Der Bundeselternrat fordert eine Kleiderordnung sowie die Abschaffung von Jogginghosen und zerrissener, „verlotterter“ sowie freizügiger Kleidung an Schulen. Dazu kann ich nur sagen: Glückwunsch! Während wir aktuell aus einer Pandemie herausgekommen sind (und uns Sorgen um die nächste machen), einen Krieg in Europa erleben und die Folgen des Klimawandels zum ersten Mal am eigenen Leib erfahren, haben diese Eltern auf ein ernstes Problem hingewiesen, das in seiner Dringlichkeit das politische Weltgeschehen bei Weitem übertrifft: die Klamotten-Frage!
Endlich, endlich macht sich mal jemand Gedanken über die wichtigen Dinge des Lebens. Was fällt den Blagen auch ein? Die können doch nicht einfach anziehen, was sie wollen. Wäre ja noch schöner! Am Ende entwickeln sie gar einen eigenen Geschmack oder – huch – widersprechen uns. Nein, da sollten die Lehrkräfte mal schön den Daumen draufhalten. Die haben ja auch sonst nichts zu tun.
Löcher in der Hose...
Apropos Lehrkräfte – dürfen Erwachsene eigentlich auch anziehen, was sie wollen? Haben sie die Moderegeln erfunden? Ich erinnere mich an meinen Lateinlehrer, der sich vor 30 Jahren tierisch darüber aufregte, wenn jemand von uns ein Loch in der Jeans hatte (ganz schön lottrig waren wir damals unterwegs.)
Der Mann trug jeden Tag den gleichen braunen Cord-Anzug, ein braunes Krokodilleder-Täschchen, dazu passend gelblich-graue Socken in braunen Sandalen. Das durfte ich mir an mindestens sechs Stunden in der Woche ansehen. Gerochen hat man ihn übrigens auch. Wie gern hätte ich den Modezaren (oder Caesaren) gebeten, wenigstens sein Sakko mal ordentlich zu lüften. Hätte ich das getan – ich hätte mich nicht lottrig, sondern vor allem warm anziehen können.
Doch zurück aus der verstaubten Cord-Anzug-Vergangenheit in die modisch-bewusste Gegenwart. Nein, Jogginghosen und bauchfreie Tops müssen nicht jedem gefallen. Ja, die Jungs und Mädels laufen mitunter in Klamotten herum, bei denen man sich die Augen reibt.
Doch habe ich meiner Tochter vorzuschreiben, dass sie das Shirt nur bis zu fünf Zentimeter oberhalb der Gürtellinie und die Leggings bitte nur bis zu einem bestimmten Oberschenkelumfang tragen darf? Und habe ich zu entscheiden, dass mein Sohn in der Schule Jeans tragen muss – weil eine Stoffhose als Jogging-No-Go angesehen werden könnte? Nein, habe ich nicht.
Liebe Eltern, ich bitte Euch. Das sind Machtspielchen ohne Gewinner. Und wenn man solche Schlachten unbedingt austragen möchte – dann bitteschön im privaten Familienbereich, anstatt mehr Regeln von ohnehin überforderten Lehrkräften zu fordern. Die haben gerade ihre liebe Mühe damit, unsere Kinder davon abzuhalten, mit dem iPad bei Zalando während des Mathe-Unterrichts NEUE Jogginghosen zu bestellen.
Die Vorsitzende des Bundeselternrats Christiane Gotte sagt, vor allem Mütter seien die morgendlichen Diskussionen um angemessene Kleidung leid. Welche Erkenntnis. Mein Mann und ich sind es auch leid, ständig Wäsche zu waschen, Essen zu kochen und die Spülmaschine auszuräumen. Wenn wir damit eines Tages nicht mehr klarkommen, gründen wir eine Selbsthilfegruppe.

...und ständig dieser Lärm!
Ich mag es übrigens auch persönlich nicht, dass meine Jungs Jogginghosen in der Schule tragen. Zum Glück bestehen sie nicht darauf; sie tragen gern Cargohosen. Was, wenn die bald verpönt sind? Wenn eines Tages bunte Baströckchen „en vogue“ sind? Dann habe ich eben Pech gehabt.
Viel wichtiger ist doch, dass Jugendliche sich in der Schule anderen gegenüber rücksichts- und respektvoll verhalten, dass sie die Kappe abnehmen oder die Kapuze zurückklappen. Denn solche Regeln haben etwas mit Augenkontakt zu tun. Und ich habe auch nichts dagegen, wenn Lehrkräfte ihre Schützlinge nach dem Sport in der sechsten Stunde auffordern, ein Deo zu benutzen und das Shirt zu wechseln. Das hat nämlich etwas mit dem Überleben der Klassengemeinschaft zu tun.
Deshalb müssen sich Lehrkräfte noch lange nicht mit zerrissenen Jeans und Jogginghosen herumärgern. Und lottrig gekleidete Kinder nach Hause schicken oder nachsitzen lassen. Damit sie anschließend einen Aufsatz schreiben dürfen über die „negativen Auswirkungen des Nasenpiercings im Bewerbungsgespräch“.
Interessant fände ich es, wenn man erwachsene Badegäste regelkonform aus dem Schwimmbad nach Hause schicken dürfte, damit sie sich vor dem Betreten des Beckens die lottrigen Fußnägel um eineinhalb Zentimeter kürzen.
Unsere Kinder sitzen vielerorts seit Jahren in abgewrackten Klassenräumen, der Putz blättert ab, die Heizung funktioniert nicht, die Türen hängen locker im Rahmen, die Mensa ist wegen Personalmangels geschlossen und auf der Schultoilette ist mal wieder der Mülleimer vollgepinkelt. Aber Hauptsache, sie kleben in schicken Jeans (nur bitte nicht zu stone-washed) am Kaugummi fest.
Während gleichzeitig viele Erwachsene gegen begründete Vorschriften und Empfehlungen wie das Tragen einer Corona-Maske oder ein Tempolimit auf Autobahnen protestieren. Nein, wir lassen uns nichts vorschreiben! Könnte ja ein Eingriff ins Persönlichkeitsrecht sein.
„Rettet Jogginghose vor Geschmackspolizei“: Moritz Lotz (16) gegen Kleidervorschrift im Kreis Unna
Vielleicht doch mal mit Torte anfangen?: Ein Besuch im neuen ukrainischen Restaurant Rosmarin
15 Hotspots in Schwerte geplant: Bald freie Internetzugänge in der gesamten City