Die Grundsteuerreform könnte das Wohnen vielerorts teurer machen. Fakt ist: Individuelle Grundsteuerzahlungen werden sich ab dem neuen Jahr teils deutlich verändern.
In Schwerte ist die Entscheidung über die Hebesätze jüngst in einer Sondersitzung des Rates gefallen – die Ratsmitglieder stimmten mehrheitlich für eine Differenzierung und damit gegen die Empfehlung des Kämmerers Niklas Luhmann. Was das bedeutet und was sonst noch rund um das Thema wichtig ist, beantworten wir in unserer Übersicht.
Warum wird die Grundsteuer reformiert?
Ab dem 1. Januar 2025 müssen Immobilienbesitzer die Grundsteuer nach einer grundlegend neuen Berechnung zahlen. Die Reform geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2018 zurück, wonach die bisherige Bemessungsgrundlage in Deutschland verfassungswidrig ist. Bis zuletzt kalkulierten die Finanzämter den Wert einer Immobilie auf Grundlage stark veralteter Daten aus den 1960er-Jahren. Der Wert gab also an, wie viel ein Haus oder Grundstück damals wert war. Bundesweit muss daher der gesamte Grundbesitz durch die Finanzämter neu bewertet und die Steuer neu festgesetzt werden. Den Kommunen bleibt lediglich die undankbare Entscheidung über den Hebesatz – auf die Wertermittlung der Grundstücke haben sie keinen Einfluss.
Was bedeutet ein einheitlicher und ein differenzierter Hebesatz?
Das Land NRW hat den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, statt eines einheitlichen Hebesatzes, den es bisher stets gab, für alle Grundstücksarten differenzierte Hebesätze für Wohn- und Nicht-Wohngrundstücke anzuwenden, um das Wohnen zu entlasten. Nach der Empfehlung des Landes, um die Aufkommensneutralität (heißt: Die Summe der Einnahmen durch die Grundsteuer einer Kommune soll gleich bleiben) zu wahren, wäre das für die Grundsteuer B in Schwerte:
- bei einem einheitlichen Hebesatz 1.053 Prozent. Bisher liegt der Hebesatz für die Grundsteuer B in Schwerte bei 880, allerdings galt dieser auch für die bisherigen, alten Messbeträge.
- bei einem differenzierten Hebesatz für Wohngrundstücke 890 Prozent und bei Nichtwohngrundstücken 1.750 Prozent
Welche Entscheidung hat der Rat der Stadt Schwerte getroffen?
In einer Sondersitzung des Rates der Stadt Schwerte stimmten die Ratsmitglieder mit einer deutlichen Mehrheit dafür, dass ab dem kommenden Jahr in Schwerte differenzierte Hebesätze bei der Grundsteuer B für Wohngrundstücke und Nicht-Wohngrundstücke eingeführt werden.
Differenzierte Hebesätze seien das kleinere Übel, weil sie den deutlichen Anstieg der Grundsteuer durch die Reform bei vielen Wohngrundstücken zumindest dämpfen würden. Bei einem einheitlichen Hebesatz wären Wohngrundstücke deutlich stärker betroffen gewesen. Nicht-Wohngrundstücke werden so oder so teils deutlich entlastet.
Warum ärgern sich Politiker und Verantwortliche der Stadt Schwerte über die Grundsteuerreform?
Den Ratsmitgliedern und auch Kämmerer Niklas Luhmann war der Frust über die Ausgestaltung der Grundsteuerreform deutlich anzumerken. Beide zur Wahl stehenden Möglichkeiten, sowohl differenzierte als auch einheitliche Hebesätze, seien nicht zufriedenstellend und die Entscheidung darüber sei von Bund und Land einfach an die Kommunen weitergegeben worden – so der allgemeine Tenor. Von einer Wahl „zwischen Pest und Cholera“ und „zwei unzumutbaren Optionen“ war unter anderem die Rede.
Kämmerer Niklas Luhmann kritisierte, dass den Kommunen nicht ausreichend Zeit für eine rechtskonforme Umsetzung der differenzierten Hebesätze bleibe. Insgesamt mache sich das Land zulasten der Kommunen von der rechtlichen und politischen Verantwortung frei und lasse die Kommunen im Regen stehen. „Bereits bei der Wertermittlung der Grundstücke durch die Finanzämter hätte man eingreifen müssen. Jetzt hat man die Entscheidung auf die Kommunen verlagert.“
Auf der Homepage der Finanzverwaltung NRW heißt es immerhin: „Das Ministerium der Finanzen unterstützt die Kommunen im Land bei der rechtssicheren Umsetzung der Grundsteuer und der möglichen Nutzung von differenzierten Hebesätzen.“ Doch die Einführung der differenzierten Hebesätze bei Wohn- und Nicht-Wohngrundstücken ist weiterhin rechtlich umstritten. Und: Beschwerden und Nachfragen aufgrund höher ausfallender Grundsteuerbescheide richten sich zunächst an die Stadt, die auf die Wertermittlung keinen Einfluss hatte.
