Er vergleicht sich selbst mit dem grünen Monster aus der Sesamstraße: „Oskar aus der Mülltonne, kennste oder? Ich bin Oli aus der Gosse“, dabei lächelt der 58-jährige gebürtige Schwerter. Wenn er von seinem bewegten Leben erzählt, kann man kaum glauben, dass er dabei ein Lächeln auf den Lippen hat.
Er kämpft sich aus jeder Krise: Zerrüttete Familienverhältnisse, Gewalt, gerät auf die schiefe Bahn, bekämpft die Alkoholsucht. Die Diagnose Kehlkopf-Krebs im Jahr 2013 krempelt Olis Leben noch einmal komplett um. Er weiß genau, wie sich Todesangst anfühlt.
Jetzt wurde Oliver Trelenberg aus Hagen der Verdienstorden des Landes NRW für sein langjähriges Engagement verliehen: „Im Prinzip kann ich es nicht glauben. Ich bin einfach mal aufs Rad gestiegen und dann das.“ Er zuckt mit den Schultern.

NRW-Verdienstorden für Oli Trelenberg
Seit 2014 radelt der Hagener jedes Jahr mehrere Tausend Kilometer durch ganz Deutschland und sammelt dabei Spenden für den guten Zweck, informiert auf seinen Radreisen über die Krankheit Krebs und zeigt Wege aus persönlichen Lebenskrisen auf.
„Lieber Herr Trelenberg, aus allen Teilen unseres Landes haben mich Briefe erreicht von Menschen, die Sie kennen- und schätzen gelernt haben. Diese Menschen haben mich darum gebeten, Ihr herausragendes und aufopferungsvolles Engagement zu würdigen“, sagte ihm Ministerpräsident Hendrik Wüst bei der Übergabe des Ordens. Oli ist voller Stolz. Der Orden hängt in Sichtweite des Sofas im Wohnzimmer, um ihn immer daran zu erinnern.

Etwa 500 Stadtoberhäupter aus Deutschland haben ihn schon bei seinen Radreisen in Empfang genommen, bei Wind und Wetter. Wie viele Kilometer es insgesamt waren, hat Oli nie zusammengerechnet, aber pro Jahr seien es immer zwischen 8.000 und 10.000 Kilometer gewesen. Dabei trägt er sein Shirt „Radeln für den guten Zweck“, verteilt Flyer und kommt mit den Menschen ins Gespräch. „70.000 Euro Spendengelder habe ich schon von 2015 bis 2022 gesammelt. Überleg mal, wie vielen Leuten ich dafür ‘ne Frikadelle ans Knie gequatscht habe“, sagt er amüsiert.
Firmenlogos und Co. kommen bei Oli weder aufs Shirt noch aufs Rad: „Ich bin nicht käuflich, es geht nicht um Werbung, es geht um die Sache.“ Bargeld nimmt der Hagener nie an; die Menschen, die spenden möchten, überweisen an das Spendenkonto der Stadt Hagen. Das Geld wiederum geht am Ende an Vereine, die Oli selbst ausgewählt hat. Die Spendensumme aus diesem Jahr geht an „wünschdirwas e.V. Köln“, ein bundesweit tätiger Verein, der schwerkranken Kindern und Jugendlichen lang ersehnte Wünsche erfüllt.
Oli kennt das Gefühl von Todesangst
Oli weiß, wie es ist, Todesangst zu haben: „Im schlechtesten Fall verkrampft der Kehlkopf, dann kommt keine Luft mehr durch. Daran sterben kann man nicht. Wenn man ohnmächtig wird, geht‘s wieder auf. Die Todesangst ist aber da, das kann man nicht steuern.“ Oli sagt von sich, krebsfrei zu sein, das bedeute aber nicht, gesund zu sein. Er hat nur noch ein Viertel Stimmband, der Kehlkopfdeckel ist weg, er bekommt nur noch etwa die Hälfte an Luft. Die Luftröhre ist immer offen: Die Gefahr sei sein ständiger Begleiter, verschlucken dürfte er sich nie.
„Wenn du nach so einem Krampf wieder atmen kannst, zitterst du am ganzen Körper. Und ganz ehrlich – du kriegst Durchfall.“ Das selbst zu erleben, ist schrecklich. Die Panik in den Augen derjenigen gespiegelt zu sehen, die er liebt, ist für Oli so unerträglich, dass er seine langjährige Beziehung beendet. „Es ist oft ein einsames Leben. Aber es reicht, wenn der Krebs ein Leben zerstört.“ Seine Miene verhärtet sich. Die Beziehung zu beenden, sei die schwerste Entscheidung für den 58-Jährigen gewesen, die er habe treffen müssen. „Aber die Richtige“, sagt er.

