Stadttauben brüten wie die Wilden Tierfreunde wollen unkontrollierte Vermehrung stoppen

Tierfreunde möchten unkontrollierte Vermehrung von Stadttauben stoppen
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Die viel zitierten „Karnickel“ sind schlapp gegen diese Vermehrungsfreude. Stadttauben sind in Sachen Nachkommenschaft noch unvergleichlich aktiver.

„Sie brüten das ganze Jahr über“, berichtet Katrin Radix von der Stadttaubenhilfe Schwerte: „Bis zu achtmal im Jahr.“ Doch dieses unkontrollierte Anwachsen der Populationen vergrößere das Elend immer mehr, wenn man nichts dagegen unternehme.

Immer mehr Tauben im Tierheim

Die sich zuspitzende Situation bekommt auch das Tierheim Schwerte deutlich zu spüren. „Extrem angestiegen“ – so Tierheimleiterin Catharina Seelig – sei in den vergangenen zwei bis drei Jahren die Zahl der verwilderten Brieftauben und Stadttauben, die von Findern hilfesuchend in ihre Einrichtung gebracht werden.

Oft seien sie völlig abgemagert oder von Greifvögeln verletzt, sodass sie erst aufwendig von einem Tierarzt versorgt und aufgepäppelt werden müssen, bevor sie schließlich wieder freigelassen werden – mit ungewissen Aussichten für ihr weiteres Vogelleben.

Taubenhaus am Potsdamer Platz in Berlin
Vorbild für Schwerte? In einem Taubenhaus auf dem Dach eines Gebäudes am Potsdamer Platz in Berlin versorgen Tiervereins-Mitarbeitende die Vögel. © dpa

Die Tierheimleiterin hat auch den Auslöser für die Probleme ausgemacht. Zumindest gibt es einen zeitlichen Zusammenhang. Denn mit dem Abriss des alten Hauses am Cavaplatz hätten die Stadttauben den Ort in der City verloren, wo sie sich sammelten und ihre Nester bauten.

Hier war es für Tierfreunde noch ein Leichtes, regelmäßig die Eier gegen Attrappen auszutauschen, um auf diese Weise die Vermehrung zu bremsen. „Jetzt haben sich die Populationen anders orientiert in Richtung Bahnhof, und damit ist jede Kontrolle hinfällig“, erklärt Catharina Seelig. Mitglieder der Taubenhilfe haben die Tiere schon auf angrenzenden Fabrikgeländen beobachtet, wo sie unerreichbar sind.

Zwei Taubenschwärme in der City

Nach den Schätzungen von Katrin Radix gibt es in der Stadt derzeit sogar zwei Schwärme mit etwa 120 bis 130 Tauben, die sich unter anderem im Stadtpark gesammelt haben. Dazu kämen Brieftauben, die in der Flugsaison von März bis September aus unterschiedlichen Gründen in Schwerte stranden und sich paaren. Landen solche Vögel im Tierheim, können sie aber anhand ihrer nummerierten Fußringe wieder zu ihren Besitzerinnen und Besitzern zurückgeführt werden.

Eine Taubenei-Attrappe
Eine Taubenei-Attrappe liegt in einem Nest im Taubenhaus des Stadttauben-Projekts, das sich auf dem Dach des Gerichts-Parkhauses im Frankfurter Gerichtsviertel befindet. © dpa

„Das Problem ist: Es gibt momentan in Schwerte keine kontrollierte Brutstelle“, erklärt die Tierheimleiterin. Die Stadt müsse eine Lösung finden: „Entweder ein Taubenhaus oder eine andere Einrichtung zum Nisten. Das ist die einzige Möglichkeit zur Populationskontrolle.“

In Hagen, Dortmund und in jeder größeren deutschen Stadt gebe es bereits Taubenhäuser. Die Städte würden jeweils den Aufstellungsort zur Verfügung stellen, Ehrenamtliche die Betreuung der Einrichtung übernehmen.

Mitmachbüro unterstützt die Idee

Für eine solche Lösung setzen sich Katrin Radix und ihre bislang fünf Mitstreiterinnen auch in Schwerte ein, wo sie Verstärkung bei Anke Skupin im städtischen Mitmachbüro im City-Center suchten. „Unser Ziel ist ein betreutes Taubenhaus mit Eiertausch zum Regulieren der Population“, sagte sie.

Das Mitmachbüro unterstützte die Initiative und stellte Möglichkeiten zur Umsetzung der Pläne vor, beispielsweise mithilfe der Internet-Spendensammlung über das Schwerte Crowdfunding. „Ich finde die Idee mit dem Projekt schön“, sagte Anke Skupin, die in einem Urlaub selbst ein Taubenhaus in einem Park in Tübingen kennengelernt hatte.

Der Stadttaubenhilfe geht es gleichzeitig darum, Vorurteile gegen die oft als „Ratten der Lüfte“ verschrienen Stadttauben zu beseitigen. Denn die Vögel seien doch nur die Nachkommen von Brieftauben, die auf ihren Preisflügen entkräftet in Schwerte gestrandet seien.

Doch es gebe sogar Tierquäler, die sie mit Flaschen und Steinen bewerfen oder vergiften würden, ärgert sich Katrin Radix: „Wenn die Leute in der Stadt einen Hund treten würden, dann würden sich alle aufregen. Aber hier heißt es: Es ist ja nur eine Taube.“

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