Rüge an den Rat der Stadt Schwerte Grüne prangern Mehrheitsverhältnisse an

Rüge an den Rat der Stadt Schwerte: Grüne prangern Mehrheitsverhältnisse an
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Mit neuer Fraktion und teils neuen Ratsmitgliedern ging der Rat der Stadt Schwerte nach der Sommerpause an den Start. Es war eine Sitzung mit Seltenheitswert. Nach teils harscher Diskussion standen am Ende zwei Rügen im Raum, die die Schwerter Grünen zu Protokoll gaben. Symbolischen Charakter sollen sie jedoch nicht haben, will man nun sogar in einem nächsten Schritt vor das Verwaltungsgericht ziehen. Doch was war passiert?

Weil sich im Sommer die neue Fraktion „Freie Stimmen für Schwerte“ gebildet hatte, mussten in der Sitzung des Rates am Mittwochabend (20.9.) alle Fachausschüsse neu gegründet werden. Die Frage, die ausschlaggebend war für die anstehende Diskussion, war die nach der Fraktionsstärke: Wie viele stimmberechtigte Mitglieder sitzen in den jeweiligen Fachausschüssen und dürfen dort mitentscheiden über die Belange der Stadt?

Festgelegt hatte man im Vorfeld eine Ausschussgröße von 18 Mitgliedern, bei der sich folgende Sitzverteilung ergibt:

  • SPD: 7 Sitze
  • CDU: 4 Sitze
  • Die Grünen: 4 Sitze
  • FDP, WfS und Freie Stimmen: jeweils ein Sitz

Zur Erklärung: Diese Sitzverteilung in den Fachausschüssen muss sich im Verhältnis nach der Mehrheit der Sitze im Rat (insgesamt 44 Sitze plus Bürgermeister) richten, wobei der Rat nach eigenem Ermessen bestimmen kann. Genau an diesem Punkt kam es am Mittwoch zur Auseinandersetzung. Was bedeutet „nach eigenem Ermessen“? Wo hat der Rat noch ein freies Gestaltungsrecht und ab welchem Punkt setzt die Willkür ein?

„Widerspruch muss geheilt werden“

So pochten die Grünen auf eine Ausschussgröße von 17 Mitgliedern und wollten diese per Antrag durchkriegen. In diesem Fall blieben noch sechs Sitze für die SPD übrig. Die Begründung: Eine Ausschussgröße von 18 Mitgliedern hätte zur Folge, dass sich mögliche Mehrheiten im Rat in den Ausschüssen nicht wiederfinden. „Dieser Widerspruch muss geheilt werden“, hieß es in dem Antrag der Grünen. Ansonsten wäre der „Grundsatz der Spiegelbildlichkeit“ verletzt.

In seinen Ausführungen wurde Grünen-Fraktionssprecher Bruno Heinz-Fischer dann deutlicher: „Wir müssen alle so rechtskundig sein, dass wir die 18er-Aufteilung so nicht durchgehen lassen können.“

Grünen-Ratsmitglied Michael Rotthowe rechnete vor:

  • SPD und CDU bilden eine Mehrheit im Rat und auch in den Ausschüssen – sowohl bei einer 17er- als auch bei einer 18er-Regelung;
  • SPD und Grüne bilden eine Mehrheit im Rat und in den Ausschüssen – sowohl bei einer 17er- als auch bei einer 18er-Regelung;
  • CDU, Grüne und FDP bilden eine Mehrheit im Rat, bei einer 18er-Regelung allerdings nicht in den Ausschüssen.

Um noch einmal konkreter zu werden: Eine mögliche Mehrheit im Rat aus CDU, den Grünen und WfS mit 23 von 44 Mandaten würde sich beispielsweise im Ausschuss nicht widerspiegeln. Hier könnte es lediglich zu einer Pattsituation kommen.

„Dann sitzen wir hier demnächst halt länger“, sagte Rotthowe, gerichtet an die übrigen Ratsmitglieder, und meinte, dass der Rat im Einzelfall Abweichungen von der Zuständigkeitsordnung beschließen oder Entscheidungen an sich ziehen kann.

Die Zitate des Abends:

  • Bürgermeister Dimitrios Axourgos (SPD) an Bruno Heinz-Fischer: „Diese Vehemenz, mit der Sie das vorgetragen haben, finde ich schon erstaunlich. 2022 haben die Grünen einstimmig dieser Ausschussgröße zugestimmt, da haben wir die Auflösung der AfD-Fraktion gehabt, da haben die Grünen das mitgetragen.“
  • Egon Schrezenmaier (CDU) an Michael Rotthowe: „Wenn Sie meinen, Sie müssen uns drohen mit langen Sitzungen, das lasse ich mir nicht mehr bieten.“
  • Marc Seelbach (SPD): „Diese Form der politischen Selbstbeschäftigung sollten wir einstellen, wir haben genug zu tun. Das ist als politisches Manöver ersichtlich. Wir sollten uns 2025 (nach der nächsten Kommunalwahl, Anm. d. Red.) in Ruhe um die Neuaufteilung der Ausschüsse kümmern.“
  • Phillip Köhler (FDP): „Die 17er-Regelung empfinden wir als objektiv besser. Es mag sein, dass es keine rechtliche Notwendigkeit gibt, aber trotzdem ist das sachlich erst mal ernst zunehmen.“
  • Sebastian Rühling (Fraktion „Freie Stimmen“): „Die Idee ist erst mal gut, aber für die laufende Periode würde das nur zu großen Problemen führen.“
  • Andreas Czichowski (WfS): „Wir haben es versäumt, die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen richtig darzustellen und sollten den Vorschlag der Grünen gutheißen, weil das eine Gerechtigkeit herstellt. Die großen Fraktionen gucken hier auf die kleinen, die ‚Halbstarken‘, wenn ich das mal so sagen darf. Feuer frei für die, die kämpfen wollen.“

Am Ende beschloss der Rat der Stadt Schwerte bei 12 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen am Mittwoch die bisherige Fraktionsstärke von 18 Mitgliedern in den Ausschüssen – nach 2022 ein weiteres Mal: Damit kommen die Sozialdemokraten auf sieben Sitze, CDU und Grüne auf vier, FDP, WfS und die „Freien Stimmen“ auf jeweils einen Sitz.

„Wir rügen den Beschluss aus der Ratssitzung vom 20.9.2023 zur personellen Stärke der Ausschüsse, da er unserer Ansicht nach inhaltlich zu beanstanden und rechtswidrig ist“, trugen die Grünen im direkten Anschluss an den Ratsentscheid vor. Es sollte nicht die einzige Rüge an diesem Abend bleiben. Auch beim Beschluss zur Finanzierung der Fraktionen sah man sich im Nachteil.

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