„Jeder Tag ist ein Kampf“
Seit 20 Jahren ist Oli trockener Alkoholiker: „Jeder Tag ist ein Kampf.“ Das komme erschwerend hinzu. „Scheiß Kindheit, Scheiß Jugend, viel Saufen. Das bestimmt ja auch den Lebensweg.“ Oli nimmt kein Blatt vor den Mund. Mit dem Radfahren erhält er sich seine Lebensqualität.
Wenn ihn düstere Gedanken beschleichen, ihm die Decke auf den Kopf fällt, dann setzt er sich aufs Rad. Das ersetze keine Therapie, die er auch mache, aber es helfe. Die Atmung muss dabei ruhig und gleich bleiben, zu viel Anstrengung würde wieder einen Kehlkopf-Krampf und damit einen Erstickungsanfall auslösen. In der Anfangszeit kam das öfter vor, jetzt sei er routinierter.
Oli radelt für sich und seine Gesundheit, möchte damit anderen gleichzeitig Mut machen, das eigene Schicksal anzunehmen und das Beste daraus zu machen. „Wenn ich mit meinem Rad in Stralsund ankomme und am Wasser stehe, ist mir bewusst, dass mir der liebe Gott ein weiteres Jahr geschenkt hat.“ Er lächelt.

Keine Sekunde des Lebens vergeuden
Elbe, Donau, Rhein, Weser, Mosel – Oli radelt gern am Wasser entlang und lässt den Blick schweifen. Dabei schaut er sich bewusst die Natur an: „Wenn der Tau auf den Trauben glitzert, denk‘ ich mir: Wie geil ist das denn?“, sagt er über die Fahrt durchs Moseltal und kostete dabei jede Sekunde aus.
Radfahrer, die darüber meckern, dass es zu laut oder zu eng ist, die kann Oli nicht verstehen. „Ich geb mir eher die Kugel, als einen Eisbecher zu fotografieren, der auf der ganzen Welt gleich aussieht.“ Beispiele, die für ihn vergeudete Lebenszeit bedeuten würden.
Für ihn ist der Weg das Ziel, so kitschig es klingen mag. Oli ist ganz bei sich und wird auch für das kommende Jahr wieder eine neue Route für seine Radreise festlegen. Wenn er einen Wunsch frei hat, dann eigentlich nur diesen: „Ich freue mich, wenn ich noch einige Jahre für krebskranke Kinder Fahrradfahren kann.“
Zwar hat Oli seine 75-tägige Radreise in diesem Jahr schon absolviert, trotzdem können Interessierte noch spenden.
Sämtliche Spenden gehen an wünschdirwas e.V., Verein für schwer erkrankte Kinder und Jugendliche.
Bankverbindung:
Stadt Hagen
Sparkasse HagenHerdecke
IBAN: DE23 4505 0001 0100 0004 44
BIC: WELADE3HXXX
Verwendungszweck: Oli radelt für wünschdirwas e.V. Kassenzeichen 800900010008 (Damit die eingehenden Spenden zugeordnet werden können) zuzüglich eigener Anschrift (Straße, PLZ, Ort), falls Sie eine Spendenquittung wünschen.
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