Reinhold Beckmann: Vom Moderator zum Musiker „Beim Fußball bin ich Sofa-Schimpfer geworden“

Reinhold Beckman: „Beim Fußball bin ich Sofa-Schimpfer geworden“
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Reinhold Beckmann, das ist doch der von der Sportschau und der Talkshow? Ja, aber seit 2014 ist Reinhold Beckmann auch und immer mehr Musiker. Das Publikum dafür muss man sich erspielen, sagt er. Und wohl auch den Respekt der Kollegen.

Chris Kramer ist jedenfalls überzeugt und lädt den Wahl-Hamburger zu seiner Unplugged-Reihe in die Rohrmeisterei ein. Im Vorfeld plauderte er mit RN-Chefreporter Heiko Mühlbauer am Telefon über Lieblingsmusik, „Fußball-Sofa-Schimpfer“ und die Probleme der Kultur nach Corona.

Welches ist Ihr aktuell liebstes Album?

Ich habe ja zum Glück meinen alten Technics-Schallplattenspieler damals nicht verschleudert und kann auf die Musik der 70er-Jahre immer noch zugreifen. Das ist die eine Möglichkeit. Ich höre aber auch modernes Zeug, wie z.B. Silk Sonic, das Projekt von Anderson Paak und Bruno Mars. Kennen Sie die Videos?

Videos kenne ich wenige, ich bin sehr wenig auf YouTube unterwegs.

Ach, Herr Mühlbauer – da müssen Sie mal reingucken, das ist so selbstironisch, so witzig und eine tiefe Verbeugung vor all den Frauen, die uns Männer längst durchschaut haben. Ansonsten war ich vor kurzem beim James-Taylor-Konzert in Hamburg. Es war ein großes Vergnügen und ein Klassentreffen von Hamburger Musikern. Für einen Abend glaubten wir, wieder zwanzig zu sein. Die guten alten Geister schwebten durch den Raum und Taylor sang mit seiner samten Stimme so, als ob Woodstock gerade gestern gewesen wäre.

Haben Sie ein absolutes Lieblingsalbum?

„Blue“ von Joni Mitchell. Ein Album, das nicht nur von mir heiliggesprochen wurde. Aber auch „Painted from Memory“ von Elvis Costello und Burt Bacharach kann ich mir immer wieder anhören. Nur Trennungs-Songs, die ganze Platte. Mehr Melancholie geht nicht. Und dazu diese grandiose Stimme von Costello.

Sie haben ja Ihr Album „Haltbar bis Ende“ vor zwei Jahren herausgebracht. Wie viele Tour-Dates spielt man mit so einem Album im Gepäck?

Wir haben „Haltbar bis Ende“ sicherlich auf 60 bis 70 Konzerten gespielt. Im letzten Jahr mussten wir ein wenig kürzer treten, weil ich ein bisschen abgetaucht war und ein Buch über die Geschichte meiner Mutter geschrieben habe. Sie hat im Zweiten Weltkrieg ihre vier Brüder verloren. Ein Schicksal, das unsere Familie sehr geprägt hat. Die Idee zu diesem Buch entstand aus dem Song „Vier Brüder“, der auch auf dem aktuellen Album ist. Und den wir anlässlich der Gedenkfeier zum Volkstrauertag im Bundestag gespielt haben. Das Buch „Aenne und ihre Brüder“ erscheint übrigens am 30. August.

Startete ein zweites Leben als Musiker: Reinhold Beckmann.
Startete ein zweites Leben als Musiker: Reinhold Beckmann. © Beckmann

Wie viel Segen ist das, wenn man mit Prominenz ins Musikerleben startet, und wie viel Fluch?

Klar kommen auch einige Zuschauer aus Neugier auf den Fernsehfritzen. Andere bleiben vielleicht genau deshalb weg. Man muss sich das Publikum, wie jeder andere Musiker auch, erspielen. Die Leute müssen mit dem Gefühl nach Hause gehen: „Ja, das war ein schöner Abend. Der kann das wirklich und seine Songs interessieren und berühren mich.“ Nur dann kommen sie wieder und bringen beim nächsten Mal noch ihre Freunde und Verwandten mit.

Wie kamen Sie zu Ihrem zweiten Beruf?

Musik war schon immer mein Sehnsuchtsort. Den lieben Tritt in den Hintern haben mir zwei Musiker aus der Ina Müller Band gegeben. Ich war damals bei „Inas Nacht“ zu Gast und habe da einen Bossa Nova auf der Gitarre gespielt. Helge Zumdick, der Schlagzeuger von Inas Band, sagte: „Hey, lass uns was versuchen.“ Wir haben uns dann zurückgezogen und Songs geschrieben. So hat’s begonnen.

