Bei Missbrauch in der Kirche ging es bisher um Katholiken - das ist vorbei: Eine Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie hat für die vergangenen Jahrzehnte mindestens 1259 Beschuldigte und 2225 Betroffene dokumentiert. Die Studie spricht dabei allerdings nur von „der Spitze des Eisbergs“. Trotz der Ergebnisse ist die Superintendentin des Kreises Iserlohn, Martina Espelöer, nach Erscheinen der Studie „froh“ über die Veröffentlichung der Studie.
Harter Spiegel vorgehalten
„Erst einmal ist es natürlich ein harter Spiegel, der uns vorgehalten wurde“, so Espelöer. „Ich bin aber froh über die Studie und ihre Rahmenbedingungen, in der Betroffene an erste Stelle stehen.“ Das Thema sexueller Missbrauch in der evangelischen Kirche sei ihr schon vor Veröffentlichung der Studie am Donnerstag (25.1.) bekannt gewesen. Von der Offenheit der Pressekonferenz, die Espelöer gebannt verfolgt habe, sei sie dennoch beeindruckt. Gerade das Bild, das Detlev Zander, Mitglied im Bereich des Forschungsverbundes der EKD, für die evangelische Kirche zeichnete, habe die Superintendentin sehr eingenommen: „Herr Zander sagte, es sei ein rabenschwarzer Tag für die evangelische Kirche und ein guter Tag für Betroffene. Das hat mich sehr berührt und mir gezeigt, dass ich froh sein kann, dass jetzt alles öffentlich ist.“
Was Espelöer aus Sicht der EKD froh mache, sei dass innerhalb der Studie auch angemerkt wurde, dass die Kooperation mit der Kirche den Studienerstellern weiterhelfen konnte. Wo die genaue strukturelle Problematik der evangelischen Kirche liege, können sie zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestimmen. „Ich weiß nur, dass es strukturelle Probleme gab und gibt. Für alles weitere muss ich in den kommenden Tagen die Studie als Gesamtes analysieren, um einen breiten Überblick zu haben.
Verantwortung übernehmen
Dennoch benennt Espelöer zumindest schon einige Felder, die sie als problematisch ausgemacht habe und auch in der Studie Erwähnung fanden. „Zunächst einmal führen die flachen Hierarchien in der Struktur dazu, dass die Verantwortung nicht ganz klar ist. Föderale Strukturen führen zu Uneinheitlichkeit, die wiederum zu Unübersichtlichkeit.“ Espelöer sagt klar, dass Übergriffe immer entstehen, wenn es Machtungleichgewichte gebe. Die Unübersichtlichkeit der Hierarchie gebe Tätern die Räume, auf die in Zukunft genau geschaut werden müsse.
„Das Aufdecken sexualisierter Gewalt ist immer Leitungsverantwortung und da fehlt die Zuordnung in den Strukturen“, erläutert die Superintendentin. Ein weiterer in der Studie erwähntes Problem, das Espelöer zum jetzigen Zeitpunkt so annehmen kann ist der Harmoniezwang der EKD: „Dieser Zwang führt zu einer Gefahr der Vertuschung. Das sollte jedem bewusst sein.“ Grundlegend solle die Gemeinschaft auf alles achten, was in der Studie erwähnt wurde. Dazu gehörten die Kultur, der Umgang, die Verantwortung und die Struktur der evangelischen Kirche.
Kulturwandel der Kirche
Nun gilt es für Martina Espelöer und ihren Kirchenkreis um die Konsequenzen, die aus der Veröffentlichung der Studie gezogen werden müssen. „Für mich geht damit eine wirkliche Verpflichtung hervor, dass wir als Kirche selbstkritisch ins Handeln kommen und an bestimmten Stellen das Ruder rumreißen.“ Zunächst wolle sie die Studie analysieren, um sich dann mit den Fachbereichen der Prävention und der Öffentlichkeitsarbeit zusammenzusetzen und Gremien einzuberufen. „Wir müssen uns auch den Interventionsleitfaden genau anschauen. An wen wird bei einem Verdacht gemeldet? Wir brauchen Offenheit und klare Verantwortung in jedem Bereich.“
Alles in der evangelischen Kultur, was Täterinnen und Tätern einen Raum biete, müsse nun überprüft werden. Für Martina Espelöer beginnt nun ein Paradigmenwechsel. „Ein Kulturwechsel, der vor uns liegt, bedeutet viel Arbeit, die ich aber angehen will und muss.“ Gleichzeitig sitze der Stachel so kurz nach der Veröffentlichung noch tief: „Ich bin immer noch entsetzt, da in den Interviews endlich alles mit Personen und Orten nachvollziehbar benannt werden konnte. Mir tut jede Person, die davon betroffen war und ist, aus tiefstem Herzen leid.“
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