Besuch aus Warschau Besondere Wertschätzung für den Goldaltar in St. Viktor

Besuch aus Warschau: Besondere Wertschätzung für den Goldaltar in St. Viktor
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Eine besondere Wertschätzung erfuhr das 500 Jahre alte Antwerpener Retabel in St. Viktor – kleiner, doch ein wenig älter als das sogenannte „Goldene Wunder“ in der Dortmunder Petri-Kirche. Ausgesuchte Darstellungen der Lebens- und Leidensgeschichte Christi, ebenso der Figuren auf und vor dem Altar, fanden synästhetischen Ausdruck in Orgelimprovisationen.

Eigens hierzu angereist von der Frederic-Chopin Musikakademie aus Warschau war Prof. Dr. Michal Markuszewski, der nicht zuletzt dank seines umtriebigen Förderers Ernst Haubner immer wieder den Weg in die Ruhrstadt und ihre Umgebung gefunden hat.

Markuszewski in seinem Element

Fester Notation folgte der 43-Jährige noch mit der Sinfonia aus einer Kantate von 1731: Beschwingt, Stereo-Effekte entfaltend, goss er Bachs Noten wie mit dem Füllhorn aus. Spannungsreich durchdrangen sich Läufe in Registern kontrastierender Klangfarben, licht und warm, erhebend, dem Alltäglichen entrückt.

Anschwellende Phrasen wirbelten die Zuhörer in sakrale Höhen empor. Mit den bildbeschreibenden Improvisationen war der Meister dieser Kunst dann ganz in seinem Element. Dem Piepsen eines Vogels ähnelten etwa die ersten Noten zur Verkündigung, zu einem Liegeton übergehend, bevor eine weitere Note einsetzte, sich ebenfalls wiederholend, auch diese ausgehalten endend.

Der Meister aus Warschau, Prof. Dr. Michal Markuszewski, an der Kern-Orgel in St. Viktor. Im Rahmen des Festprogramms zum 500-jährigen Jubiläum des Antwerpener Retabels improvisierte er über einzelne Darstellungen des Altars.
Der Meister aus Warschau, Prof. Dr. Michal Markuszewski, an der Kern-Orgel in St. Viktor. Im Rahmen des Festprogramms zum 500-jährigen Jubiläum des Antwerpener Retabels improvisierte er über einzelne Darstellungen des Altars. © Schreckenschläger

In mehreren Schritten verdichtete sich dieses Muster. Flatternde Höhen unterlegte er mit einer dumpfen Mittelstimme. Säuselndes Lingual- verschob sich auf festeres Lingualregister, nachdenklich zur „Geburt Christi“. Aus lichter Höhe schwebte die Melodie „Vom Himmel hoch“ herein, in säuselnde und tiefere Klangfarben zurückweichend, bevor diese Exposition ganz klassisch in die Durchführung überging.

Immer stärker vom Bass geerdet, brachte der Mann aus Warschau mit auffahrendem Schwellwerk zusätzliche Effekte herein. Suchend kreiselte die Musik zur „Anbetung der Weisen“; alarmierende Klänge, verstörende Rhythmik von mystischer Gewalt begleiteten die „Beschneidung“.

„Darstellung im Tempel“

Die „Darstellung im Tempel“ interpretierte Markuszewski mit säuselnder Sakralität, vibrierendem Krummhornregister. Gravitätisch schleppte sich die Musik zur „Kreuztragung“ die Via Dolorosa entlang. Immer machtvoller erklang die Kern-Orgel dazu. Verwirrung stellte sich ein, als die Bilder auf der Leinwand in der Programmfolge sprangen, stagnierten, der Organist mittendrin über eine Darstellung zusätzlich zur abgedruckten Bildfolge seine musikalischen Vorstellungen präsentierte.

War es die „Kreuzigung“, die in dunklem Dauerton endete? Fand die „Grablegung“ in hohen Tönen der Entrückung ihren Niederschlag? Lichte, hüpfende Klänge, erdige Tiefen erfahren, charakterisierten die „Maria mit dem Kinde“, deren Statue sich über der höchsten Spitze des Retabels erhebt. Wummernd säuselnde Töne, Klänge wie von Flöten und Streichern, umspielten langsam und würdevoll die Figur des „Linken Engels“ auf seiner Stele vor dem Altar – zur Kirchenausstattung schon Jahrzehnte vor der Aufstellung des Goldaltars gehörig.

Dem wertvollsten Kunstwerk entsprechend

In zarter Registrierung begann der vielfach ausgezeichnete Organist, seine Sicht auf den von Luther und seinem Komponisten Johann Walther etwa 100 Jahre nach dem Altar geschaffenen Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ darzulegen. Bevor er noch dem Instrument volltönenden Klang entlockte, begann er seine abwandelnde Interpretation, ließ sich die Melodien im Diskant und Bass fugal umspielen, nicht ohne kämpferische Aggressivität.

Als Zugabe folgte, wie schon bei der Orgelöffnung am Samstag, Händels „Hallelujah“, der goldenen Pracht der Festtagsseite des Jubilars, des größten und wertvollsten Kunstwerkes in Schwerte entsprechend.