Mit dem Pinsel reinigt Restauratorin Katharina Liebetrau die Darstellung der Heiligen Drei Könige im Goldenen Schnitzaltar der Viktorkirche. Die gelösten Schmutzteilchen fängt der Staubsaugerschlauch ein.

© Reinhard Schmitz

Sorge um Schwertes goldenen Kunstschatz: Wo ist der Holzwurm im Schnitzaltar?

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Erst vor drei Jahren war der fast 500 Jahre alte Goldene Schnitzaltar der Viktorkirche in Schwerte für 100.000 Euro saniert worden. Jetzt rückten die Restauratoren erneut an.

Schwerte

, 18.02.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Holzwürmer im fast 500 Jahre alten Goldenen Schnitzaltar der Viktorkirche? Auf keinen Fall darf das sein. Mit größter Sorgfalt nahmen deshalb in dieser Woche die beiden Restauratoren Katharina Liebetrau und Jens Hofmann (Bonn) den bedeutendsten Kunstschatz der Stadt unter die Lupe.

Förderverein und Presbyterium waren erleichtert, als die Fachleute schließlich ihr Ergebnis verkünden konnten: Sie mussten keinerlei Ungeziefer-Befall feststellen. Dieselbe Entwarnung gaben sie für die übrigen Schätze des Gotteshauses wie die barocke Kanzel aus dem Jahr 1666, wo seit 2017 eine Verdachtsfläche mit Japanpapier verklebt ist. Die hauchdünne Versiegelung ist seither unversehrt geblieben.

Abgeplatzte Farbteilchen werden mit Leim wieder befestigt

„Da ist kein Wurm ausgeflogen bis jetzt“, sagte Katharina Liebetrau. Sie habe auch keinen Schimmel festgestellt. Dazu hätten sicherlich auch die drei vergangenen, relativ trockenen Sommer ihren Teil beigetragen, die weniger Luftfeuchtigkeit ins Kirchenschiff eindringen ließen.

Das einzige, was gefunden wurde, waren ein paar Spinnweben und eine Menge Staub. Außerdem hatten sich an manchen Stellen des Antwerpener Schnitzaltars kleinere Schichten Farbe abgelöst, die mit Leimpinsel oder -spritze wieder neuen Halt auf der Holzoberfläche bekamen. „Man muss das früh entdecken, bevor es abfällt“, erklärte die Fachfrau.

Größere Schäden schon im Keim zu verhindern, war auch der Grund, warum die Evangelische Kirchengemeinde schon drei Jahre nach der 100.000 Euro teuren Restaurierung des Schnitzaltars erneut eine Kontrolle und Säuberung in Auftrag gab. Man wolle die regelmäßigen Wartungsintervalle auf zwei bis drei Jahre verkürzen, um nicht wieder so eine Riesenaufgabe auflaufen zu lassen, sagte Ulrich Halbach, Vorsitzender des Fördervereins St. Viktor.

Vertreter von Förderverein und Presbyterium besprachen mit den Restauratoren die Arbeiten an dem größten Kunstwerk der Stadt, dem fast 500 Jahre alten Antwerpener Schnitzaltar in der St.-Viktor-Kirche.

Vertreter von Förderverein und Presbyterium besprachen mit den Restauratoren die Arbeiten an dem größten Kunstwerk der Stadt, dem fast 500 Jahre alten Antwerpener Schnitzaltar in der St.-Viktor-Kirche. © Reinhard Schmitz

150 geschnitzte Figuren werden mit dem Pinselchen gereinigt

Den beiden Restauratoren war anzusehen, dass es für sie eine Ehre war, wieder in die historische Marktkirche gerufen zu werden, wo sie 2018 insgesamt zwölf Wochen lang mit der Konservierung des Schnitzaltars beschäftigt gewesen waren.

Jetzt kletterten sie mit der Leiter erneut auf den vorgelagerten, steinernen Altartisch mit dem Reliquienfach, das ein Zungenbein des namensgebenden Heiligen enthalten soll. Die Oberfläche des sakralen Möbels war sorgfältig mit Malervlies abgedeckt, um als Arbeitsbühne zu dienen. Behutsam konnten aus dieser Position die 150 Figuren und Kulissen der biblischen Szenen mit dem Pinselchen gereinigt werde, während ein Staubsauger die aufgewirbelten Schmutzteilchen sofort in seinen Beutel sog.