Was bedeutet die Grundsteuerreform für Einwohner in Schwerte ab 2025?
Eine pauschale Antwort darauf gibt es nicht. Ob und inwieweit ein Grundstück durch das Finanzamt im Wert höher eingeschätzt wurde als vorher, hängt von mehreren Faktoren ab. „Ältere Wohnhäuser sind aber tendenziell mehr betroffen als neuere“, erklärt Kämmerer Niklas Luhmann. „Es gibt aber auch Fälle, die den Leuten richtig wehtun“, weiß Luhmann. Er nennt ein fiktives Beispiel: Jemand möchte auf seinem Grundstück noch ein Haus bauen. Die Bauordnung der Stadt sagt jedoch, dass dies nicht möglich sei. „Weil die Finanzämter aber vereinfachte Verfahren zur Wertermittlung genutzt haben, kann es sein, dass für dieses Grundstück das Potenzial für weitere Wohnhäuser erkannt wurde und dementsprechend mehr Grundsteuer gezahlt werden muss – obwohl es die Bauordnung der Stadt nicht erlaubt.“
Wie berechne ich als Eigentümerin oder Eigentümer die Grundsteuer?
Beträgt der Hebesatz 890 Prozent, wird der Grundsteuermessbetrag mit 890 multipliziert und dann durch 100 geteilt, um die Grundsteuer zu berechnen. Beispiel: Der Grundsteuermessbetrag liegt bei 85 Euro, der Hebesatz bei 890 Prozent. Dann beträgt die zu zahlenden Grundsteuer 756,50 Euro im Jahr (85 x 890 : 100).
Wie kann ich als Mieterin oder Mieter meine künftige Grundsteuer berechnen?
Sofern im Mietvertrag vereinbart, kann die Grundsteuer über die Betriebskosten auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden. Dies ist bei den meisten auch der Fall. Um die Grundsteuer nun anteilig für eine Wohnung eines Mehrfamilienhauses zu berechnen, muss der neue Grundsteuermessbetrag (vom Finanzamt ermittelt) zunächst wieder mit dem Hebesatz multipliziert und dann durch 100 geteilt werden. Das ergibt, wie oben beschrieben, die Grundsteuer für das gesamte Haus.
Die anteilige Grundsteuerzahlung für die einzelne Wohnung wird dann anhand der Wohnfläche berechnet, also Grundsteuer geteilt durch die Gesamtquadratmeterzahl mal Wohnfläche. Beispiel: Die Grundsteuer für ein Miethaus mit 360 Quadratmetern Wohnfläche beträgt 550 Euro. Die Wohnung ist 60 Quadratmeter groß. Der zu zahlende Anteil beträgt 550 : 360 x 60, also 91,67 Euro im Jahr.
Warum hat Niklas Luhmann (Kämmerer) der Politik empfohlen, für einen einheitlichen Hebesatz zu stimmen?
Aufgrund der rechtlichen Unsicherheit warb Niklas Luhmann für einen einheitlichen Hebesatz. „Als Bürger und Steuerzahler kann ich die differenzierten Hebesätze verstehen“, erklärte er. „Gegen eine Differenzierung sprechen allerdings die rechtlichen Bedenken.“ Aktuell liegen tatsächlich zwei Rechtsgutachten mit gegensätzlichen Einschätzungen vor.
„Mein entscheidender Punkt ist aber, dass die Differenzierung, die eigentlich das Wohnen deutlich entlasten sollte, von vielen wahrscheinlich gar nicht als großartige Entlastung wahrgenommen wird“, betont Luhmann, da es bei vielen durch die neue Wertermittlung so oder so eine enorme Erhöhung der Grundsteuer geben werde. Die verhältnismäßig kleine Abmilderung der Kostensteigerung durch differenzierte Hebesätze sei für viele vermutlich keine großartige „Entlastung“. Und zudem rechtlich umstritten.
Und: Viele Wohnungen werden laut Luhmann durch eine Differenzierung gar nicht privilegiert. Das betrifft speziell gemischt genutzte Gebäude, in denen sich beispielsweise im Erdgeschoss ein Bäcker, eine Praxis oder ein anderes Gewerbe befinde und oben Wohnungen. Die Menschen dort hätten von der beschlossenen Differenzierung nichts.
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Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 17. Dezember 2024.