Nachsitzen wegen Jogginghosen? TFG-Schüler Moritz (16): „Verfassungsrechtlich bedenklich“

Nachsitzen wegen Jogginghosen? – „Verfassungsrechtlich ist das bedenklich“
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„Wie ich mich selber kleide, ist meine Sache.“ Selbst trägt Moritz Lotz lieber schickere Klamotten. Der 16-Jährige ist Schüler der Theodor-Fleitmann-Gesamtschule in Schwerte. Gleichzeitig ist er aber auch Vorsitzender der Liberalen Schüler im Kreis Unna - einer Jugendorganisation der FDP. Und die fordern jetzt vehement die „Rettung der Jogginghose vor der pädagogischen Geschmackspolizei“.

Der Hintergrund: Kürzlich hat der Bundeselternrat gefordert, an Schulen eine Kleiderordnung einzuführen. „Lottrige, zerrissene und freizügige Kleidung“ solle an Schulen nicht mehr erlaubt sein, hatte die Vorsitzende Christiane Gotte gesagt – und eine Hausordnung ins Gespräch gebracht. Demnach sollen Lehrkräfte Kinder und Jugendliche, die nicht angemessen zum Unterricht erscheinen, zum Umziehen nach Hause schicken dürfen.

Diese Forderung hat viel Kritik nach sich gezogen - unter anderem auch von der Bundesschülerkonferenz. Eine Kleiderverordnung käme einer Bevormundung gleich. Wir haben an Schwerter Schulen nachgefragt, welche Regeln dort gelten – denn Moritz Lotz setzt sich dafür ein, dass das Thema Kleidung nicht durch Vorschriften reglementiert wird.

„Zentralistisches Verbot“

„Ich vertrete aber alle, die sich durch dieses zentralistische Verbot gestört fühlen.“ Was eine Jogginghose sei, sei schließlich Definitionssache. „Wer entscheidet das?“, fragt Lotz.

Mehrfach habe er von Schülern gehört, dass sie von der Schule aus zum Umziehen nach Hause geschickt worden seien. Anschließend seien ihnen unentschuldigte Fehlstunden eingetragen worden. „Das Einsetzen von solchen Ordnungsmaßnahmen halte ich verfassungsrechtlich für höchst bedenklich, weil es das Recht auf Bildung verletzt.“ An einer anderen Schule hätten „unangemessen“ bekleidete Schüler nachsitzen müssen - und während dieser Zeit schriftlich „aufarbeiten“ dürfen, wie man sich angemessen kleidet.

Was sagen die Schulleitungen dazu? An der Theodor-Fleitmann-Gesamtschule ist es nicht gern gesehen, wenn Schülerinnen und Schüler in Jogginghose zum Unterricht erscheinen – das bestätigt Schulleiterin Eva Brinkhoff. „Das Tragen von Jogginghosen entspricht nicht dem gewünschten Erscheinungsbild, das wir für einen Schulbesuch als angemessen betrachten“, so die Leiterin.

Der Grund: „Wir möchten unsere Schülerinnen und Schüler, auch in diesem Bereich, auf das spätere Berufsleben vorbereiten.“ Viele Firmen und Institutionen hätten eine Kleiderordnung, die das Tragen von Jogginghosen nicht erlaubt. „Indem wir als Schule auf angemessene Kleidung achten, bereiten wir die Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen des Arbeitslebens vor.“ Letztendlich sei es aber so, dass die Schule rechtlich, selbst bei einer entsprechenden Schul- oder Hausordnung, keinerlei Handhabe in diesem Bereich habe.

Tricks

Eva Brinkhoffs Kollegin, Schulleiterin Eva Graß-Marx von der Gesamtschule Gänsewinkel, findet auch: Die Schule ist ein Arbeitsplatz. „Daher kommunizieren wir gemeinsam eine dem Arbeitsplatz angemessene Kleidung.“ Mit den Kindern könne besprochen werden, was angemessen sei. Natürlich geben Kolleginnen und Kollegen auch manchmal eine Rückmeldung zur Kleidung. „Auch das gehört ja bei der Ausbildung und der klassischen Berufsvorbereitung dazu.“

Mit den klassischen „Tricks“ kennt sich die Schulleiterin aus. Eva Graß-Marx: „Eltern versuchen sicherlich, auf die Kleidung ihrer Kinder zu achten. Mitunter gibt es natürlich aber auch Kinder, die sich in der Schule umziehen und dann optimaler Weise hier eine Rückmeldung bekommen.“

Zum Thema Vorschriften sagt sie: „Einem gemeinsamen Handeln und dem Entwickeln eines Verständnisses ist für mich klar der Vorzug zu geben.“ So sollten Kinder auch Schulkleidung – wie Schul-T-Shirts - tragen, weil sie sich mit der Schule identifizieren - „und nicht, weil sie nichts anderes tragen dürfen.“

Jogginghosen in der Schule - ein ewiges Thema. Auch in Schwerte sprechen Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler an, wenn es um die Kleidungsfrage geht.
Jogginghosen in der Schule - ein ewiges Thema. Auch in Schwerte sprechen Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler an, wenn es um die Kleidungsfrage geht. © picture alliance/dpa

Heiko Klanke, Leiter des Friedrich-Bährens-Gymnasiums, hat vor allem mit gewaltverherrlichenden Motiven ein Problem. „Im Rahmen unseres pädagogischen Auftrags achten wir schon darauf, dass keine Kleidung getragen wird, die den Schulfrieden stört, weil sie zum Beispiel Gewalt verherrlicht.“

Aber auch bei zu freizügiger Kleidung im Sommer würden man eingreifen, räumt der Schulleiter ein. Ebenso werde darauf geachtet, dass Kleidung auch der Jahreszeit angemessen ist. „Zudem weisen Lehrkräfte daraufhin, dass zum Beispiel Kappen im Unterricht abgenommen werden.“

Das Thema habe insgesamt an der Schule eine sehr geringe Bedeutung. „Allerdings wird im Hinblick auf die Berufsorientierung durchaus thematisiert, dass eine situationsangemessene Kleidung ihre Berechtigung hat, weil sie immer den Respekt für die Situation und die Mitmenschen verdeutlicht.“

Diskutieren ist okay

Für pädagogische Hinweise durch Lehrkräfte und gemeinsame Diskussionen haben die Jungliberalen durchaus Verständnis. „Gerade bei gewaltverherrlichenden Motiven, oder bei Motiven, die auf andere verletzend wirken, muss man reden. Denn meine Freiheit endet dort, wo sie die Freiheit des anderen einschränkt“, sagt Moritz Lotz.

Grundsätzlich, findet der Gesamtschüler, könne man vieles in zwischenmenschlichen Gesprächen lösen. „Aber Kleidervorschriften sind keine Lösung.“

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