternimmt.

Gebäude für 1000 Euro ersteigert

Gekauft hat B. es von seiner Frau, die es bei einer Zwangsversteigerung vor zwei Jahren für 1000 Euro erwarb. Damals war das Ehepaar vor die Presse getreten, hatte sich in den Fenstern fotografieren lassen und versprochen, man werde das Haus zügig sanieren. Ein Jahr werde man für das Projekt brauchen, versprachen die Bs damals. Wohnraum für Flüchtlinge sollte in dem Haus entstehen, denn dafür gebe es Zuschüsse vom Land. Ob B. das selbst glaubte, ist fraglich.

Recherche führt in Villen-Vorort

Die Recherche führt nach Dortmund-Buchholz, nur wenige Kilometer entfernt: Die Häuser hier unterscheiden sich gewaltig von der Durchfahrtsstraße in Westhofen. Es sind eher Villen. Eine vornehme Wohngegend. Peter Jürgens hat hier sein Haus. Und er ist überzeugt, dass die Reichshofstraße 95 in naher Zukunft nicht renoviert wird.

Die Fenster verbrettert, die Auenanlagen verschmiert, das Haus an der Reichshofstraße ärgert vor allem die Nachbarn.

Die Fenster verbrettert, die Auenanlagen verschmiert, das Haus an der Reichshofstraße ärgert vor allem die Nachbarn. © Bernd Paulitschke

Aus gutem Grund: Jürgens ist einer der zahlreichen Gläubiger von B. und hat sich eine Grundschuld von 49.999 Euro im Grundbrief des Westhofener Hauses gesichert. Jürgens will, dass das Haus erneut unter den Hammer kommt. Seinem Antrag auf Zwangsversteigerung wurde im Februar stattgegeben.

13,5 Prozent Zinsen vereinbart

Die Geschichte, wie Jürgens in den Grundbrief kam, ist eine, die mit Nachbarschaftshilfe begann, die in die Dortmunder Finanz- und Geschäftswelt führt und vermutlich bald vor dem Landgericht endet. 1998 zog der ehemalige Unternehmer nach Buchholz. Dort war B. sein Nachbar. Der kam eines Tages und bat um einen Kredit. Jürgens half mit 90.000 Euro aus. „Wir haben einen ganz normalen Vertrag abgeschlossen“, betont er. Schon damals saßen B. offensichtlich die Gläubiger im Nacken, denn das Geld habe er nicht an B., sondern direkt an einen Anwalt gezahlt, so der Kreditgeber. Der hatte auch nicht ganz uneigennützig gehandelt. Zum einen war ein Durchschnittszins von 13,5 Prozent angeboten und vereinbart worden. „Der lag damals noch unterhalb des Dispo-Zinssatzes“, betont er. Zum anderen, und das war für Jürgens entscheidend, hatte der Nachbar glaubhaft versichert, wenn er den Vergleich nicht zahlen könne, müsse er jenen Teil des Grundstücks, das an Jürgens Anwesen grenzt, an einen Investor zum Bau von Reihenhäusern abgeben. „Das wollte ich natürlich nicht.“

Immobiliengeschäfte im Osten

Noch dreimal griff Jürgens bis 2006 seinem Nachbarn finanziell unter die Arme. Als Privatier konnte er sich das leisten, und B. habe ihm auch immer wieder neue Geschäftsideen präsentiert, mit denen er sein nicht mehr florierendes Maklergeschäft wieder auf die Beine bringen könne: Firmen, Immobilien im Osten, Patentrechte. Doch irgendwann wird auch dem Nachbarn klar, dass er das Geld wohl abschreiben kann. Jürgens erwirkt notariell einen Titel über rund 400.000 Euro. Ohne allerdings eine Chance zu haben, an sein Geld zu kommen. Erst spät habe er gemerkt, dass er nicht der einzige Gläubiger von B. war. Der habe nämlich erneut in eine große Immobilie im Osten Deutschlands, in ein Gebäude mit rund 120 Wohnungen investiert, ohne jedoch das nötige Eigenkapital zu besitzen. Banken standen zur Finanzierung wohl nicht mehr bereit, Jürgens auch nicht mehr. B. fand daraufhin einen anderen Dortmunder Geschäftsmann, der sein Geld anlegen wollte. Es wurde ein äußerst großzügiger Zinssatz vereinbart, diesmal von gut 25 Prozent inklusive einem hohen Disagio (Ein Abschlag vom Nennwert des Kredits).

Anklage am Landgericht

Während B. bei Besuchen des Gerichtsvollziehers immer wieder kaum Vermögenswerte vorweist, ist Jürgens überzeugt, dass er durchaus einige Gläubiger bedient habe. Woher das Geld stammt, ist ungewiss. Nach langen Recherchen erfährt Jürgens, dass B. immer wieder neue Firmen gegründet hat. Viele davon mussten später wieder Insolvenz anmelden. Seit 2013 ist auch die Staatsanwaltschaft B. auf den Fersen. Denn für die Geldgeschäfte habe er keine Genehmigung. Seit der Bankenkrise 2008 hat sich hier die Gesetzeslage geändert. Nach vierjähriger Ermittlungstätigkeit übersandten die Ankläger die Akten Anfang des Jahres an das Landgericht Dortmund. Unerlaubte Bankgeschäfte in 22 Fällen lautet die Anklage. 14 Mal fahrlässig und in acht Fällen vorsätzlich. Die Anklageschrift sei dem Beschuldigten auch zugestellt worden, bestätigte Dr. Thomas Jungkamp vom Landgericht Dortmund auf Anfrage. Da es sich nicht um eine Haftsache handele, könne das Verfahren aber noch einige Zeit auf sich warten lassen.