Mittelalterliches Qualitätssiegel: Jede der rund 150 Figuren des Goldenen Altars trägt an versteckter Stelle eine eingeschnitzte winzige Hand, die die Fertigung bei den Meistern in Antwerpen signalisiert.

Mittelalterliches Qualitätssiegel: Jede der rund 150 Figuren des Goldenen Altars trägt an versteckter Stelle eine eingeschnitzte winzige Hand, die die Fertigung bei den Meistern in Antwerpen signalisiert. © Reinhard Schmitz

Aus der Nähe betrachtet, wurde deutlich, wie viel Geschick und Mühe die mittelalterlichen Meister von Antwerpen einst in jedes Detail gesteckt hatten. Selbst die Gewänder der Heiligen Drei Könige haben sie nicht einfach mit Blattgold belegt. Darunter wurden mit einem Rädchen feinste Muster ins Holz gedrückt, die den Stoffen eine plastische Wirkung verleihen.

Und was bedeuten die kleinen Hände, die an von unten unsichtbaren Stellen in jede Figur eingraviert sind? „Das ist das Zeichen, dass sie aus Antwerpen kommen“, berichtete Jens Hofmann. Markensiegel gab es also auch schon vor 500 Jahren.

Der Altar wurde in 500 Jahren kein einziges Mal bewegt

Kaum bemerkbar, weil mit zur Umgebung passenden Farbtupfern kaschiert sind selbst die massiven Nägel, die die einzelnen Teile des Altars zusammenhalten. Nur in ganz wenigen Kirchen sind alle Befestigungen so im Original erhalten wie in Schwerte. Denn in der Ruhrstadt wurde das Kunstwerk in allen Jahrhunderten niemals auseinandergenommen. Nicht einmal im Zweiten Weltkrieg. Da wurde der Altar zum Schutz vor den anglo-amerikanischen Bombenfliegern an Ort und Stelle eingemauert.

Unglaublich filigran geschnitzt und bemalt ist jede Szene des Altars, hier der Ringelreigen der Hirten bei der Geburt Jesu.

Unglaublich filigran geschnitzt und bemalt ist jede Szene des Altars, hier der Ringelreigen der Hirten bei der Geburt Jesu. © Reinhard Schmitz

Das Meisterwerk hat schon viele Zeiten und Wirren überstanden. Schon wenige Jahre, nachdem es Katholiken in die Stadt geholt und aufgestellt hatten, wurde die Viktorkirche protestantisch. Die neue Konfession brauchte eigentlich keine Gottesmutter Maria und die vielen Heiligen mehr, deren Figuren den Altar prägten.

Zerschlagen wurde aber im Gegensatz zu anderen Städten nichts davon. „Es ist erstaunlich, dass der Bildersturm der Reformation nicht über Schwerte hinweggegangen ist“, sagte Stadtkirchenpfarrer Tom Damm: „Dem Schwerter Reformator Albert Pepper muss man da sehr dankbar sein.“

Ruß liturgischer Kerzen hat die Bilder geschwärzt

Zerstörerischer war der rußige Rauch der liturgischen Kerzen, der die Altarbilder im Laufe der Zeit schwärzte. Dazu kamen sicherlich die Auswirkungen der großen Stadtbrände des Mittelalters, die dreimal ringsherum die Schwerter Altstadt mehr oder weniger komplett in Schutt und Asche legten. Nicht alle Ablagerungen konnten selbst bei der Groß-Restauration 2018 wieder entfernt werden. Es wäre unbezahlbar gewesen.

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Es war kein Zufall, dass die zweitägigen Wartungsarbeiten zu Beginn dieser Woche stattfanden. Seit Aschermittwoch (17.2.) sind die prächtigen Seitenflügel für die Dauer der Passionszeit bis Ostern zugeklappt und unzugänglich. Bis dahin gibt es vielleicht auch eine Perspektive, wann wieder Gottesdienste unter dem Altar gefeiert werden können.

Seit November mussten sie wegen Corona ausfallen. Aber es gebe seit Montag präzise Vorgaben der Landeskirche für den Neustart, berichtete Pfarrer Damm: Ab einem Inzidenzwert von unter 50 in Schwerte sei ein Präsenz-Gottesdienst wieder erlaubt, sinke der Wert unter 35, auch die Öffnung des Gemeindehauses.