Pogromnacht: Gedenkfeier in Schwerte ohne Moschee-Vorstand „Wäre vielleicht nicht gut angekommen“

Reichspogromnacht: Gedenkfeier ohne Moschee-Vorstand
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Rund 250 Menschen haben in Schwerte gemeinsam an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren erinnert. Die Schwerter Friedensinitiative, Pax Christi, die Ökumene-Arbeit, das Bündnis gegen Rechts, das Kulturbüro und das Kinder- und Jugendparlament hörten am Donnerstag (9.11.) zu, als Bürgermeister Dimitrios Axourgos am Platz der ehemaligen Synagoge an der Großen Marktstraße daran erinnerte, wie staatlicher Terror massiv gegen das jüdische Leben vorging.

Vor dem Hintergrund des aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland und der Welt sowie den Geschehnissen im Nahen Osten müsse an Tage wie den 9. November erinnert werden. „Wir dürfen nicht müde werden, aus diesen Erinnerungen Mahnungen werden zu lassen“, sagte Dimitrios Axourgos. „Es ist unsere Pflicht, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Toleranz, Respekt und Mitgefühl die Grundpfeiler sind. Eine Gesellschaft, in der jeder Mensch unabhängig von seiner Herkunft, seinem Glauben oder seiner Kultur frei und sicher leben kann.“

„Blut und Leid“

Pfarrer im Ruhestand Fritz-Günter Held von der Schwerter Friedensinitiative erinnerte namentlich an die jüdischen Menschen, die Opfer der Naziherrschaft wurden und ihr Leben verloren.

Auf die aktuelle Kriegssituation im Nahen Osten bezogen, sagte Held, man verurteile auch den Hamas-Terror, der „so viel Blut und Leid“ über die Menschen in Israel brachte. „Unsere Anteilnahme an den israelischen Opfern ist gewaltig, ist groß.“ Doch auch die Zivilbevölkerung von Gaza leide. „Wir sehen auch dort das Leid von Kindern, Frauen und Männern. Wir können und wollen uns nicht wegducken, abwenden – weder hier noch dort.“

„Entscheidung tut uns leid“

Der Vorstand der Schwerter Diyanet-Moschee, Tekin Kalayci, war nicht zu der Gedenkfeier gekommen. Fritz Günter Held verlas eine Botschaft: „Er [Kalayci] sagt: ‚Wenn man die Politik so hört, dann denkt man, dass muslimisches Leben weniger wert sei als jüdisches. In einer Zeit, wo man achselzuckend hinnimmt, dass die israelische Regierung tausendfaches Leid auf palästinensischer Seite herbeiführt, in einer Zeit, wo man nichts in Richtung der Palästinenser und deren Leid sagen darf, ohne am Ende als Antisemit dargestellt zu werden. In dieser Zeit habe ich mich entschieden, gar nichts mehr zu sagen.‘“

Held betonte: „Diese Entscheidung tut uns sehr leid, wir respektieren sie. Und wir wollen an dieser Stelle sehr deutlich machen, dass wir sehr wohl etwas sagen. Auch zu den Opfern in Gaza.“

Auf Anfrage unserer Redaktion erklärt Tekin Kalayci am Montag (13.11.), er habe einfach nicht gewusst, was er auf der Gedenkfeier angesichts der aktuellen Lage in Nahost habe sagen sollen. Er bittet um Verständnis. „Ich habe mich sehr schlecht gefühlt. Was ich gesagt hätte, wäre vielleicht nicht gut angekommen. Und ich wollte keinen Schatten auf die Veranstaltung werfen.“

Zurzeit habe er häufig das Gefühl, dass zu einseitig über das Thema gesprochen und berichtet werde, so Kalayci. „Es werden Synagogen in Deutschland angegriffen, das ist schlimm. Aber auch Moscheen werden angegriffen. Und wer das Leid palästinensischer Zivilisten anspricht, gilt schnell als Antisemit. Viele fühlen sich da verletzt.“

„Gedenken ist richtig und wichtig“

Ob es in dem Zusammenhang nicht trotzdem besser gewesen wäre, persönlich auf der Gedenkfeier zu sprechen – gerade, um ein Zeichen zu setzen, dass man gemeinsam Gewalt gegen Menschen verurteilt? Auf die Frage antwortet Kalayci: „Diese Gedenkfeier ist absolut richtig und wichtig.“ Er wünsche sich auch für die Zukunft Zusammenhalt. „Ich hoffe, dass es irgendwann einen echten Frieden zwischen Christen, Juden und Muslimen gibt.“

Fritz Günter Held sagt auf Anfrage unserer Redaktion dazu: „Herr Kalayci hat als Vorstand für die Ditib-Moschee Schwerte immer wieder an der Gedenkstätte der Synagoge seine Stimme klar und eindeutig gegen Antisemitismus, Islamophobie und Rassismus erhoben und wird das hoffentlich auch weiter tun.“

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