“Ex-Partner will mich vernichten“

Die will B. nutzen, um seine Unschuld zu beweisen. Er sieht sich von seinem Nachbarn und einem ehemaligen Geschäftspartner verfolgt. „Die wollen mich vernichten“, sagt der 76-Jährige. Nahezu täglich sei er von den beiden mit Anzeigen überzogen worden. Dabei leugnet B. nicht, dass er sich Geld von Jürgens geliehen habe, allerdings für ein gemeinsames Geschäft, so seine Darstellung. Andere Darlehen, die er sich auch bei privaten Anlegern verschaffte, habe er für seine Firma gebraucht, die mit Patenten für die Verwertung von Sonnenblumenschrot handelt. Dieses Unternehmen steht nach B.s Angabe auch im Mittelpunkt der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Denn Geld für diese Firma und teure Patentverfahren habe er in seinem Tennisclub eingeworben. „Das war quasi im Bereich Family und Friends“, betont er. Es handele sich um kein gewerbsmäßiges Bankgeschäft. Dann spricht er aber auch von siebenstelligen Beträgen, um die es da ginge. Und dass man natürlich auch satte Gewinne zu erwarten habe.

Seniorenresidenz in Thailand

Überhaupt hat B. viel zu erzählen. Davon, dass sein ehemaliger Partner beim Sonnenblumengeschäft mit dem Geld eine Seniorenresidenz in Thailand finanziert habe, die auch nie in Betrieb ging. Dass er nie erwartet hätte, dass es über acht Jahre dauern und viel Geld kosten würde, Patente für die Behandlung von Sonnenblumenschrot zu erhalten. Und darüber, dass es eine Investorengruppe gebe, die das Projekt retten könne. „Natürlich glaube ich daran, dass da Gewinne zu erwarten sind“, erzählt er.

Junge Ehefrau

Warum B. über seine junge Ehefrau 2016 das marode Haus an der Reichshofstraße gekauft hat? „Ich wollte ihr ein Haus in Westhofen bieten und ich wollte es als Hobby restaurieren.“ Außer einem Gutachten, dass die Stadt von ihm verlangt hat, passierte aber an der Reichshofstraße nichts. Ähnlich verfahren sieht die Situation bei Gut Steinhausen an der Schwerter Stadtgrenze aus.

Der Anbau des Hauses an der Reichshofstraße beherbergte einst einen Kiosk.

Der Anbau des Hauses an der Reichshofstraße beherbergte einst einen Kiosk. © Bernd Paulitschke

Denn das hatte B. bereits 1995 gekauft und immer wieder Pläne für eine Nutzung vorgelegt. Auch hier steht Jürgens neben anderen als Gläubiger mit einer sechsstelligen Summe im Grundbuch. Die Sicherungshypothek auf die Reichshofstraße ließ sich Jürgens erst im Herbst 2017 eintragen. Möglich wurde das nur, weil sich der mittlerweile 76 Jahre alte B. von seiner 27-jährigen Ehefrau getrennt hatte und die Immobilie selbst übernahm. „Meine Ehe ist daran gescheitert, dass meine Ehefrau den Druck nicht mehr aushielt“, so B.

Spezialanwalt aus Berlin

Seitdem B. der Eigentümer sei, betreibe er die Pfändung mit Nachdruck, betont Jürgens, der extra dafür einen Spezialanwalt aus Berlin engagiert hat, mit dem Erfolg, dass Konten, Mieten und vor zwei Wochen auch Geschäftsunterlagen im großen Stil gepfändet wurden. Und an der Reichshofstraße 95? Da wird sich vermutlich in naher Zukunft wenig tun. Denn auch wenn die Immobilie wieder zwangsversteigert werden soll, sind derzeit weder Käufer, die Jürgens Forderungen begleichen würden, noch eine Lösung in Sicht. „Ich werde wahrscheinlich nicht umhinkommen, die Immobilie über die Zwangsversteigerung in mein Eigentum zu übernehmen“, so Jürgens. Im Anschluss daran müsse natürlich eine zeitnahe Lösung her.

Ein genauer Blick auf die Fachwerkbalken offenbart den Zustand des Hauses Reichshofstraße 95.

Ein genauer Blick auf die Fachwerkbalken offenbart den Zustand des Hauses Reichshofstraße 95. © Foto: Reinhard Schmitz

Wie die aussehen soll? Vielleicht das Ende des Denkmalschutzes? Dann könnte man das relativ große Grundstück in Westhofen neu bebauen. Doch darauf hatte Nachbar Hörner bereits vor Jahren vergeblich gehofft.

Nachtrag:

Vor kurzem antwortete die Stadt Thomas Hörner auf seine Beschwerden über das Haus. „Die Stadt befindet sich in Verhandlungen zwischen dem jetzigen Eigentümer Herrn B. und einem Interessenten, der das Gebäude übernehmen und sanieren möchte“, heißt es in dem Schreiben. Dass B. nicht mehr über das Gebäude verfügen kann, hatte er der Stadt wohl verschwiegen.