Bürokratischer Aufwand

Schwerte muss Ganztag europaweit ausschreiben

Das Werk ist ein bürokratisches Monster: der Ausschreibungstext hat 34 Anlagen. Die Stadt Schwerte schreibt den Betrieb der Offenen Ganztagsbetreuung an sechs Grundschulen neu aus. Bislang hatte ein Verein aus Ergste die Betreuung ehrenamtlich übernommen. Was sich jetzt ändert, erklären wir hier.

SCHWERTE

, 16.12.2016 / Lesedauer: 3 min

Essen in der OGS der Reichshofschule Westhofen.

Warum hat die Ergster Familienaktion die Offene Ganztagssschule (OGS) aufgegeben?

Der Verein hatte den Vertrag mit der Stadt gekündigt, weil die Arbeit immer mehr und die Aktiven immer weniger wurden, erklärte Vorsitzender Wolfram Weber. 65 Beschäftigte hatte man für die Betreuung an sechs der sieben Schwerter Schulen. Nur in Villigst ist ein eigener Verein für den Ganztag zuständig. Zum Sommer 2017 kündigten die Ergster den Vertrag.

Warum muss der jetzt europaweit ausgeschrieben werden?

Das ist eine gesetzliche Vorgabe, da der Auftragswert bei geschätzten 1,2 Millionen Euro pro Jahr den von der EU für beschränkte Ausschreibungen festgelegten Höchstwert von 25.000 Euro deutlich überschreitet.

Was ändert sich für die Eltern ab Sommer?

Vor allem wird es teurer. Bislang zahlte man in Schwerte maximal 100 Euro für die Teilnahme an der Ganztagsbetreuung. „Das wird sich ändern“, kündigte Andreas Pap vom Fachbereich Jugend der Stadt gestern auf Anfrage an. Man werde die gesetzlich erlaubten 180 Euro für Besserverdiener (105.000 Euro Jahreseinkommen) ausschöpfen. Dafür wird das Angebot auch flexibler sein als die alte Ganztagsschule. Allerdings wird es keine Betreuung nach 16.15 Uhr geben.

Was ändert sich für das Personal?

In der Ausschreibung ist festgelegt, dass der neue Betreiber im Rahmen eines Betriebsübergangs das bisherige Personal übernehmen muss. Außerdem muss er ein Büro in Schwerte unterhalten. „Wir wollen nicht mit Portugal verhandeln müssen“, so Pap.

Was bekommt der neue Betreiber für seine Dienstleistung?

„Pro Kind pro Jahr werden 2.020 Euro von der Stadt gezahlt“, erklärt Pap. Danach müsse der Vertragspartner kalkulieren.

Wie finanziert die Stadt die Betreuung?

Zum einen durch die Beiträge der Eltern. Die reichen aber nicht aus. Das Land fördert die OGS mit Zuschüssen.

Warum ist das Verfahren so kompliziert und mit 34 Anlagen ausgestattet?

Wegen der Vergleichbarkeit darf nichts mehr nachverhandelt werden. Also muss die Stadt alle Einzelheiten bereits im Vertrag festlegen. Wenn das maximal dreistufige Verfahren beginnt, hat auch der Rat der Stadt keine Einflussmöglichkeit mehr. „Wenn wir tatsächlich etwas vergessen hätten, müssten wir das mit allen, die ein Angebot gemacht haben, neu und gleich verhandeln“, erklärt Pap.

Gibt es bereits Städte, die ihre OGS auf diese Art ausgeschrieben haben?

Nein, die Stadt Schwerte betritt hier Neuland. Um die Ausschreibung rechtssicher zu machen, musste man eine darauf spezialisierte Anwaltskanzlei einschalten.

Wie wahrscheinlich ist es, dass es Bewerber geben wird?

„Es gab bereits Interessenbekundungen, sonst hätten wir den Aufwand nicht betrieben“, so Pap.