An unserer Umfrage über digitale Kompetenzen der Schulen haben viele Leser teilgenommen. In den Kommentaren hagelt es Kritik. Eine Schulleiterin sagt: „Das kann ich so nicht akzeptieren.“
Unsere Schulumfrage hat ernüchternde Ergebnisse zutage gefördert. Insgesamt hatten sich in unserem Verbreitungsgebiet zwischen Dortmund im Osten und Dorsten im Westen, Schwerte im Süden und Ahaus im Norden 1.364 Eltern, 531 Lehrkräfte und 320 Schüler ab 16 Jahren beteiligt. Rund 200 von ihnen kommen aus Schwerte.
Schwerter Eltern und Schüler geben „ihren“ Schulen darin eher mittelmäßige Noten, was die digitale Ausstattung und Umsetzung betrifft. Die genauen Zahlen haben wir in einer gesonderten Übersicht vorgestellt.
Ungewöhnlich ist, dass in Schwerte besonders viele Teilnehmer Kommentare eingetragen haben. So schreibt die Mutter eines Grundschulkindes: „Unsere Schule steckt noch im digitalen Mittelalter. Ich mache den Job der Lehrerin, meinen noch nebenher. Es ist unglaublich.“
Die Eltern eines Kindes aus der vierten Klasse schreiben: „An Schulen mangelt es an Lehrkräften, Geld und an Möglichkeiten sich dem digitalen Wandel gegenüber vernünftig aufzustellen.“
„Vermittlung von neuem Stoff wird Kindern überlassen“
Ein Kommentar wurde vom Elternteil eines Zehntklässlers an einer Gesamtschule geschrieben: „Die Einstellung der Lehrer zum digitalen Unterricht ist völlig unterschiedlich. Manche machen tatsächlich Unterricht als wären die Kinder live in der Schule, andere fragen höchstens die Hausaufgaben ab oder geben neue Aufgaben die die Kinder allein lösen sollen.... Vermittlung von neuem Stoff wird den Kindern oft selbst überlassen.“

Hausaufgaben im Distanzunterricht: Eine Herausforderung für Schüler und Lehrer. © Niehaus
Auch ein Gesamtschullehrer hat sich geäußert: „Wir arbeiten mit der App Teams, das geht sehr gut! Leider erreicht man nicht alle Schülerinnen und Schüler, aber wir bemühen uns alle sehr und richten nun study rooms in der Schule ein.“ Der Lehrer gibt weiterhin an, die Schule habe einen IT-Experten in Vollzeit, und das WLAN sei „pfeilschnell mit Breitbandanschluss“.
Lob: Lehrer auch am Wochenende erreichbar
Manche Eltern sind offenbar zufrieden mit der Schule: „Das Gymnasium unserer beiden Töchter hat innerhalb kürzester Zeit - sozusagen von 0 auf 100 - die Digitalisierung einheitlich und sehr gut umgesetzt. Dank eines engagierten Kollegiums läuft es hervorragend und lässt nur wenig Wünsche offen.“ Dennoch fehle den Kindern natürlich der soziale Kontakt.
Das Friedrich-Bährens-Gymnasium wird ausdrücklich vom Elternteil eines Sechstklässlers gelobt: „Ich möchte mich speziell bei der Schule meines Sohnes für den ausgesprochen engagierten Umgang mit dem Online-Unterricht bedanken. Die mir bekannten Lehrer des FBGs in Schwerte schaffen es wirklich hervorragend, den Unterricht täglich in allen Fächern mit Video-Konferenzen aufrecht zu erhalten. Dabei bleiben sie geduldig, feinfühlig persönlich und zwischendurch sogar witzig. Sie sind auch in der Lage, bei den Schülern herrschende, technische Ungleichheiten zu improvisieren und sind selbst am Nachmittag oder Wochenende oft für Fragen erreichbar. Dafür ein Riesen-DANKESCHÖN.“
Doch es gibt eben auch Kritik: Lehrer seien „überfordert oder lustlos“, schreibt ein Schüler. Ein anderer fragt: „Wie sollen wir unsere Abiturprüfung schreiben?“ Ein weiterer Schüler bemängelt, dass man in den Videokonferenzen „durch das McDonalds-Mikrofon vom Lehrer nichts versteht“.
„Warum finden nur ausgewählte Stunden statt?“
Einige der kritischen Kommentare richten sich ausdrücklich an das Ruhrtalgymnasium. So schreibt ein Teilnehmer: „Mein Sohn hat in der Q1 10 Fächer: Von 10 Fachlehrern bieten nur vier Audiokonferenzen an. [...] Insgesamt finde ich, dass das RTG noch viel Luft nach oben hat. [...]“
In einem Schülerkommentar (11. Klasse) steht: „Am RTG ist die digitale Kompetenz bei den meisten Lehren schlecht gegeben. Es gibt auch ,Totalverweigerer‘. Warum werden am FBG [...] alle Schüler zu fast 100% mit Videounterstützung beschult und im Gegensatz dazu finden an meiner Schule nur ausgewählte Stunden per Video statt?“

