
Georg Palmüller (r.) bei der Inbetriebnahme des Grills auf der Baltrum III. Sieben Stunden harrten die Schiffspassagiere auf einer Sandbank aus, in Sichtweite der Insel. Zum Glück wurden sie von der Insel aus gut versorgt. © Myers-Palmüller
Kamener Familie wird im Urlaub auf Baltrum zu gestrandeten Abenteurern
Urlaubserlebnis
Da wurde der gemütliche Sommerurlaub für Familie Myers-Palmüller auf einmal zum Abenteuer. Ihr Ausflugsschiff musste auf einer Sandbank notparken - und sieben Stunden auf die Flut warten.
Inselurlaub hat für gewöhnlich einen entschleunigenden und ruhigen Charakter. Für die Kamener Familie Myers-Palmüller wurde er jedoch zu einem echten Abenteuer mit Robinson-Crusoe-Charakter. Allerdings strandete die Familie zum Glück nicht auf einer einsamen Insel, doch zumindest auf einer Sandbank 500 Meter von der Insel Baltrum entfernt.
Alles fing an mit einem Tagesausflug mit dem Ausflugsschiff „Baltrum III“ von der Insel Baltrum aus zur Nachbarinsel Norderney. „Normalerweise braucht das Schiff für eine Fahrt durch das Wattenmeer etwas mehr als eine Stunde“, sagt Georg Palmüller. Die Schifffahrt führt südlich der Ostfriesischen Inseln durchs Wattenmeer durch eine Fahrrinne. Die Rückfahrt tritt die Familie samt der anderen Passagiere um 15.15 Uhr an. Das sei wichtig, denn die Schiffe müssten sich in der Nordsee streng nach den Gezeiten richten.
Seebaustelle blockierte die Durchfahrt
Allerdings gibt es im Wattenmeer vor Norderney derzeit eine „Seebaustelle“. Heißt: Auf dem Meeresgrund werden Kabel für einige Offshore-Windräder verlegt. Deshalb ist die Fahrrinne, die die Schiffe nutzen können, relativ schmal. „Der Kapitän der ‚Baltrum III‘ erhielt kurz vor der Baustelle per Funk die Mitteilung, dass die ganze Passage wegen der Baustelle gesperrt sei“, so Palmüller. Der Kapitän entschied kurzerhand, zur Insel Norderney zurückzufahren und sie über die nördliche Seite zu umrunden und so in den Hafen von Baltrum zurückzukehren. Das dauerte allerdings recht lang, denn Norderney ist die zweitgrößte Insel der Gruppe und sehr lang.

Grillwurst für die Kinder und Erwachsenen an Bord auf der Sandbank. © Myers-Palmüller
„Bis wir dann vor Baltrum ankamen hatte die Ebbe schon eingesetzt, das Schiff setzte auf eine Sandbank auf, da ging gar nichts mehr“, schildert Palmüller die Erlebnisse. Und das nur 500 Meter entfernt von Baltrum, mit der Insel in Sichtweite. Zwischen Sandbank und Insel sei jedoch tiefes Wasser gewesen, sodass ein Fußweg ebenfalls ausgeschlossen war. So blieb den 50 Passagieren und der Mannschaft nichts anderes übrig, als auf die nächste Flut zu warten. Und darauf, dass genug Wasser zurückkommt, dass das Schiff überhaupt wieder fahren kann: Etwa sieben Stunden.
„Unter den Passagieren waren auch viele Kinder. Einige bekamen Panik, aber da hat sich die Besatzung sehr vorbildlich verhalten. Sie haben den Kindern alles ganz genau erklärt und sich gut um sie gekümmert.“ Die Erwachsenen bewahrten die Ruhe und machten es den Kindern richtig vor. Diese beruhigten sich wieder als sie sahen, dass alles in Ordnung war. Die Mannschaft entschied, den Kindern eine kleine Führung durch das Schiff zu geben und erklärte dabei allerlei Wissenswertes. „Sie haben sich sehr bemüht, die Zeit für die Kinder zu vertreiben“, so Palmüller.

