
© Heiko Mühlbauer
Corona-Tango: Wie die Tanzschule Thiele dem zweiten Lockdown trotzen will
Covid19
Tanzschulen trifft der Lockdown besonders hart, denn der Jahresbeginn sorgt sonst für neue Mitglieder. Bei Thiele setzt man jetzt auf ganz neue Geschäftsideen.
Herzlich willkommen zur Lektion im Euro-Tango. Tanzlehrer Marcel Meister steht vor einer grünen Leinwand. Der Saal der Tanzschule Thiele ist in ein Fernsehstudio umgewandelt. Bildschirme, ein Mischpult, Kameras und Mikrophone. Während die Tanzlehrer vor der Kamera in der Tanzschule stehen, befinden sich die Tanzschüler in ihren Wohnungen. So manch einer wird wohl auch die Couch an die Seite geräumt haben, um vor dem Fernseher oder Computerbildschirm zu tanzen. Gerade beim Tango, der heute auf dem Programm steht, ist das heimatliche Wohnzimmer oft etwas knapp bemessen. Und auch die Tanzlehrer halten Abstand und tragen eine Maske, während sie die Schritte vormachen. Es ist quasi ein Corona-Tango, der hier in die Wohnzimmer der Tanzschüler übertragen wird.
Digitaler Unterricht per App
Zum zweiten Mal sind die Tanzschulen vom harten Lockdown betroffen. Doch während man bei Thiele im vergangenen Frühjahr noch auf das komplett kostenfreie YouTube-Modell gesetzt hat, gibt es nun zu Beginn diesen Jahres digitalen Unterricht hinter der Bezahlschranke. Monatlich buchbar, wie es bei Internet angeboten üblich ist.
Dafür wurde eigens eine App entwickelt. Die führt die Kunden zu den Unterrichtsmodulen. An denen kann man per Livestream zu den Unterrichtszeiten teilnehmen. Man kann sich die Aufzeichnungen aber auch jederzeit im Netz wieder ansehen.

Der große Tanzsaal wurde vorübergehend in ein Fernsehstudio umgestaltet. © Heiko Mühlbauer
„Seit Januar haben wir auch komplette Digitalkurse per Live-Stream für jedes Level vom Einsteiger bis zum „Profi“ im Angebot“, erklärt Björn Thiele. Die Videos sind über die App einfach abrufbar. Dazu kommen viele Funktionen wie ein Chat, optionale Videozuschaltung und mehr. „Der Tanzkurs ist nun auch im Wohnzimmer möglich – zumindest so lange Corona uns in Atem hält“, so Thiele. Nach dem Lockdown sei ein „Hybrid-Unterricht“ digital und in der Tanzschule möglich und alle Kurse können nahtlos in der Tanzschule fortgeführt werden. Doch die App wäre vermutlich auch so gekommen. Denn auch begleitend zum Tanzschulbesuch soll das neue Angebot funktionieren.
Novemberhilfen kamen nur teilweise an
Die Coronakrise hat die Tanzschulen schwerer als viele andere Branchen getroffen. Und die Hilfe vom Staat kommt auch nur zögerlich an. „Wir haben gerade Mal einen Abschlag auf die Novemberhilfen erhalten“, sagt Björn Thiele.
Im Frühjahr hatte man, vom ersten Lockdown überrascht, schnell auf Videos umgestellt, Der YouTube-Kanal der Tanzschule hat mittlerweile 1500 Abonnenten.
Dennoch konnte man längst nicht alle Mitglieder halten. Als es dann im Mai wieder losging, rüstete man schnell nach. Ein elektronisches Eincheck-System, ein Zelt vor der Tür und die obligatorischen Sicherheitsscheiben rund um die im Moment verwaiste Bar künden noch davon.
Dann kam der zweite Lockdown
„Die Vorgaben waren immer wieder anders“, erzählt Björn Thiele, „mal wurden wir als Kontaktsport behandelt, mal als Freizeiteinrichtung.“ Doch irgendwie hangelte man sich über den Sommer und dann kam der zweite Lockdown.
Das Problem: „Über das Jahr verliert man immer wieder Mitglieder“, erklärt Thiele. Aber gerade zum Jahresbeginn melden sich auch immer viele an. Das passiert im Moment angesichts der unsicheren Lage weniger. Aber immerhin, einige Kunden ließen sich auch von der App und dem neuen System überzeugen.
Dass die Tanzschulkundschaft durchaus auch digital kann, bewies sie bei der Weihnachtsfeier. Die musste auch im Netz stattfinden und erreichte immerhin 140 Teilnehmer. Und wenn man davon ausgeht, dass viele von denen als Paar bei Thiele tanzen, waren es deutlich über 200 Menschen, die an den Bildschirmen mitgefeiert haben.
Und auch bei der Tanzstunde am Freitagabend erreichen die beiden Tanzlehrer ihre Kunden. Wenn die ihre Kamera angeschaltet haben, können die Lehrer übrigens auch die Schüler sehen, sie korrigieren oder Tipps geben. Genau wie beim Präsenz-Unterricht.
Ist mit Überzeugung Lokaljournalist. Denn wirklich wichtige Geschichten beginnen mit den Menschen vor Ort und enden auch dort. Seit 2007 leitet er die Redaktion in Schwerte.