Videokonferenzen stellen den Kontakt zu Lehrern und Mitschülern her. Manche Eltern wünschen sich mehr davon. Doch wie viele Konferenzen sind zu viele? © Martina Niehaus (A)
Die Eltern eines Sechstklässlers am RTG schreiben, das Kollegium „verharrt in alten Mustern, nimmt technische und inhaltliche externe Hilfe nicht an, hat Probleme mit neuen Medien - dazu gehört leider auch immer noch das Thema E-Mail - und überdeckt eingeschränkte Medienkompetenz mit schlecht funktionierenden ,Laptop-Klassen‘“.
Schulleiterin: „Das kann ich so nicht stehen lassen.“
„Ich bin erstaunt und ärgere mich über solche Kommentare“, sagt RTG-Schulleiterin Bärbel Eschmann auf Anfrage unserer Redaktion. Sie seien „ein typisches Beispiel für einen Rundumschlag, den ich so nicht stehen lassen kann. Wir machen digitale Schule seit fünf Jahren.“ Dazu gehörten ständige externe und interne Fortbildungen, an denen das Kollegium engagiert teilnehme.

RTG-Schulleiterin Bärbel Eschmann © Foto: Bernd Paulitschke (A)
Natürlich gebe es an jeder Schule Kollegen, die sich schwerer tun. „Das gibt es bei Schülern auch“, sagt Bärbel Eschmann. Das Wort „Totalverweigerer“ sei in dem Zusammenhang unangemessen. Wie genau jeder Lehrer seine Stunde abhalte, sei eine „pädagogische Entscheidung“. Wie im Präsenzunterricht auch.
Besonders den Kommentar des Sechstklässler-Elternteils kann sie nicht nachvollziehen. „Jeder Schüler hat einen eigenen Mail-Account, die Kommunikation läuft professionell.“ Die digitalen Konzepte seien mit Kollegen, Eltern- und Schülervertretern abgesprochen.
Und die Kritik an Laptop-Klassen, so Eschmann, könne sie bei Sechstklässler-Eltern gar nicht verstehen. „Unsere Laptop-Klassen starten erst im siebten Schuljahr.“
Kein „Videokonferenz-Marathon“
Die Schulleiterin glaubt, es sei ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Video-Unterricht eins zu eins mit dem Stundenplan abgebildet würde. „Dann hätten die Kinder pausenlos Konferenzen, das wäre viel zu anstrengend. Jeder, der schon einmal so einen Konferenzmarathon hinter sich hatte, weiß das.“
Um mit großen Klassen Distanzunterricht zu ermöglichen, müsse man Klassen auch aufteilen. „So mache ich das im Lateinunterricht.“ Die andere Hälfte könne in der Zeit Aufgaben bearbeiten. Die Lehrer seien aber immer für die Schüler ansprechbar, per Mail oder in privaten Videosprechstunden.

Das Ruhrtal-Gymnasium in Schwerte © Bernd Paulitschke (A)
Und was ist mit den Eltern und Schülern, die sich in der Umfrage über mangelndes Feedback beklagt haben? „Ganz ehrlich: Im Präsenzunterricht bekommt auch nicht jeder Schüler immer eine Rückmeldung zu den Hausaufgaben. Einige Kinder tragen ihre Aufgaben vor, die anderen vergleichen. Momentan bekommen unsere Schüler mehr Feedback als je zuvor.“
Die Schulleiterin versteht, dass sich gerade viele Eltern und Schüler Sorgen machen. „Dann sollen sie sich bei uns melden“, bittet sie. Mit Schülern habe es in Bezug auf Abitur-Sorgen sogar vor Kurzem eine gesonderte Konferenz gegeben. Sie sei durchaus kritikfähig, sagt Bärbel Eschmann. Aber: „Wenn niemand aus der Deckung kommt, kann ich auch nichts tun.“
Begegnungen mit interessanten Menschen und ganz nah dran sein an spannenden Geschichten: Das macht für mich Lokaljournalismus aus.