Verpflegung wird von derInsel über die Sandbank zur Baltrum III gebracht. © Myers-Palmüller
Über Funk blieben die Gestrandeten natürlich in Kontakt mit der Insel. „Nach zwei Stunden kam ein kleines Boot mit dreiköpfiger Besatzung zu uns rüber: Der Bürgermeister von Baltrum, ein Seenotretter und ein Helfer, dabei hatten sie Kisten voll Verpflegung mit Brot, Bratwürstchen, Holzkohle und Getränken.“ Sie trugen die Unterstützungsgüter der besonderen Art über die Sandbank, da sie sich dem Schiff anders nicht nähern konnten. „Sie wurden mit großem, dankbaren Applaus begrüßt“, sagt Palmüller.

Der Baltrumer Bürgermeister - Mitte - ein Seenotretter und ein Helfer bringen Verpflegung. © Myers-Palmüller
Die Besatzung hatte auf dem Schiff einen kleinen Holzkohlegrill gefunden. Schnell wurde so für die Gestrandeten ein kleines Grillfest ausgerichtet, die Kinder bekamen zuerst, die Erwachsenen aßen, was übrigblieb. „Das Schöne ist: Niemand hat sich aufgeregt, der Notfall brachte die Menschen richtig zusammen. Man lernte sich kennen, unterhielt sich, die Stimmung war gut.“ So vergingen die Stunden schnell und gegen Mitternacht wagte der Kapitän den Versuch, sich durch die Sandbank zu manövrieren. Mit Suchscheinwerfer und Echolot suchte er eine Fahrrinne, um zum Hafen zurückzukehren. Mit Erfolg. „Mit neun Stunden Verspätung erreichte das Schiff in der Nacht unter Jubel und Applaus der Leute den Hafen“, so Palmüller. Der Applaus galt den tapferen Fahrgästen, aber vor allem auch den Mitarbeitern und dem Kapitän, die alles geleistet haben, um die Notsituation zu bewältigen.

Die Baltrum III bei Niedrigwasser auf der Sandbank © Myers-Palmüller
Die Familie verbrachte noch die letzten Tage auf der Insel, kam immer wieder mit anderen Passagieren der „Baltrum III“ ins Gespräch. „Eine Frau sagte zu uns: ‚Ich bin regelmäßig Urlauberin hier und es ist das erste Mal, dass ich mich mit jemandem unterhalten habe.‘“ Das Erlebnis hat alle zusammengeschweißt. Und die Familie Myers-Palmüller nachhaltig beeindruckt. „So viel Menschlichkeit und Herzlichkeit, wie sich unter den Passagieren entwickelt hat, ist in der heutigen Zeit eigentlich gar nicht mehr so vorhanden. Jeder unterstützte jeden.“
Ein Erlebnis, das man im Leben nur noch selten hat
Es sei erst ein Schrecken gewesen, aber letztlich hätten alle gesagt „das war ein Erlebnis, was man nur noch selten im Leben hat“. Und auch Kapitän und Besatzung bestätigten, dass es eine sehr seltene Situation sei, die nicht oft passiert. Aber: „Die Nordsee ist unberechenbar und verhält sich ganz anders als andere Meere. Durch die Gezeiten werden die Sandbänke verschoben, Fahrrinnen von vor zwei Jahren lassen sich heute zum Teil nicht mehr nutzen, sagte der Kapitän“, so Palmüller. „Und er sagte auch: Man kann als Kapitän auf vielen Weltmeeren fahren, aber die Nordsee ist immer etwas ganz Besonderes.“
Kamener Kind mit Wurzeln in Bergkamen. Findet seriösen Journalismus wichtiger denn je. Schreibt gern nicht nur über Menschen und Geschehen, sondern in der Freizeit auch über fantastische Welten. Seit 2017 im Einsatz, erzählt seit 2022 die Geschichten ihrer Heimatstadt.
