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Homeoffice mit einem Zweijährigen? „Keine Chance!“
Familien im Lockdown
Homeoffice und Homeschooling – das beschäftigt Eltern im Corona-Lockdown. Ältere Kinder sind meist selbstständig. Doch die Mutter von Jonah (2) sagt: „Homeoffice geht bei uns nicht.“
Wenn die Oma mit ihren Weisheiten Recht hätte. Dann wäre ja alles klar. „Kleine Kinder, kleine Sorgen - große Kinder, große Sorgen.“ Das ist so ein Spruch. Mit älteren Kindern haben Eltern gerade bestimmt große Sorgen. Aber die kleinen Sorgen sind auch nicht ohne.
Dirk Schatkowski und Andreas Schulz gehören zur Kategorie „Große Kinder“. Nicht sie selbst, sondern ihr Nachwuchs natürlich. Die beiden Familienväter sind Mitglieder des Schulpflegschaftsteams des Ruhrtal-Gymnasiums in Schwerte. Die Kinder von Dirk Schatkowski sind 11 und 14 Jahre alt, die Kinder von Andreas Schulz sind bereits 17 und 19.
Die Großen sind selbstständig
„Bisher hat das digitale Lernen gut geklappt“, sagt Dirk Schatkowski. „Wir sind gut gestartet.“ Wenn sein Sohn Lukas in Videokonferenzen lernt, seien die Lehrer immer ansprechbar. „Das Ruhrtal-Gymnasium hat aber auch schon seit Jahren Erfahrung mit i-Pad-Klassen“, erzählt der 51-jährige Vater.

Ältere Kinder kommen mit dem Homeschooling ganz gut klar. Doch was ist mit den Kleinen? © picture alliance / dpa
Auch die Kinder von Andreas Schulz lernen selbstständig. Der Ingenieur, der gerade ebenfalls von zu Hause arbeiten kann, macht sich dennoch Sorgen. „Die Kinder sind raus aus dem Präsenzunterricht, müssen aber irgendwann Klausuren schreiben“, sagt er. Auch er betont, dass das RTG digital sehr gut aufgestellt sei. „Trotzdem ersetzt Digitalunterricht auf Dauer keinen Präsenzunterricht. Da sind Defizite vorprogrammiert“, befürchtet er.
Studium auf Distanz? „Ein Graus“
Beide Väter machen sich Sorgen, wenn es um die Abschlussprüfungen geht. Und sie bedauern, dass ihre Kinder im Teenageralter gerade auch viel verpassen. Sie versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. „Wir haben zwei Kinder, die haben ja sich“, räumt Schatkowski ein. „Und manchmal treffen sie sich sogar online mit ihren Freunden.“
Aber das sei dann doch nicht das Gleiche wie Kinobesuche, Shoppingtouren oder Partys. „Rausgehen, tanzen, feiern: Alles fällt weg“, sagt Schulz, dessen Tochter gerade das Abi gemacht hat. Wenn sie ein Studium beginnt, läuft da auch erstmal alles auf Distanz. „Das ist ja ein Graus“, sagt der Vater.

Wenn der Digitalunterricht klappt, ist das gut. Aber Präsenzunterricht kann man nicht ersetzen. © picture alliance/dpa
Trotzdem sind sich die beiden einig: Sie haben zumindest kein Betreuungsproblem. „Die alleinerziehende Verkäuferin kann das nicht leisten, und kleinere Kinder sind sicher auch eine ganz andere Hausnummer“, sagt Dirk Schatkowski.
Der Zweijährige will im Homeoffice mittippen
Wie recht er hat. Jonah zum Beispiel, der ist mit seinen zwei Jahren eine ganz schöne Hausnummer für seine Eltern. Hier machen also bereits kleine Kinder große Sorgen. „Homeoffice mit einem Zweijährigen? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit“, erzählt Jonahs Mama, Mirjam Kirsch.
Die 38-Jährige arbeitet als Sozialarbeiterin und könnte theoretisch auch von zu Hause aus ihre Termine wahrnehmen. Theoretisch. „Das kann man ja mal versuchen. Wenn ein Zweijähriger dauernd versucht, mit seinen Fingern auf der Tastatur herumzupatschen. Der will ja mittippen“, sagt sie und lacht.
Wenn Jonah wach ist, braucht er die Aufmerksamkeit seiner Mama. Deshalb jongliert Mirjam Kirsch zurzeit mit den ihr zur Verfügung stehenden Urlaubstagen. Und sie schickt den Kleinen, soweit es geht, zur Großtagespflegestelle „Die Wittekinder“. Drei Tagesmütter kümmern sich dort aktuell um neun Kinder.
„Der ganze Tag fliegt einem um die Ohren“
Auch dort herrscht gerade eingeschränkter Betrieb - weil manche der Tagesmütter ihre eigenen Kinder betreuen müssen. In der kleinen Notgruppe sind die Öffnungszeiten flexibel. „So kann man die Kinder zu versetzten Zeiten bringen, das klappt ganz gut“, erzählt Mirjam Kirsch.

Die Notbetreuung in der Kita ist für viele Eltern die einzige Lösung. © picture alliance/dpa
Doch wenn man den Tagesablauf eines Zweijährigen zu sehr durcheinanderbringt, kann das auch problematisch werden. „Jonah braucht Regelmäßigkeit. Wenn man den Rhythmus mit Essen und Schlafen dauernd unterbricht, kann einem schnell der ganze Tag um die Ohren fliegen“, erzählt Mirjam Kirsch. Trotzdem wechselt sie zwischen Notbetreuung und freien Tagen, um Kind und Homeoffice zu stemmen.
„Ich würde sie gern mal wieder ohne Maske sehen“
Und dann gibt es noch die Mütter und Väter, die gar nicht von zu Hause aus arbeiten können. Veronique Gebhardt von der Übermittagsbetreuung des Ruhrtal-Gymnasiums kümmert sich zurzeit im Schnitt um 15 bis 20 Kinder in der Notbetreuung. Ihre Eltern sind alleinerziehend oder haben einen Job, bei dem sie raus müssen.

Veronique Gebhardt von der Notbetreuung am RTG sagt: „Ich möchte die Kinder mal wieder ohne Maske sehen.“ © privat
Wie der kleine Jonah brauchen auch diese Kinder einen verlässlichen Tagesrhythmus. „Selbst Fünft- und Sechstklässler haben schon ein erstaunlich großes Bedürfnis nach Struktur“, erzählt die 31-jährige Betreuerin. „Und sie verhalten sich sehr verantwortungsvoll.“
So hielten sich die Kinder in der Betreuung ganz von allein an Maskenpflicht und Hygieneregeln. „Ich würde mir aber wünschen, sie endlich mal wieder ohne Maske zu sehen“, sagt Veronique Gebhardt. „Und auch wieder einen schönen Ausflug mit ihnen zu machen.“
Mirjam Kirsch hofft auch darauf, dass der stressige Corona-Alltag bald Geschichte ist. „Urlaub, das wäre meine große Sehnsucht“, sagt sie. „Wir hatten ja mit dem Kleinen noch gar keinen richtigen Familienurlaub.“ Erstmal würde es ihr aber reichen, wenn es bald wärmer wird. „Ich friere so schnell.“
Begegnungen mit interessanten Menschen und ganz nah dran sein an spannenden Geschichten: Das macht für mich Lokaljournalismus aus.