Einmal im Jahr lädt sich Chris Kramer einen Prominenten Gast zu seinen Unplugged Abenden ein. In diesem Jahr ist es Reinhold Beckmann.
Einmal im Jahr lädt sich Chris Kramer einen Prominenten Gast zu seinen Unplugged-Abenden ein. In diesem Jahr ist es Reinhold Beckmann. © Frank Beer

Sind Sie vor „Inas Nacht“ auch schon öffentlich aufgetreten?

Ja, hier und da mal als Gast bei Olli Dittrichs „Texas Lightning“ oder auch bei Barbara Schöneberger oder bei Ina. Wenn ich geahnt hätte, wie erfüllend Musikmachen und live spielen ist, hätte ich sicher viel früher damit begonnen. Aber irgendwie ist mir wohl das Fernsehen dazwischengekommen

Wo liegen für Sie die großen Unterschiede zwischen der TV-Arbeit und dem Musikerleben?

Im Journalismus interessierst du dich für Biographien von anderen Menschen, für gesellschaftliche Themen. Auf der Bühne erzählst du deine eigenen Geschichten. Das ist näher an einem selbst. Zudem ist da diese Nähe zum Publikum. Du siehst und spürst genau, was an dem Abend passiert, wie er sich entwickelt. Das hat eine völlig eigene Kraft. Das kann Fernsehen nicht.

Wie entstehen Ihre Songs?

Das sind unterschiedliche Wege. Zunächst habe ich immer erst den Text gebraucht und mich dann an die Musik gemacht. Inzwischen läuft das auch mal andersrum. Das verändert dann aber wieder das Textschreiben. Beide Wege haben ihren Reiz.

Wie sind Sie als Musiker über die Corona-Zeit gekommen?

Die ganze Kulturszene hat einen solchen Schaden erlitten, das ist noch lange nicht wieder gut. Wir haben zuletzt in Wilhelmshaven im Pumpwerk gespielt, ein richtiges Traditionshaus. Die Verantwortlichen dort kenne ich schon lange. Sie sagten, dass bei den Zuschauerzahlen 100 das neue 300 oder 400 sei. Wie sollen die Bühnen damit wirtschaften? Es gibt viele Musiker, die aufgegeben haben, viele Techniker, die sich einen anderen Job suchen mussten.

Wir haben in der Kulturszene ein großes Netzwerk, was Ehrenamtliche betrifft, die Theater und Kulturhäuser betreiben, teilweise keine Förderung kriegen und alles selbst stemmen müssen. Großartige Menschen, hinreißende Locations, die nur deshalb Bestand haben, weil Kämpfer für Kultur da sind.

Wie oft begleitet Sie eigentlich noch Ihre Fußball-Vergangenheit?

Fußball ist immer noch Teil meines Lebens, aber nicht beruflich. Ich habe mit 62 Jahren aufgehört, die Sportschau zu moderieren. Der Spaß am Fußballgucken ist geblieben, am liebsten mit Kumpeln. Ich bin jetzt ein richtig professioneller Sofa-Schimpfer geworden (lacht). Paris St. Germain gegen Bayern haben wir zuletzt zusammen geschaut. Wir alle haben uns über den Co-Kommentator Benedikt Höwedes aufgeregt. Das jemand da so viel reden kann? Der hat alle zugetextet, mit Beschreibungen von dem, was der Zuschauer eh selbst sieht.

Waren Sie in schon mal in Schwerte?

Nein, in Schwerte haben wir noch nie gespielt. Wie ist denn die Rohrmeisterei?

Schön, aber mittlerweile etwas in die Jahre gekommen. Aber es ist eine sehr schöne Location und eine renommierte Reihe. Was erwartet die Zuschauer an dem Abend?

Wir spielen das Programm „Haltbar bis Ende“. Bei einigen Songs wird uns Chris Kramer auf seiner Mundharmonika begleiten. Es ist ein lustiger wie auch nachdenklicher Abend. Es gibt Songs, die ins eigene Leben gucken, es gibt einen politischen Teil und hinten raus wird Schwerte stehen und sich so bewegen, wie nie zuvor gesehen. Ich freue mich sehr auf den Abend und auf das erste Mal in der Rohrmeisterei.

Karten in der Rohrmeisterei oder im Netz:

  • Rohrmeisterei Unplugged – Chris Kramer und Friends mit dem Reinhold Beckmann-Duo findet am Mittwoch, 29. März, in der Rohrmeisterei, Ruhrstraße 21, statt.
  • Die Tickets kosten im Vorverkauf 24 Euro. Entweder bei der Rohrmeisterei oder über deren Internetseite: www.rohrmeisterei-schwerte.de
  • Beginn der Veranstaltung ist um 19.30 Uhr.